Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Die neuen ostasiatischen Verhältnisse und der deutsche
Wettbewerb

er Krieg hat in Ostasien völlig veränderte Verhältnisse geschaffen,
die sich auch auf die wirtschaftlichen Beziehungen Europas und
Nordamerikas zu jenen Ländern weithin bemerkbar machen
werden. Mancherlei liegt darin, was als sehr günstig zu be¬
zeichnen ist. Längere Zeit schien es, als ob Ostasien bei einem
Siege Japans nur den Herrn tauschen werde. Nun aber ist der russische Plan,
mag er sich nun bloß auf die Mandschurei erstreckt haben, oder mag im Hinter¬
grund auch die Hoffnung auf eine Vormundschaftsstelluug über China gelebt
haben, völlig verhindert. In absehbarer Zeit kann er nicht wieder einen Be¬
standteil der russischen Politik bilden. Für diesen Fall hatte man vielfach in
allem Ernste gefürchtet, daß China in die Klientel Japans geraten werde.
Japan ist die einzige wirklich am Stillen Ozean domizilierte Großmacht,
wenigstens so lange nicht der Panamakanal ein Tor in die große amerikanische
Sperrmauer gebrochen und der Kriegsflotte der Vereinigten Staaten eine Gasse
nach den pazifischen Gewässern gebahnt hat. Nur mit England hat Japan
M rechnen. Zwar kann es seine maritimen Machtmittel nicht ernstlich mit
denen Großbritanniens vergleichen, aber dieses befindet sich nicht selten in der
Notwendigkeit, seine mächtige Flotte in andern Meeren zu konzentrieren, den
Stillen Ozean also fast ganz sich selbst zu überlassen. Alle andern Reiche,
Deutschland, Frankreich, neuerdings Rußland sind nicht in der Lage, es so
fern von ihrer Heimat mit einer Großmacht wie Japan aufzunehmen. Darauf
gründete sich die Besorgnis, daß künftig japanische Gesandte die Mandarinen
von Peking und die Vizekönige in den Provinzen beherrschen würden, wobei
die europäisch-amerikanische Handelskonkurrenz zum Vorteil der japanischen
möglichst unterdrückt würde. Dies ist aber nur für Korea und die Südspitze
der Halbinsel Liaotong in Aussicht; das läßt sich leicht verschmerzen. An
China darf sich Japan um so weniger heranwagen, als es durch sein Bündnis
zu der Rücksicht auf die Engländer gezwungen ist. Diese haben weitaus
den größten Handel mit dem chinesischen Reiche. Sie sind sehr wachsam
und werden sich nicht hinausmanövrieren lassen. Das englisch-japanische


Grenzboten IV 1905 52


Die neuen ostasiatischen Verhältnisse und der deutsche
Wettbewerb

er Krieg hat in Ostasien völlig veränderte Verhältnisse geschaffen,
die sich auch auf die wirtschaftlichen Beziehungen Europas und
Nordamerikas zu jenen Ländern weithin bemerkbar machen
werden. Mancherlei liegt darin, was als sehr günstig zu be¬
zeichnen ist. Längere Zeit schien es, als ob Ostasien bei einem
Siege Japans nur den Herrn tauschen werde. Nun aber ist der russische Plan,
mag er sich nun bloß auf die Mandschurei erstreckt haben, oder mag im Hinter¬
grund auch die Hoffnung auf eine Vormundschaftsstelluug über China gelebt
haben, völlig verhindert. In absehbarer Zeit kann er nicht wieder einen Be¬
standteil der russischen Politik bilden. Für diesen Fall hatte man vielfach in
allem Ernste gefürchtet, daß China in die Klientel Japans geraten werde.
Japan ist die einzige wirklich am Stillen Ozean domizilierte Großmacht,
wenigstens so lange nicht der Panamakanal ein Tor in die große amerikanische
Sperrmauer gebrochen und der Kriegsflotte der Vereinigten Staaten eine Gasse
nach den pazifischen Gewässern gebahnt hat. Nur mit England hat Japan
M rechnen. Zwar kann es seine maritimen Machtmittel nicht ernstlich mit
denen Großbritanniens vergleichen, aber dieses befindet sich nicht selten in der
Notwendigkeit, seine mächtige Flotte in andern Meeren zu konzentrieren, den
Stillen Ozean also fast ganz sich selbst zu überlassen. Alle andern Reiche,
Deutschland, Frankreich, neuerdings Rußland sind nicht in der Lage, es so
fern von ihrer Heimat mit einer Großmacht wie Japan aufzunehmen. Darauf
gründete sich die Besorgnis, daß künftig japanische Gesandte die Mandarinen
von Peking und die Vizekönige in den Provinzen beherrschen würden, wobei
die europäisch-amerikanische Handelskonkurrenz zum Vorteil der japanischen
möglichst unterdrückt würde. Dies ist aber nur für Korea und die Südspitze
der Halbinsel Liaotong in Aussicht; das läßt sich leicht verschmerzen. An
China darf sich Japan um so weniger heranwagen, als es durch sein Bündnis
zu der Rücksicht auf die Engländer gezwungen ist. Diese haben weitaus
den größten Handel mit dem chinesischen Reiche. Sie sind sehr wachsam
und werden sich nicht hinausmanövrieren lassen. Das englisch-japanische


