Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Salzburg und die Tauernpässe

stehenden Organisation der obersten Regierungstätigkeit und der Heraus¬
gabe von Gesetzen ohne jede praktische Bedeutung bleibt. Solange nicht die
gesamte Gesetzgebung durch den Kontrollapparat der Volksvertretung geht,
solange die Mehrzahl der Gesetze wie bisher völlig unabhängig von der Gesell¬
schaft durch eine büreaukratische Institution als "allerhöchst bestätigte Meinung
des Reichsrath" oder durch den Zaren auf Vortrag eines Ministers als
"namentlicher Mas" entsteh" und erscheinen kann, so lange können die Mit¬
glieder der Reichsduma hinter verschlossenen Türen die schönsten im Nahmen
des Paragraphen 33 enthaltnen Gesetze beraten, die längsten Reden halten
und die schärfste Kritik üben, der Reichsrat wird alle Beschlüsse acceptieren
können, der Zar wird seine Unterschrift unter alles setzen können, was ihm
aus der Reichsduma auf dem Instanzenwege zugeht. Das Gesetz kaun sogar
veröffentlicht werden -- wie bisher; aber in der Praxis wird es wertlos
bleiben. Denn der mit dem Gesetz unzufriedne Minister kann wie bisher, ohne
mit einem Mitgliede des Reichsrath oder der Reichsduma ein Wort gewechselt
zu haben, im persönlichen Vortrage beim Zaren scheinbar mit dem Gesetz in
keinem Zusammenhang stehende Bestimmungen erwirken, durch die die ganze
Arbeit von 412 Abgeordneten in ein Nichts zerfließt. Ein Gegengewicht hierzu
kann wohl der Präsident der Duma, der zum persönlichen Vortrag über den
Geschäftsgang der Duma beim Zaren zugelassen ist, ausüben. Darum wird
es auch von so großer Bedeutung sein, welcher Parteirichtung der Präsident
angehört, und welche persönliche Stellung er am Hofe einnimmt. Wozu wird
jedoch erst ein komplizierter und kostspieliger Apparat geschaffen, wenn doch
einzig und allein persönliche Einflüsse maßgebend sein sollen?

Da es feststeht, wie geringer Freiheiten sich der einzelne Abgeordnete er¬
freuen soll, verliert das formale Verhältnis der. Reichsduma als Instanz
gegenüber dem Reichsrat und den einzelnen Ministern an Bedeutung. Für
unsre spätern Ausführungen ist es jedoch notwendig, auch hierauf noch näher
einzugehn. (Schluß folgt)




Salzburg und die Tauernpässe
von Gelo Uaemmel (Schluß)

! inter Hof-Gastein geht die alte schmale Straße südwärts über die
flachen Ausläufer der östlichen Talseite Hügelauf hügelab, aber
gesicherter vor dem Hochwasser der Ache als die neue Post-
straße, die rechts abbiegt, die Ache überschreitet und am west¬
lichen Rande des sumpfigen, längs des Flusses mit dichtem
Erlengebüsch bestandnen Tals weiterläuft, bis sie den Wald erreicht, der den
Abhang des Stubnerkogels einhüllt; von hier führt sie in langer, ununter-
brochner anstrengender Steigung zum Ziele. Schon vor Hof-Gastein werden
im Süden, da wo der Stubnerkogel von rechts, der Grcmkogel mit seinem


Salzburg und die Tauernpässe

stehenden Organisation der obersten Regierungstätigkeit und der Heraus¬
gabe von Gesetzen ohne jede praktische Bedeutung bleibt. Solange nicht die
gesamte Gesetzgebung durch den Kontrollapparat der Volksvertretung geht,
solange die Mehrzahl der Gesetze wie bisher völlig unabhängig von der Gesell¬
schaft durch eine büreaukratische Institution als „allerhöchst bestätigte Meinung
des Reichsrath" oder durch den Zaren auf Vortrag eines Ministers als
„namentlicher Mas" entsteh» und erscheinen kann, so lange können die Mit¬
glieder der Reichsduma hinter verschlossenen Türen die schönsten im Nahmen
des Paragraphen 33 enthaltnen Gesetze beraten, die längsten Reden halten
und die schärfste Kritik üben, der Reichsrat wird alle Beschlüsse acceptieren
können, der Zar wird seine Unterschrift unter alles setzen können, was ihm
aus der Reichsduma auf dem Instanzenwege zugeht. Das Gesetz kaun sogar
veröffentlicht werden — wie bisher; aber in der Praxis wird es wertlos
bleiben. Denn der mit dem Gesetz unzufriedne Minister kann wie bisher, ohne
mit einem Mitgliede des Reichsrath oder der Reichsduma ein Wort gewechselt
zu haben, im persönlichen Vortrage beim Zaren scheinbar mit dem Gesetz in
keinem Zusammenhang stehende Bestimmungen erwirken, durch die die ganze
Arbeit von 412 Abgeordneten in ein Nichts zerfließt. Ein Gegengewicht hierzu
kann wohl der Präsident der Duma, der zum persönlichen Vortrag über den
Geschäftsgang der Duma beim Zaren zugelassen ist, ausüben. Darum wird
es auch von so großer Bedeutung sein, welcher Parteirichtung der Präsident
angehört, und welche persönliche Stellung er am Hofe einnimmt. Wozu wird
jedoch erst ein komplizierter und kostspieliger Apparat geschaffen, wenn doch
einzig und allein persönliche Einflüsse maßgebend sein sollen?

