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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Rußlands neuster Vahnbau in Zentralasien

el den fast einstimmig über das Zarenreich hereinbrechenden un¬
günstigen Urteilen freut es uns, heute auf eine Wirksamkeit hin¬
weisen zu können, die ihm zur höchsten Ehre gereicht, und deren
vielleicht weit länger gedacht werden wird als des jetzigen un¬
glückseligen Kriegs in Ostasien. Wir denken an seine Mission
als Kulturträger und Schöpfer der großen Verkehrsanstalten, durch die das
innere Asien überhaupt erst zur Teilnahme an dem wirtschaftlichen Leben, an
den großen Errungenschaften unsrer Zeit gelangt. Jnnerasiens Zukunft ist
Rußlands Ruhm. Allerdings kann es die trocknen Sand- und Salzsteppen
zwischen dem Kaspischen Meer und China nicht in fruchtbares Land ver¬
wandeln, dem Hochplateau zwischen Himalaja und Sibirien kein mildes Klima
geben. Aber was man billigerweise von Menschenkraft erwarten kann, das
hat das russische Reich schon geleistet. Kein andres Land der Welt hat ge¬
wagt, Eisenbahnen von solcher Länge durch unbewohnte, teils unbewohnbare
Gegenden vorzuschieben wie Nußland. Die transkaukasische Eisenbahn wollen
wir gar nicht einmal rechnen, weil sie sich durch die Petroleumausfuhr wirt¬
schaftlich bezahlt macht. Eigentliche Kulturwerke ersten Ranges sind:

1. die transkaspische Eisenbahn . . , 2669 Kilometer
2. die südsibirische Eisenbahn .... S012
3. die mandschurische Eisenbahn . , , 2049
4. die Bahn Orenburg-Taschkend . , . 1848 "
5. die Bahn Eriman-Djulfa .... 170 "
zusammen 11748 Kilometer

Da Deutschlands gesamtes Eisenbahnnetz etwa 55000 Kilometer Länge
hat, das des europäischen Rußlands etwas weniger, so wird man ermessen,
was die genannten Zahlen für Russisch-Asien bedeuten. Alle deutschen Bahnen
sind auf den Verkehr gegründet. Dieser reicht in Russisch-Asien nicht entfernt
aus, solche Werke zu schaffen. Ihr Urheber ist einesteils die strategische Rück¬
sicht, andernteils der allgemeine Staatsgedanke, der nach Betätigung sucht.
Das strategische Motiv steht besonders neben dem der Kulturmission, darum
nicht weniger bringt es den Landschaften, die nunmehr von den eisernen Rillen


Grenzboten IV 190S 1


Rußlands neuster Vahnbau in Zentralasien

el den fast einstimmig über das Zarenreich hereinbrechenden un¬
günstigen Urteilen freut es uns, heute auf eine Wirksamkeit hin¬
weisen zu können, die ihm zur höchsten Ehre gereicht, und deren
vielleicht weit länger gedacht werden wird als des jetzigen un¬
glückseligen Kriegs in Ostasien. Wir denken an seine Mission
als Kulturträger und Schöpfer der großen Verkehrsanstalten, durch die das
innere Asien überhaupt erst zur Teilnahme an dem wirtschaftlichen Leben, an
den großen Errungenschaften unsrer Zeit gelangt. Jnnerasiens Zukunft ist
Rußlands Ruhm. Allerdings kann es die trocknen Sand- und Salzsteppen
zwischen dem Kaspischen Meer und China nicht in fruchtbares Land ver¬
wandeln, dem Hochplateau zwischen Himalaja und Sibirien kein mildes Klima
geben. Aber was man billigerweise von Menschenkraft erwarten kann, das
hat das russische Reich schon geleistet. Kein andres Land der Welt hat ge¬
wagt, Eisenbahnen von solcher Länge durch unbewohnte, teils unbewohnbare
Gegenden vorzuschieben wie Nußland. Die transkaukasische Eisenbahn wollen
wir gar nicht einmal rechnen, weil sie sich durch die Petroleumausfuhr wirt¬
schaftlich bezahlt macht. Eigentliche Kulturwerke ersten Ranges sind:

