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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Die Kolonialschule zu Witzenhausen

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iS^,^^.?), Iraf Posadowsky hat neulich bei Begrüßung der Mitglieder des
Kolonialkongresses gesagt: Wir haben seit Gründung des Deutschen
Reiches einen Kolonialbesitz erworben von annähernd dem fünf¬
fachen Flücheninhalt des deutschen Mutterlandes, Wir hatten bis
dahin weder koloniale Erfahrungen, noch einen Stab geschulter
Kolonialbeamter, noch eine mit den tropischen Verhältnissen vertraute bewaffnete
Macht, Wir haben Kolonien erworben, in denen noch alles zu schaffen war.
was eine zivilisierte Verwaltung erfordert.

Wenn diese Worte den Zweck hatten, gewisse Mißerfolge zu entschuldigen,
die jetzt zu verzeichnen sind, so könnte man ähnliche Worte brauchen in bezug
auf wirtschaftliche Verluste bei Kolonialunternehmungen. Man hat Lehrgeld
zahlen müssen gerade darum, weil man sich die Sache zu leicht vorgestellt
hatte, und weil man geglaubt hatte, manches in genialer Weise improvisieren
zu können, was sorgsame Vorbereitung und einen wissenschaftlichen Apparat
forderte, und man hat, weil es an sachverständigen Beamten fehlte. Millionen
zugesetzt. Wenn der Landwirtschaft in der Heimat eine fachmännische Aus¬
bildung des Landwirth, Kenntnis des Bodens und der Mittel von nöten ist,
mit denen höchste Erträge erreicht werden, damit man einer harten Konkurrenz
die Spitze bieten kann, so bedarf der Pflanzer in derselben Weise einer gründlichen
Ausrüstung. Nirgend auf der Erde sind die Verhältnisse so günstig, daß man
nur zu produzieren brauchte, um auch zu gewinnen. Die Konkurrenz macht sich
empfindlich geltend, und die Preise des Kaffees und namentlich die des Kakaos
sind so gedrückt, daß keine Fehler gemacht werden dürfen, wenn sich das Unter¬
nehmen lohnen soll. Es tritt an die tropische Bodenkultur dieselbe Anforderung
methodischer Bearbeitung heran, wie es bei der heimischen Landwirtschaft der
Fall ist.

Diesem Bedürfnisse will die Kolonialschnle in Witzenhausen dienen. Sie
will Kolonisten, desgleichen Beamte für Plantagen ausbilden, die mit dem aus¬
gerüstet sind, was sie draußen an technischer Ausbildung und theoretischem
Wissen brauchen, und die vor allem auch die Charaktereigenschaften mit bringen,
die der schwere Beruf eines "Kulturpioniers" fordert.

Die Kolonialschule ist im Jahre 1898 von einer zu diesem Zwecke ge¬
bildeten Gesellschaft gegründet worden, die ihren Sitz vornehmlich am Rhein
hat, und an deren Spitze der Fürst Wilhelm zu Wied steht. Man vereinigte
sich, in Witzenhausen die dortige Domäne zu pachten und sie in eine tropische
Landwirtschaftsschule umzuwandeln. Aus der Pachtung wurde ein Kauf, und
aus der unglaublich verwahrlosten und verkommnen Wirtschaft, einem wahren
Rattenneste, entwickelte sich die überaus stattliche Kolonialschule. Die Gebäude




Die Kolonialschule zu Witzenhausen

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iS^,^^.?), Iraf Posadowsky hat neulich bei Begrüßung der Mitglieder des
Kolonialkongresses gesagt: Wir haben seit Gründung des Deutschen
Reiches einen Kolonialbesitz erworben von annähernd dem fünf¬
fachen Flücheninhalt des deutschen Mutterlandes, Wir hatten bis
dahin weder koloniale Erfahrungen, noch einen Stab geschulter
Kolonialbeamter, noch eine mit den tropischen Verhältnissen vertraute bewaffnete
Macht, Wir haben Kolonien erworben, in denen noch alles zu schaffen war.
was eine zivilisierte Verwaltung erfordert.

Wenn diese Worte den Zweck hatten, gewisse Mißerfolge zu entschuldigen,
die jetzt zu verzeichnen sind, so könnte man ähnliche Worte brauchen in bezug
auf wirtschaftliche Verluste bei Kolonialunternehmungen. Man hat Lehrgeld
zahlen müssen gerade darum, weil man sich die Sache zu leicht vorgestellt
hatte, und weil man geglaubt hatte, manches in genialer Weise improvisieren
zu können, was sorgsame Vorbereitung und einen wissenschaftlichen Apparat
forderte, und man hat, weil es an sachverständigen Beamten fehlte. Millionen
zugesetzt. Wenn der Landwirtschaft in der Heimat eine fachmännische Aus¬
bildung des Landwirth, Kenntnis des Bodens und der Mittel von nöten ist,
mit denen höchste Erträge erreicht werden, damit man einer harten Konkurrenz
die Spitze bieten kann, so bedarf der Pflanzer in derselben Weise einer gründlichen
Ausrüstung. Nirgend auf der Erde sind die Verhältnisse so günstig, daß man
nur zu produzieren brauchte, um auch zu gewinnen. Die Konkurrenz macht sich
empfindlich geltend, und die Preise des Kaffees und namentlich die des Kakaos
sind so gedrückt, daß keine Fehler gemacht werden dürfen, wenn sich das Unter¬
nehmen lohnen soll. Es tritt an die tropische Bodenkultur dieselbe Anforderung
methodischer Bearbeitung heran, wie es bei der heimischen Landwirtschaft der
Fall ist.