Da es feststeht, wie geringer Freiheiten sich der einzelne Abgeordnete er¬
freuen soll, verliert das formale Verhältnis der. Reichsduma als Instanz
gegenüber dem Reichsrat und den einzelnen Ministern an Bedeutung. Für
unsre spätern Ausführungen ist es jedoch notwendig, auch hierauf noch näher
einzugehn. (Schluß folgt)




Salzburg und die Tauernpässe
von Gelo Uaemmel (Schluß)

! inter Hof-Gastein geht die alte schmale Straße südwärts über die
flachen Ausläufer der östlichen Talseite Hügelauf hügelab, aber
gesicherter vor dem Hochwasser der Ache als die neue Post-
straße, die rechts abbiegt, die Ache überschreitet und am west¬
lichen Rande des sumpfigen, längs des Flusses mit dichtem
Erlengebüsch bestandnen Tals weiterläuft, bis sie den Wald erreicht, der den
Abhang des Stubnerkogels einhüllt; von hier führt sie in langer, ununter-
brochner anstrengender Steigung zum Ziele. Schon vor Hof-Gastein werden
im Süden, da wo der Stubnerkogel von rechts, der Grcmkogel mit seinem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0364" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296375"/>
            <fw type="header" place="top"> Salzburg und die Tauernpässe</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2135" prev="#ID_2134"> stehenden Organisation der obersten Regierungstätigkeit und der Heraus¬<lb/>
gabe von Gesetzen ohne jede praktische Bedeutung bleibt. Solange nicht die<lb/>
gesamte Gesetzgebung durch den Kontrollapparat der Volksvertretung geht,<lb/>
solange die Mehrzahl der Gesetze wie bisher völlig unabhängig von der Gesell¬<lb/>
schaft durch eine büreaukratische Institution als &#x201E;allerhöchst bestätigte Meinung<lb/>
des Reichsrath" oder durch den Zaren auf Vortrag eines Ministers als<lb/>
&#x201E;namentlicher Mas" entsteh» und erscheinen kann, so lange können die Mit¬<lb/>
glieder der Reichsduma hinter verschlossenen Türen die schönsten im Nahmen<lb/>
des Paragraphen 33 enthaltnen Gesetze beraten, die längsten Reden halten<lb/>
und die schärfste Kritik üben, der Reichsrat wird alle Beschlüsse acceptieren<lb/>
können, der Zar wird seine Unterschrift unter alles setzen können, was ihm<lb/>
aus der Reichsduma auf dem Instanzenwege zugeht. Das Gesetz kaun sogar<lb/>
veröffentlicht werden &#x2014; wie bisher; aber in der Praxis wird es wertlos<lb/>
bleiben. Denn der mit dem Gesetz unzufriedne Minister kann wie bisher, ohne<lb/>
mit einem Mitgliede des Reichsrath oder der Reichsduma ein Wort gewechselt<lb/>
zu haben, im persönlichen Vortrage beim Zaren scheinbar mit dem Gesetz in<lb/>
keinem Zusammenhang stehende Bestimmungen erwirken, durch die die ganze<lb/>
Arbeit von 412 Abgeordneten in ein Nichts zerfließt. Ein Gegengewicht hierzu<lb/>
kann wohl der Präsident der Duma, der zum persönlichen Vortrag über den<lb/>
Geschäftsgang der Duma beim Zaren zugelassen ist, ausüben. Darum wird<lb/>
es auch von so großer Bedeutung sein, welcher Parteirichtung der Präsident<lb/>
angehört, und welche persönliche Stellung er am Hofe einnimmt. Wozu wird<lb/>
jedoch erst ein komplizierter und kostspieliger Apparat geschaffen, wenn doch<lb/>
einzig und allein persönliche Einflüsse maßgebend sein sollen?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2136"> Da es feststeht, wie geringer Freiheiten sich der einzelne Abgeordnete er¬<lb/>
freuen soll, verliert das formale Verhältnis der. Reichsduma als Instanz<lb/>
gegenüber dem Reichsrat und den einzelnen Ministern an Bedeutung. Für<lb/>
unsre spätern Ausführungen ist es jedoch notwendig, auch hierauf noch näher<lb/>
einzugehn. (Schluß folgt)</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Salzburg und die Tauernpässe<lb/><note type="byline"> von Gelo Uaemmel</note> (Schluß) </head><lb/>