Grenzboten IV 1905 52
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0405" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296416"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341881_296010/figures/grenzboten_341881_296010_296416_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die neuen ostasiatischen Verhältnisse und der deutsche<lb/>
Wettbewerb</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2282" next="#ID_2283"> er Krieg hat in Ostasien völlig veränderte Verhältnisse geschaffen,<lb/>
die sich auch auf die wirtschaftlichen Beziehungen Europas und<lb/>
Nordamerikas zu jenen Ländern weithin bemerkbar machen<lb/>
werden. Mancherlei liegt darin, was als sehr günstig zu be¬<lb/>
zeichnen ist. Längere Zeit schien es, als ob Ostasien bei einem<lb/>
Siege Japans nur den Herrn tauschen werde. Nun aber ist der russische Plan,<lb/>
mag er sich nun bloß auf die Mandschurei erstreckt haben, oder mag im Hinter¬<lb/>
grund auch die Hoffnung auf eine Vormundschaftsstelluug über China gelebt<lb/>
haben, völlig verhindert. In absehbarer Zeit kann er nicht wieder einen Be¬<lb/>
standteil der russischen Politik bilden. Für diesen Fall hatte man vielfach in<lb/>
allem Ernste gefürchtet, daß China in die Klientel Japans geraten werde.<lb/>
Japan ist die einzige wirklich am Stillen Ozean domizilierte Großmacht,<lb/>
wenigstens so lange nicht der Panamakanal ein Tor in die große amerikanische<lb/>
Sperrmauer gebrochen und der Kriegsflotte der Vereinigten Staaten eine Gasse<lb/>
nach den pazifischen Gewässern gebahnt hat. Nur mit England hat Japan<lb/>
M rechnen. Zwar kann es seine maritimen Machtmittel nicht ernstlich mit<lb/>
denen Großbritanniens vergleichen, aber dieses befindet sich nicht selten in der<lb/>
Notwendigkeit, seine mächtige Flotte in andern Meeren zu konzentrieren, den<lb/>
Stillen Ozean also fast ganz sich selbst zu überlassen. Alle andern Reiche,<lb/>
Deutschland, Frankreich, neuerdings Rußland sind nicht in der Lage, es so<lb/>
fern von ihrer Heimat mit einer Großmacht wie Japan aufzunehmen. Darauf<lb/>
gründete sich die Besorgnis, daß künftig japanische Gesandte die Mandarinen<lb/>
von Peking und die Vizekönige in den Provinzen beherrschen würden, wobei<lb/>
die europäisch-amerikanische Handelskonkurrenz zum Vorteil der japanischen<lb/>
möglichst unterdrückt würde. Dies ist aber nur für Korea und die Südspitze<lb/>
der Halbinsel Liaotong in Aussicht; das läßt sich leicht verschmerzen. An<lb/>
China darf sich Japan um so weniger heranwagen, als es durch sein Bündnis<lb/>
zu der Rücksicht auf die Engländer gezwungen ist. Diese haben weitaus<lb/>
den größten Handel mit dem chinesischen Reiche. Sie sind sehr wachsam<lb/>
und werden sich nicht hinausmanövrieren lassen. Das englisch-japanische</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1905 52</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0405] [Abbildung] Die neuen ostasiatischen Verhältnisse und der deutsche Wettbewerb er Krieg hat in Ostasien völlig veränderte Verhältnisse geschaffen, die sich auch auf die wirtschaftlichen Beziehungen Europas und Nordamerikas zu jenen Ländern weithin bemerkbar machen werden. Mancherlei liegt darin, was als sehr günstig zu be¬ zeichnen ist. Längere Zeit schien es, als ob Ostasien bei einem Siege Japans nur den Herrn tauschen werde. Nun aber ist der russische Plan, mag er sich nun bloß auf die Mandschurei erstreckt haben, oder mag im Hinter¬ grund auch die Hoffnung auf eine Vormundschaftsstelluug über China gelebt haben, völlig verhindert. In absehbarer Zeit kann er nicht wieder einen Be¬ standteil der russischen Politik bilden. Für diesen Fall hatte man vielfach in allem Ernste gefürchtet, daß China in die Klientel Japans geraten werde. Japan ist die einzige wirklich am Stillen Ozean domizilierte Großmacht, wenigstens so lange nicht der Panamakanal ein Tor in die große amerikanische Sperrmauer gebrochen und der Kriegsflotte der Vereinigten Staaten eine Gasse nach den pazifischen Gewässern gebahnt hat. Nur mit England hat Japan M rechnen. Zwar kann es seine maritimen Machtmittel nicht ernstlich mit denen Großbritanniens vergleichen, aber dieses befindet sich nicht selten in der Notwendigkeit, seine mächtige Flotte in andern Meeren zu konzentrieren, den Stillen Ozean also fast ganz sich selbst zu überlassen. Alle andern Reiche, Deutschland, Frankreich, neuerdings Rußland sind nicht in der Lage, es so fern von ihrer Heimat mit einer Großmacht wie Japan aufzunehmen. Darauf gründete sich die Besorgnis, daß künftig japanische Gesandte die Mandarinen von Peking und die Vizekönige in den Provinzen beherrschen würden, wobei die europäisch-amerikanische Handelskonkurrenz zum Vorteil der japanischen möglichst unterdrückt würde. Dies ist aber nur für Korea und die Südspitze der Halbinsel Liaotong in Aussicht; das läßt sich leicht verschmerzen. An China darf sich Japan um so weniger heranwagen, als es durch sein Bündnis zu der Rücksicht auf die Engländer gezwungen ist. Diese haben weitaus den größten Handel mit dem chinesischen Reiche. Sie sind sehr wachsam und werden sich nicht hinausmanövrieren lassen. Das englisch-japanische Grenzboten IV 1905 52

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/405
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/405>, abgerufen am 07.05.2024.