Diesem Bedürfnisse will die Kolonialschnle in Witzenhausen dienen. Sie
will Kolonisten, desgleichen Beamte für Plantagen ausbilden, die mit dem aus¬
gerüstet sind, was sie draußen an technischer Ausbildung und theoretischem
Wissen brauchen, und die vor allem auch die Charaktereigenschaften mit bringen,
die der schwere Beruf eines „Kulturpioniers" fordert.

Die Kolonialschule ist im Jahre 1898 von einer zu diesem Zwecke ge¬
bildeten Gesellschaft gegründet worden, die ihren Sitz vornehmlich am Rhein
hat, und an deren Spitze der Fürst Wilhelm zu Wied steht. Man vereinigte
sich, in Witzenhausen die dortige Domäne zu pachten und sie in eine tropische
Landwirtschaftsschule umzuwandeln. Aus der Pachtung wurde ein Kauf, und
aus der unglaublich verwahrlosten und verkommnen Wirtschaft, einem wahren
Rattenneste, entwickelte sich die überaus stattliche Kolonialschule. Die Gebäude


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[0199] [Abbildung] Die Kolonialschule zu Witzenhausen ^«^<-^ l> H MM^M^ff- iS^,^^.?), Iraf Posadowsky hat neulich bei Begrüßung der Mitglieder des Kolonialkongresses gesagt: Wir haben seit Gründung des Deutschen Reiches einen Kolonialbesitz erworben von annähernd dem fünf¬ fachen Flücheninhalt des deutschen Mutterlandes, Wir hatten bis dahin weder koloniale Erfahrungen, noch einen Stab geschulter Kolonialbeamter, noch eine mit den tropischen Verhältnissen vertraute bewaffnete Macht, Wir haben Kolonien erworben, in denen noch alles zu schaffen war. was eine zivilisierte Verwaltung erfordert. Wenn diese Worte den Zweck hatten, gewisse Mißerfolge zu entschuldigen, die jetzt zu verzeichnen sind, so könnte man ähnliche Worte brauchen in bezug auf wirtschaftliche Verluste bei Kolonialunternehmungen. Man hat Lehrgeld zahlen müssen gerade darum, weil man sich die Sache zu leicht vorgestellt hatte, und weil man geglaubt hatte, manches in genialer Weise improvisieren zu können, was sorgsame Vorbereitung und einen wissenschaftlichen Apparat forderte, und man hat, weil es an sachverständigen Beamten fehlte. Millionen zugesetzt. Wenn der Landwirtschaft in der Heimat eine fachmännische Aus¬ bildung des Landwirth, Kenntnis des Bodens und der Mittel von nöten ist, mit denen höchste Erträge erreicht werden, damit man einer harten Konkurrenz die Spitze bieten kann, so bedarf der Pflanzer in derselben Weise einer gründlichen Ausrüstung. Nirgend auf der Erde sind die Verhältnisse so günstig, daß man nur zu produzieren brauchte, um auch zu gewinnen. Die Konkurrenz macht sich empfindlich geltend, und die Preise des Kaffees und namentlich die des Kakaos sind so gedrückt, daß keine Fehler gemacht werden dürfen, wenn sich das Unter¬ nehmen lohnen soll. Es tritt an die tropische Bodenkultur dieselbe Anforderung methodischer Bearbeitung heran, wie es bei der heimischen Landwirtschaft der Fall ist. Diesem Bedürfnisse will die Kolonialschnle in Witzenhausen dienen. Sie will Kolonisten, desgleichen Beamte für Plantagen ausbilden, die mit dem aus¬ gerüstet sind, was sie draußen an technischer Ausbildung und theoretischem Wissen brauchen, und die vor allem auch die Charaktereigenschaften mit bringen, die der schwere Beruf eines „Kulturpioniers" fordert. Die Kolonialschule ist im Jahre 1898 von einer zu diesem Zwecke ge¬ bildeten Gesellschaft gegründet worden, die ihren Sitz vornehmlich am Rhein hat, und an deren Spitze der Fürst Wilhelm zu Wied steht. Man vereinigte sich, in Witzenhausen die dortige Domäne zu pachten und sie in eine tropische Landwirtschaftsschule umzuwandeln. Aus der Pachtung wurde ein Kauf, und aus der unglaublich verwahrlosten und verkommnen Wirtschaft, einem wahren Rattenneste, entwickelte sich die überaus stattliche Kolonialschule. Die Gebäude

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/199>, abgerufen am 07.05.2024.