          <p xml:id="ID_2137" next="#ID_2138"> ! inter Hof-Gastein geht die alte schmale Straße südwärts über die<lb/>
flachen Ausläufer der östlichen Talseite Hügelauf hügelab, aber<lb/>
gesicherter vor dem Hochwasser der Ache als die neue Post-<lb/>
straße, die rechts abbiegt, die Ache überschreitet und am west¬<lb/>
lichen Rande des sumpfigen, längs des Flusses mit dichtem<lb/>
Erlengebüsch bestandnen Tals weiterläuft, bis sie den Wald erreicht, der den<lb/>
Abhang des Stubnerkogels einhüllt; von hier führt sie in langer, ununter-<lb/>
brochner anstrengender Steigung zum Ziele. Schon vor Hof-Gastein werden<lb/>
im Süden, da wo der Stubnerkogel von rechts, der Grcmkogel mit seinem</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0364] Salzburg und die Tauernpässe stehenden Organisation der obersten Regierungstätigkeit und der Heraus¬ gabe von Gesetzen ohne jede praktische Bedeutung bleibt. Solange nicht die gesamte Gesetzgebung durch den Kontrollapparat der Volksvertretung geht, solange die Mehrzahl der Gesetze wie bisher völlig unabhängig von der Gesell¬ schaft durch eine büreaukratische Institution als „allerhöchst bestätigte Meinung des Reichsrath" oder durch den Zaren auf Vortrag eines Ministers als „namentlicher Mas" entsteh» und erscheinen kann, so lange können die Mit¬ glieder der Reichsduma hinter verschlossenen Türen die schönsten im Nahmen des Paragraphen 33 enthaltnen Gesetze beraten, die längsten Reden halten und die schärfste Kritik üben, der Reichsrat wird alle Beschlüsse acceptieren können, der Zar wird seine Unterschrift unter alles setzen können, was ihm aus der Reichsduma auf dem Instanzenwege zugeht. Das Gesetz kaun sogar veröffentlicht werden — wie bisher; aber in der Praxis wird es wertlos bleiben. Denn der mit dem Gesetz unzufriedne Minister kann wie bisher, ohne mit einem Mitgliede des Reichsrath oder der Reichsduma ein Wort gewechselt zu haben, im persönlichen Vortrage beim Zaren scheinbar mit dem Gesetz in keinem Zusammenhang stehende Bestimmungen erwirken, durch die die ganze Arbeit von 412 Abgeordneten in ein Nichts zerfließt. Ein Gegengewicht hierzu kann wohl der Präsident der Duma, der zum persönlichen Vortrag über den Geschäftsgang der Duma beim Zaren zugelassen ist, ausüben. Darum wird es auch von so großer Bedeutung sein, welcher Parteirichtung der Präsident angehört, und welche persönliche Stellung er am Hofe einnimmt. Wozu wird jedoch erst ein komplizierter und kostspieliger Apparat geschaffen, wenn doch einzig und allein persönliche Einflüsse maßgebend sein sollen? Da es feststeht, wie geringer Freiheiten sich der einzelne Abgeordnete er¬ freuen soll, verliert das formale Verhältnis der. Reichsduma als Instanz gegenüber dem Reichsrat und den einzelnen Ministern an Bedeutung. Für unsre spätern Ausführungen ist es jedoch notwendig, auch hierauf noch näher einzugehn. (Schluß folgt) Salzburg und die Tauernpässe von Gelo Uaemmel (Schluß) ! inter Hof-Gastein geht die alte schmale Straße südwärts über die flachen Ausläufer der östlichen Talseite Hügelauf hügelab, aber gesicherter vor dem Hochwasser der Ache als die neue Post- straße, die rechts abbiegt, die Ache überschreitet und am west¬ lichen Rande des sumpfigen, längs des Flusses mit dichtem Erlengebüsch bestandnen Tals weiterläuft, bis sie den Wald erreicht, der den Abhang des Stubnerkogels einhüllt; von hier führt sie in langer, ununter- brochner anstrengender Steigung zum Ziele. Schon vor Hof-Gastein werden im Süden, da wo der Stubnerkogel von rechts, der Grcmkogel mit seinem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/364
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/364>, abgerufen am 07.05.2024.