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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Die Tage von "Lhainpigny und villiers

Gunsten; dann habe ich an meinen Rechtsanwalt noch etwa siebzig Mark und
an das Gericht ungefähr ebenfalls siebzig Mark Kosten zu bezahlen. Oder
das Urteil ergeht zu meinen Ungunsten, ich werde also in die Kosten ver¬
urteilt; dann habe ich zu den gedachten Beträgen auch noch die Kosten des
gegnerischen Nechtscmwalts, also nochmals etwa hundert Mark zu bezahlen.
Und zwar werden die Gerichtskosten fällig und von mir eingezogen sofort mit
Erlaß des Urteils, und wenn ich gegen die mir ungünstige Entscheidung erster
Instanz ein Rechtsmittel einlege und obsiege, so bleibt es mir überlassen, wie
ich die von mir schon bezahlten Kosten des ersten Rechtszuges vom Gegner
zurückerlange. Bei dieser Kostspieligkeit der Rechtsverfolgung ist es schon be¬
greiflich, daß ein vorsichtiger und verstündiger Mann von zweifelhaften Pro¬
zessen ganz absieht, ja lieber sein klares Recht aufgibt, als sich auf einen
Prozeß einläßt.

In einer beneidenswerten Lage ist dagegen der Kläger, dem das Armen¬
recht gewährt ist: er erlangt durch dieses die einstweilige Befreiung von allen
Gerichtskosten, sowohl der Gebühren wie der Auslagen, und weiter das Recht,
daß ihm zur Wahrnehmung seiner Rechte im Anwaltsprozeß (zumeist aber auch
im Parteiprozeß, Paragraph 34 der Rechtsanwaltsordnung) ein Rechtsanwalt
beigeordnet werde. Zwar ist nach den Paragraphen 125 und 117 der Zivil¬
prozeßordnung die zum Armenrecht zugelaßne Partei zur Nachzahlung der
Beträge, von deren Berichtigung sie einstweilen befreit war, verpflichtet, sobald
sie ohne Beeinträchtigung ihres Unterhalts dazu imstande ist; auch hat die
Bewilligung des Armenrechts auf die Verpflichtung, die dem Gegner er¬
wachsenden Kosten zurückzuerstatten, keinen Einfluß. Aber diese Bestimmungen
stehn nur auf dem Papier. Denn der Nachweis einer eingetretnen Besserung
der Vermögensverhältnisse wird gegen die arme Partei kaum jemals geführt,
und ebenso selten werden bei ihr pfändbare Gegenstände, mag sie solche auch
besitzen, gefunden. Schluß folgt)




Die Tage von (Lhamvigny und Villiers

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W>n der Nacht vom 28. zum 29. November hatte der Gouverneur
als Beginn seines Angriffs auf die preußisch-deutschen Marne¬
stellungen einen glücklichen, weil dem Gegner ziemlich unbequemen
Zug getan. Er hatte den Mont Avron, der das Gelände von
I Gagny, Villemomble und Chelles sowie einen Teil des gegenüber¬
liegenden Marneufers, namentlich Noisy-le-Grand und Bry-s.-M. beherrscht,
durch den Vizeadmiral Saisset besetzen und mit sechsundzwanzig Belagerungs¬
geschützen, zwei Sechzehnzentimeter-Marinegeschützen, einer Batterie Zwölfpfünder,
einer Batterie großkalibriger Mitrailleusen und einer Batterie Hinterladern, soge¬
nannten Siebenpfündern, deren Geschosse einen Durchmesser von fünfundachtzig


Die Tage von «Lhainpigny und villiers

Gunsten; dann habe ich an meinen Rechtsanwalt noch etwa siebzig Mark und
an das Gericht ungefähr ebenfalls siebzig Mark Kosten zu bezahlen. Oder
das Urteil ergeht zu meinen Ungunsten, ich werde also in die Kosten ver¬
urteilt; dann habe ich zu den gedachten Beträgen auch noch die Kosten des
gegnerischen Nechtscmwalts, also nochmals etwa hundert Mark zu bezahlen.
Und zwar werden die Gerichtskosten fällig und von mir eingezogen sofort mit
Erlaß des Urteils, und wenn ich gegen die mir ungünstige Entscheidung erster
Instanz ein Rechtsmittel einlege und obsiege, so bleibt es mir überlassen, wie
ich die von mir schon bezahlten Kosten des ersten Rechtszuges vom Gegner
zurückerlange. Bei dieser Kostspieligkeit der Rechtsverfolgung ist es schon be¬
greiflich, daß ein vorsichtiger und verstündiger Mann von zweifelhaften Pro¬
zessen ganz absieht, ja lieber sein klares Recht aufgibt, als sich auf einen
Prozeß einläßt.

In einer beneidenswerten Lage ist dagegen der Kläger, dem das Armen¬
recht gewährt ist: er erlangt durch dieses die einstweilige Befreiung von allen
Gerichtskosten, sowohl der Gebühren wie der Auslagen, und weiter das Recht,
daß ihm zur Wahrnehmung seiner Rechte im Anwaltsprozeß (zumeist aber auch
im Parteiprozeß, Paragraph 34 der Rechtsanwaltsordnung) ein Rechtsanwalt
beigeordnet werde. Zwar ist nach den Paragraphen 125 und 117 der Zivil¬
prozeßordnung die zum Armenrecht zugelaßne Partei zur Nachzahlung der
Beträge, von deren Berichtigung sie einstweilen befreit war, verpflichtet, sobald
sie ohne Beeinträchtigung ihres Unterhalts dazu imstande ist; auch hat die
Bewilligung des Armenrechts auf die Verpflichtung, die dem Gegner er¬
wachsenden Kosten zurückzuerstatten, keinen Einfluß. Aber diese Bestimmungen
stehn nur auf dem Papier. Denn der Nachweis einer eingetretnen Besserung
der Vermögensverhältnisse wird gegen die arme Partei kaum jemals geführt,
und ebenso selten werden bei ihr pfändbare Gegenstände, mag sie solche auch
besitzen, gefunden. Schluß folgt)




Die Tage von (Lhamvigny und Villiers

?ZWi^)
.z^1^>
W>n der Nacht vom 28. zum 29. November hatte der Gouverneur
als Beginn seines Angriffs auf die preußisch-deutschen Marne¬
stellungen einen glücklichen, weil dem Gegner ziemlich unbequemen
Zug getan. Er hatte den Mont Avron, der das Gelände von
I Gagny, Villemomble und Chelles sowie einen Teil des gegenüber¬
liegenden Marneufers, namentlich Noisy-le-Grand und Bry-s.-M. beherrscht,
durch den Vizeadmiral Saisset besetzen und mit sechsundzwanzig Belagerungs¬
geschützen, zwei Sechzehnzentimeter-Marinegeschützen, einer Batterie Zwölfpfünder,
einer Batterie großkalibriger Mitrailleusen und einer Batterie Hinterladern, soge¬
nannten Siebenpfündern, deren Geschosse einen Durchmesser von fünfundachtzig


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/468>, abgerufen am 07.05.2024.