1. die transkaspische Eisenbahn . . , 2669 Kilometer
2. die südsibirische Eisenbahn .... S012
3. die mandschurische Eisenbahn . , , 2049
4. die Bahn Orenburg-Taschkend . , . 1848 „
5. die Bahn Eriman-Djulfa .... 170 „
zusammen 11748 Kilometer

Da Deutschlands gesamtes Eisenbahnnetz etwa 55000 Kilometer Länge
hat, das des europäischen Rußlands etwas weniger, so wird man ermessen,
was die genannten Zahlen für Russisch-Asien bedeuten. Alle deutschen Bahnen
sind auf den Verkehr gegründet. Dieser reicht in Russisch-Asien nicht entfernt
aus, solche Werke zu schaffen. Ihr Urheber ist einesteils die strategische Rück¬
sicht, andernteils der allgemeine Staatsgedanke, der nach Betätigung sucht.
Das strategische Motiv steht besonders neben dem der Kulturmission, darum
nicht weniger bringt es den Landschaften, die nunmehr von den eisernen Rillen


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[0009] [Abbildung] Rußlands neuster Vahnbau in Zentralasien el den fast einstimmig über das Zarenreich hereinbrechenden un¬ günstigen Urteilen freut es uns, heute auf eine Wirksamkeit hin¬ weisen zu können, die ihm zur höchsten Ehre gereicht, und deren vielleicht weit länger gedacht werden wird als des jetzigen un¬ glückseligen Kriegs in Ostasien. Wir denken an seine Mission als Kulturträger und Schöpfer der großen Verkehrsanstalten, durch die das innere Asien überhaupt erst zur Teilnahme an dem wirtschaftlichen Leben, an den großen Errungenschaften unsrer Zeit gelangt. Jnnerasiens Zukunft ist Rußlands Ruhm. Allerdings kann es die trocknen Sand- und Salzsteppen zwischen dem Kaspischen Meer und China nicht in fruchtbares Land ver¬ wandeln, dem Hochplateau zwischen Himalaja und Sibirien kein mildes Klima geben. Aber was man billigerweise von Menschenkraft erwarten kann, das hat das russische Reich schon geleistet. Kein andres Land der Welt hat ge¬ wagt, Eisenbahnen von solcher Länge durch unbewohnte, teils unbewohnbare Gegenden vorzuschieben wie Nußland. Die transkaukasische Eisenbahn wollen wir gar nicht einmal rechnen, weil sie sich durch die Petroleumausfuhr wirt¬ schaftlich bezahlt macht. Eigentliche Kulturwerke ersten Ranges sind: 1. die transkaspische Eisenbahn . . , 2669 Kilometer 2. die südsibirische Eisenbahn .... S012 3. die mandschurische Eisenbahn . , , 2049 4. die Bahn Orenburg-Taschkend . , . 1848 „ 5. die Bahn Eriman-Djulfa .... 170 „ zusammen 11748 Kilometer Da Deutschlands gesamtes Eisenbahnnetz etwa 55000 Kilometer Länge hat, das des europäischen Rußlands etwas weniger, so wird man ermessen, was die genannten Zahlen für Russisch-Asien bedeuten. Alle deutschen Bahnen sind auf den Verkehr gegründet. Dieser reicht in Russisch-Asien nicht entfernt aus, solche Werke zu schaffen. Ihr Urheber ist einesteils die strategische Rück¬ sicht, andernteils der allgemeine Staatsgedanke, der nach Betätigung sucht. Das strategische Motiv steht besonders neben dem der Kulturmission, darum nicht weniger bringt es den Landschaften, die nunmehr von den eisernen Rillen Grenzboten IV 190S 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/9>, abgerufen am 08.05.2024.