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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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I"> Lande des Kondors

Ein kleines Dampfschiff, Eigentum des Herrn Behrens, brachte mich nach herz¬
lichem Abschiede von meinem Gastgeber und von Valdivia später wieder flu߬
abwärts, Corral zu, Mondnacht und Sterngefunkel auf dem Meere schenkte
mir dieser Sonnentag noch.

2. (Loronel, Lota, Talccchuano, Conception

Das Land bei Coronet macht keinen besonders günstigen Eindruck. Auf¬
fallend ist mir namentlich der Mangel an Vegetation. Während Valdivia bis
heute noch auf seine Eisenbahn, die Verbindung mit dem Norden, wartet, trotz
der schon seit langem in den Karten verzeichneten Linie, ist Coronet an den
Schienenstrang nach Santiago angeschlossen. Dieser Umstand scheint, neben
ihren mittelmäßigen Kohlen, der Hnnptvorzug der unbedeutenden Stadt zu sein.
Der Hafen von Coronet, durch eine große Bucht gebildet, ist nur Ankerplatz.
Die Schiffe bleiben deshalb auch noch ziemlich weit vom Lande entfernt liegen.

In Coronet gibt es eine kleine deutsche Kolonie mit bescheidnen Klub¬
lokal; aber das Leben in der "Stadt" scheint sehr öde zu sein. Wer sich hier
nicht Geschäfte halber aufhalten muß, wird sich wohl schwerlich zu einem
dauernden Domizil an einem Ort entschließen, der tatsächlich gar nichts von
Interesse bietet. Da man mir sagt, daß das größere und industrielle, etwa
zwölftausend Einwohner zählende Lota, das ebenfalls am Meere liegt und einen
kleinen Hafen hat, nur eine Stunde Wegs von Coronet entfernt sei, mache ich
mich rasch entschlossen auf den Weg. Durch schwarzen Sand stapfe ich, den
liederlich angelegten Bahnkörper entlang, über Brücken, auf denen ich voll
Schwelle zu Schwelle springen muß, und durch Tunnels, in denen das Wasser
auf mich heruntcrtropft. Aus der Stunde werden zwei, schließlich zwei und
eine halbe, bis ich endlich nach Lota gelange. Unterwegs habe ich Gelegen¬
heit, die Dankbarkeit der chilenischen Natur für die geringste Sorgfalt, ihre
bewundernswerte Anpassung an die bescheidensten Lebensbedingungen zu be¬
obachten. Ja sogar aus scheinbar völlig sterilem Sandboden sprossen da und
dort Blumen, Labiaten und Kompositen, unter denen sich unser Wegwart
(Oiouorwin), bedentend größer als in Mitteleuropa, frech breit macht. Und
da, wo auch mir Spuren von Wasser hingelangen, dankt die Natur in
rührendster Weise durch herrliches Wachstum und verschwenderische Gaben.
So kam ich an einem kleinen Ramado vorbei, nahe am Meere und an der
Bahn. Da darin ein primitiver Laden betrieben wurde, trat ich ein, um
mir eine Kleinigkeit zu kaufen und mich zugleich näher nach dem Wege zu
erkundigen. Wie erstaunt war ich, als ich durch die offne Hintertür der Hütte
hinaus in einen Garten sah voll von herrlichem Gemüse, voll von Obstbäumen
und Blumen. Und das alles auf sandigem Boden! Ich fragte den Ladeninhaber,
einen freundlichen, alten Chilenen, dessen saloppe Kleidung gar nicht zu der
Schönheit und der Ordnung dieser Oase paßte, ob er vielleicht der Eigentümer sei.
Uo, 8<zum-, war die Antwort, se M'ain xertöneoe u, un luß'lW. Ein Engländer


I"> Lande des Kondors

Ein kleines Dampfschiff, Eigentum des Herrn Behrens, brachte mich nach herz¬
lichem Abschiede von meinem Gastgeber und von Valdivia später wieder flu߬
abwärts, Corral zu, Mondnacht und Sterngefunkel auf dem Meere schenkte
mir dieser Sonnentag noch.

2. (Loronel, Lota, Talccchuano, Conception

Das Land bei Coronet macht keinen besonders günstigen Eindruck. Auf¬
fallend ist mir namentlich der Mangel an Vegetation. Während Valdivia bis
heute noch auf seine Eisenbahn, die Verbindung mit dem Norden, wartet, trotz
der schon seit langem in den Karten verzeichneten Linie, ist Coronet an den
Schienenstrang nach Santiago angeschlossen. Dieser Umstand scheint, neben
ihren mittelmäßigen Kohlen, der Hnnptvorzug der unbedeutenden Stadt zu sein.
Der Hafen von Coronet, durch eine große Bucht gebildet, ist nur Ankerplatz.
Die Schiffe bleiben deshalb auch noch ziemlich weit vom Lande entfernt liegen.

