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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Der Eintritt des Großherzogtums Baden in den Norddeutschen Bund

2. Unterredung Freydorfs mit dein französischen Geschäftsträger in Karlsruhe
über die Luxemburger Frage (30. April 1867)

Am 30. April 1867 hatte der kaiserlich französische interimistische Geschäfts¬
träger Baron von Montgascon eine Unterredung mit Herrn von Freydorf über
die Luxemburger Frage.

Die wiederholte Erkundigung nach einer bevorstehenden Verstärkung der
Besatzung von Rastatt durch königlich preußische Truppen beantwortete Frey¬
dorf wiederholt dahin, daß in einer solchen Verstärkung, wenn sie je eintrete,
nichts für Frankreich alarmierendes liegen könne, da bis zum Juni v. I. un¬
angefochten preußische, außer ihnen sogar österreichische Truppen in Rastatt
gestanden Hütten, daß der badischen Regierung das Recht noch nicht bestritten
worden sei, mit Preußen und andern deutschen Staaten mindestens in dieselben
nahen Beziehungen zu treten, wie sie vor dem vorjährigen Kriege und dem
Frieden von Prag bestanden Hütten, daß sich die badische Regierung für be¬
rechtigt halte, sich mit der königlich preußischen Regierung über die Besetzung
von Rastatt zu vertragen, daß aber faktisch zurzeit weder königlich preußische
Truppen in Rastatt stünden noch eine Mitbesetzung in Aussicht sei.

Darauf bat Herr von Montgascon den Präsidenten von Freydorf, dem
Großherzog den Dank seiner Regierung auszusprechen, daß Höchstihre Ne¬
gierung sich, wie genaue Informationen ergeben hätten, nicht an der Mission
des königlich bayrischen Legationsrath Grafen Tanffkirchen nach Berlin und
Wien beteiligt habe. Herr von Montgascon erläuterte, daß diese Mission ein
gegen Frankreich sehr feindseliger Schritt gewesen sei, nichts geringeres als
eine Koalition Preußens und Norddeutschlands mit Österreich und den süd¬
deutschen Staaten gegen Frankreich bezweckt habe.

Frehdorf entgegnete, daß der Dank unverdient sei, indem die Mission des
Grafen Tanffkirchen der badischen Regierung ein Geheimnis gewesen, und sie
auch heute noch darüber nicht genau unterrichtet sei. Übrigens dürfe er nach
allem, was er von der Mission gehört habe, voraussetzen, daß sie keinen gegen
Frankreich feindseligen Charakter gehabt habe. Graf Tanffkirchen scheine sich
in Berlin über die Frage der in dem Prager Frieden und in der Bundes¬
verfassung vorbehaltnen nationalen Verbindung der süddeutschen Staaten mit
dem Norddeutschen Bunde und in Wien über die Möglichkeit der Wieder¬
herstellung eines engern Verhältnisses Österreichs zu Nord- und Süddeutschland
orientiert zu haben. Freydorf wisse, daß von dergleichen die Rede gewesen
sei, bevor man an die Möglichkeit eines Konflikts mit Frankreich gedacht habe.

Herr von Montgascon kam schließlich auf die rechtliche Seite der Luxem¬
burger Frage zu sprechen und wünschte Auskunft darüber, welche Haltung die
badische Regierung in dem Falle beobachten würde, daß sich Preußen dem
Urteile der Großmächte über sein Besatzungsrecht der Festung Luxemburg nicht
fügen, und daß diese Angelegenheit zu einem Kriege zwischen Frankreich und
Preußen führen würde; ob sich insbesondre die badische Regierung verpflichtet
halte, in solchem Falle auf Seite Preußens zu stehn. Herr von Montgascon
verwahrte sich dagegen, zur Beobachtung einer Neutralität oder zu irgendeiner


Der Eintritt des Großherzogtums Baden in den Norddeutschen Bund

2. Unterredung Freydorfs mit dein französischen Geschäftsträger in Karlsruhe
über die Luxemburger Frage (30. April 1867)

Am 30. April 1867 hatte der kaiserlich französische interimistische Geschäfts¬
träger Baron von Montgascon eine Unterredung mit Herrn von Freydorf über
die Luxemburger Frage.

Die wiederholte Erkundigung nach einer bevorstehenden Verstärkung der
Besatzung von Rastatt durch königlich preußische Truppen beantwortete Frey¬
dorf wiederholt dahin, daß in einer solchen Verstärkung, wenn sie je eintrete,
nichts für Frankreich alarmierendes liegen könne, da bis zum Juni v. I. un¬
angefochten preußische, außer ihnen sogar österreichische Truppen in Rastatt
gestanden Hütten, daß der badischen Regierung das Recht noch nicht bestritten
worden sei, mit Preußen und andern deutschen Staaten mindestens in dieselben
nahen Beziehungen zu treten, wie sie vor dem vorjährigen Kriege und dem
Frieden von Prag bestanden Hütten, daß sich die badische Regierung für be¬
rechtigt halte, sich mit der königlich preußischen Regierung über die Besetzung
von Rastatt zu vertragen, daß aber faktisch zurzeit weder königlich preußische
Truppen in Rastatt stünden noch eine Mitbesetzung in Aussicht sei.

Darauf bat Herr von Montgascon den Präsidenten von Freydorf, dem
Großherzog den Dank seiner Regierung auszusprechen, daß Höchstihre Ne¬
gierung sich, wie genaue Informationen ergeben hätten, nicht an der Mission
des königlich bayrischen Legationsrath Grafen Tanffkirchen nach Berlin und
Wien beteiligt habe. Herr von Montgascon erläuterte, daß diese Mission ein
gegen Frankreich sehr feindseliger Schritt gewesen sei, nichts geringeres als
eine Koalition Preußens und Norddeutschlands mit Österreich und den süd¬
deutschen Staaten gegen Frankreich bezweckt habe.

Frehdorf entgegnete, daß der Dank unverdient sei, indem die Mission des
Grafen Tanffkirchen der badischen Regierung ein Geheimnis gewesen, und sie
auch heute noch darüber nicht genau unterrichtet sei. Übrigens dürfe er nach
allem, was er von der Mission gehört habe, voraussetzen, daß sie keinen gegen
Frankreich feindseligen Charakter gehabt habe. Graf Tanffkirchen scheine sich
in Berlin über die Frage der in dem Prager Frieden und in der Bundes¬
verfassung vorbehaltnen nationalen Verbindung der süddeutschen Staaten mit
dem Norddeutschen Bunde und in Wien über die Möglichkeit der Wieder¬
herstellung eines engern Verhältnisses Österreichs zu Nord- und Süddeutschland
orientiert zu haben. Freydorf wisse, daß von dergleichen die Rede gewesen
sei, bevor man an die Möglichkeit eines Konflikts mit Frankreich gedacht habe.

Herr von Montgascon kam schließlich auf die rechtliche Seite der Luxem¬
burger Frage zu sprechen und wünschte Auskunft darüber, welche Haltung die
badische Regierung in dem Falle beobachten würde, daß sich Preußen dem
Urteile der Großmächte über sein Besatzungsrecht der Festung Luxemburg nicht
fügen, und daß diese Angelegenheit zu einem Kriege zwischen Frankreich und
Preußen führen würde; ob sich insbesondre die badische Regierung verpflichtet
halte, in solchem Falle auf Seite Preußens zu stehn. Herr von Montgascon
verwahrte sich dagegen, zur Beobachtung einer Neutralität oder zu irgendeiner


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[0071] Der Eintritt des Großherzogtums Baden in den Norddeutschen Bund 2. Unterredung Freydorfs mit dein französischen Geschäftsträger in Karlsruhe über die Luxemburger Frage (30. April 1867) Am 30. April 1867 hatte der kaiserlich französische interimistische Geschäfts¬ träger Baron von Montgascon eine Unterredung mit Herrn von Freydorf über die Luxemburger Frage. Die wiederholte Erkundigung nach einer bevorstehenden Verstärkung der Besatzung von Rastatt durch königlich preußische Truppen beantwortete Frey¬ dorf wiederholt dahin, daß in einer solchen Verstärkung, wenn sie je eintrete, nichts für Frankreich alarmierendes liegen könne, da bis zum Juni v. I. un¬ angefochten preußische, außer ihnen sogar österreichische Truppen in Rastatt gestanden Hütten, daß der badischen Regierung das Recht noch nicht bestritten worden sei, mit Preußen und andern deutschen Staaten mindestens in dieselben nahen Beziehungen zu treten, wie sie vor dem vorjährigen Kriege und dem Frieden von Prag bestanden Hütten, daß sich die badische Regierung für be¬ rechtigt halte, sich mit der königlich preußischen Regierung über die Besetzung von Rastatt zu vertragen, daß aber faktisch zurzeit weder königlich preußische Truppen in Rastatt stünden noch eine Mitbesetzung in Aussicht sei. Darauf bat Herr von Montgascon den Präsidenten von Freydorf, dem Großherzog den Dank seiner Regierung auszusprechen, daß Höchstihre Ne¬ gierung sich, wie genaue Informationen ergeben hätten, nicht an der Mission des königlich bayrischen Legationsrath Grafen Tanffkirchen nach Berlin und Wien beteiligt habe. Herr von Montgascon erläuterte, daß diese Mission ein gegen Frankreich sehr feindseliger Schritt gewesen sei, nichts geringeres als eine Koalition Preußens und Norddeutschlands mit Österreich und den süd¬ deutschen Staaten gegen Frankreich bezweckt habe. Frehdorf entgegnete, daß der Dank unverdient sei, indem die Mission des Grafen Tanffkirchen der badischen Regierung ein Geheimnis gewesen, und sie auch heute noch darüber nicht genau unterrichtet sei. Übrigens dürfe er nach allem, was er von der Mission gehört habe, voraussetzen, daß sie keinen gegen Frankreich feindseligen Charakter gehabt habe. Graf Tanffkirchen scheine sich in Berlin über die Frage der in dem Prager Frieden und in der Bundes¬ verfassung vorbehaltnen nationalen Verbindung der süddeutschen Staaten mit dem Norddeutschen Bunde und in Wien über die Möglichkeit der Wieder¬ herstellung eines engern Verhältnisses Österreichs zu Nord- und Süddeutschland orientiert zu haben. Freydorf wisse, daß von dergleichen die Rede gewesen sei, bevor man an die Möglichkeit eines Konflikts mit Frankreich gedacht habe. Herr von Montgascon kam schließlich auf die rechtliche Seite der Luxem¬ burger Frage zu sprechen und wünschte Auskunft darüber, welche Haltung die badische Regierung in dem Falle beobachten würde, daß sich Preußen dem Urteile der Großmächte über sein Besatzungsrecht der Festung Luxemburg nicht fügen, und daß diese Angelegenheit zu einem Kriege zwischen Frankreich und Preußen führen würde; ob sich insbesondre die badische Regierung verpflichtet halte, in solchem Falle auf Seite Preußens zu stehn. Herr von Montgascon verwahrte sich dagegen, zur Beobachtung einer Neutralität oder zu irgendeiner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/71>, abgerufen am 07.05.2024.