In Coronet gibt es eine kleine deutsche Kolonie mit bescheidnen Klub¬
lokal; aber das Leben in der „Stadt" scheint sehr öde zu sein. Wer sich hier
nicht Geschäfte halber aufhalten muß, wird sich wohl schwerlich zu einem
dauernden Domizil an einem Ort entschließen, der tatsächlich gar nichts von
Interesse bietet. Da man mir sagt, daß das größere und industrielle, etwa
zwölftausend Einwohner zählende Lota, das ebenfalls am Meere liegt und einen
kleinen Hafen hat, nur eine Stunde Wegs von Coronet entfernt sei, mache ich
mich rasch entschlossen auf den Weg. Durch schwarzen Sand stapfe ich, den
liederlich angelegten Bahnkörper entlang, über Brücken, auf denen ich voll
Schwelle zu Schwelle springen muß, und durch Tunnels, in denen das Wasser
auf mich heruntcrtropft. Aus der Stunde werden zwei, schließlich zwei und
eine halbe, bis ich endlich nach Lota gelange. Unterwegs habe ich Gelegen¬
heit, die Dankbarkeit der chilenischen Natur für die geringste Sorgfalt, ihre
bewundernswerte Anpassung an die bescheidensten Lebensbedingungen zu be¬
obachten. Ja sogar aus scheinbar völlig sterilem Sandboden sprossen da und
dort Blumen, Labiaten und Kompositen, unter denen sich unser Wegwart
(Oiouorwin), bedentend größer als in Mitteleuropa, frech breit macht. Und
da, wo auch mir Spuren von Wasser hingelangen, dankt die Natur in
rührendster Weise durch herrliches Wachstum und verschwenderische Gaben.
So kam ich an einem kleinen Ramado vorbei, nahe am Meere und an der
Bahn. Da darin ein primitiver Laden betrieben wurde, trat ich ein, um
mir eine Kleinigkeit zu kaufen und mich zugleich näher nach dem Wege zu
erkundigen. Wie erstaunt war ich, als ich durch die offne Hintertür der Hütte
hinaus in einen Garten sah voll von herrlichem Gemüse, voll von Obstbäumen
und Blumen. Und das alles auf sandigem Boden! Ich fragte den Ladeninhaber,
einen freundlichen, alten Chilenen, dessen saloppe Kleidung gar nicht zu der
Schönheit und der Ordnung dieser Oase paßte, ob er vielleicht der Eigentümer sei.
Uo, 8<zum-, war die Antwort, se M'ain xertöneoe u, un luß'lW. Ein Engländer


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[0490] I"> Lande des Kondors Ein kleines Dampfschiff, Eigentum des Herrn Behrens, brachte mich nach herz¬ lichem Abschiede von meinem Gastgeber und von Valdivia später wieder flu߬ abwärts, Corral zu, Mondnacht und Sterngefunkel auf dem Meere schenkte mir dieser Sonnentag noch. 2. (Loronel, Lota, Talccchuano, Conception Das Land bei Coronet macht keinen besonders günstigen Eindruck. Auf¬ fallend ist mir namentlich der Mangel an Vegetation. Während Valdivia bis heute noch auf seine Eisenbahn, die Verbindung mit dem Norden, wartet, trotz der schon seit langem in den Karten verzeichneten Linie, ist Coronet an den Schienenstrang nach Santiago angeschlossen. Dieser Umstand scheint, neben ihren mittelmäßigen Kohlen, der Hnnptvorzug der unbedeutenden Stadt zu sein. Der Hafen von Coronet, durch eine große Bucht gebildet, ist nur Ankerplatz. Die Schiffe bleiben deshalb auch noch ziemlich weit vom Lande entfernt liegen. In Coronet gibt es eine kleine deutsche Kolonie mit bescheidnen Klub¬ lokal; aber das Leben in der „Stadt" scheint sehr öde zu sein. Wer sich hier nicht Geschäfte halber aufhalten muß, wird sich wohl schwerlich zu einem dauernden Domizil an einem Ort entschließen, der tatsächlich gar nichts von Interesse bietet. Da man mir sagt, daß das größere und industrielle, etwa zwölftausend Einwohner zählende Lota, das ebenfalls am Meere liegt und einen kleinen Hafen hat, nur eine Stunde Wegs von Coronet entfernt sei, mache ich mich rasch entschlossen auf den Weg. Durch schwarzen Sand stapfe ich, den liederlich angelegten Bahnkörper entlang, über Brücken, auf denen ich voll Schwelle zu Schwelle springen muß, und durch Tunnels, in denen das Wasser auf mich heruntcrtropft. Aus der Stunde werden zwei, schließlich zwei und eine halbe, bis ich endlich nach Lota gelange. Unterwegs habe ich Gelegen¬ heit, die Dankbarkeit der chilenischen Natur für die geringste Sorgfalt, ihre bewundernswerte Anpassung an die bescheidensten Lebensbedingungen zu be¬ obachten. Ja sogar aus scheinbar völlig sterilem Sandboden sprossen da und dort Blumen, Labiaten und Kompositen, unter denen sich unser Wegwart (Oiouorwin), bedentend größer als in Mitteleuropa, frech breit macht. Und da, wo auch mir Spuren von Wasser hingelangen, dankt die Natur in rührendster Weise durch herrliches Wachstum und verschwenderische Gaben. So kam ich an einem kleinen Ramado vorbei, nahe am Meere und an der Bahn. Da darin ein primitiver Laden betrieben wurde, trat ich ein, um mir eine Kleinigkeit zu kaufen und mich zugleich näher nach dem Wege zu erkundigen. Wie erstaunt war ich, als ich durch die offne Hintertür der Hütte hinaus in einen Garten sah voll von herrlichem Gemüse, voll von Obstbäumen und Blumen. Und das alles auf sandigem Boden! Ich fragte den Ladeninhaber, einen freundlichen, alten Chilenen, dessen saloppe Kleidung gar nicht zu der Schönheit und der Ordnung dieser Oase paßte, ob er vielleicht der Eigentümer sei. Uo, 8<zum-, war die Antwort, se M'ain xertöneoe u, un luß'lW. Ein Engländer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/490>, abgerufen am 07.05.2024.