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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Überflüssiges Schreibwerk

Dem auf der Höhe seines Berufs stehenden Universitätslehrer soll die Möglich¬
keit gesichert werden, in zwanglosem Verkehr mit der studierenden Jugend seinen
nicht hoch genug zu schätzenden erziehenden Einfluß auszuüben.

Indem der Staat den Universitäten diese Rechte überläßt, sieht er seine
Aufgaben wesentlich vereinfacht. Insbesondre kann er sich selber ein Einschreiten
gegen alle Fälle von Jndisziplin und von Störungen der Ordnung in den
Räumen der Universität ersparen, denn eine mit ausreichender Machtbefugnis
versehene kollegiale Selbstverwaltungsbehörde, deren Mitglieder sich in unab¬
hängiger, geachteter Stellung großer Autorität bei den Studenten erfreuen,
erscheint durchaus geeignet, die Ordnung aufrecht zu erhalten und entstehende
Aufregungen zu dämpfen. Etwa zutage tretende Unbotmüßigkeiten verlieren den
ihnen in den Augen der Studentenschaft anhaftenden und sogar von der Gesell-
schaft zugebilligten Charakter politischer Demonstration; sie erscheinen vielmehr
als Verfehlungen gegen die Satzungen der Universität, die mit geeigneten Ma߬
regeln nud Strafen zu antworten in der Lage ist. Von der Gesamtheit der
Professoren kann, wenn sie sich des Vertrauens der Regierung erfreut, wohl
erwartet werden, daß sie die nötige Kraft haben, und daß sie mit ihrer Autorität
für Gesetz und Ordnung eintreten wird. Die Gesellschaft wird diese in Um¬
rissen skizierte Reform des russischen Universitätslebens wahrscheinlich freudig
b H. Toepfer egrüßen. _




überflüssiges Schreibwerk

^er Abgeordnete Gamp hat kürzlich bei der Beratung des Etats
des Ministeriums des Innern im preußischen Abgeordnetenhause
Klage über die ständige Zunahme des Schreibwerks geführt.
Ähnliche Beschwerden, wie diese von Gamp im Interesse der
^ Amtsvorsteher erhobnen, sind beim Etat des Kultusministeriums
mit Rücksicht auf die Kreis- und Lokalschulinspektoren und beim Etat des
Justizministeriums im Hinblick auf die Grundbuchrichter laut geworden. Diese
Erörterungen gehören gewissermaßen zu dem eisernen Inventar des preußischen
Landtags. Mindestens aller paar Jahre werden Anregungen von den Ab¬
geordneten zur Entlastung dieser oder jener Beamtenkategorie gegeben. Mit
vielem Humor pflegte der langjährige Präsident des Abgeordnetenhauses Herr
von Köller von der Rednertribüne und im engern Kreise seiner Bekannten auf
die Schreibwut unsers Zeitalters hinzuweisen. Man kann nicht sagen, daß
sich die Zentralinstanz diesen vielfachen Anregungen gegenüber nur mit Ver¬
sprechungen begnügt hätte. Durch gemeinschaftlichen Erlaß vom 30. Mai 1896
haben die Minister des Innern und der Finanzen die sogenannten Kurialien
abgeschafft und wertvolle Anweisungen gegeben, wie für die Behörden nament¬
lich in der Lokalinstanz Erleichterungen im Geschäftsverkehr eingeführt werden
könnten. Einzelne Regierungspräsidenten haben im Sinne dieses Erlasses
manche weitere Verbesserungen veranlaßt. Und trotz allem diese Wiederkehr
der Klagen!


Überflüssiges Schreibwerk

Dem auf der Höhe seines Berufs stehenden Universitätslehrer soll die Möglich¬
keit gesichert werden, in zwanglosem Verkehr mit der studierenden Jugend seinen
nicht hoch genug zu schätzenden erziehenden Einfluß auszuüben.

Indem der Staat den Universitäten diese Rechte überläßt, sieht er seine
Aufgaben wesentlich vereinfacht. Insbesondre kann er sich selber ein Einschreiten
gegen alle Fälle von Jndisziplin und von Störungen der Ordnung in den
Räumen der Universität ersparen, denn eine mit ausreichender Machtbefugnis
versehene kollegiale Selbstverwaltungsbehörde, deren Mitglieder sich in unab¬
hängiger, geachteter Stellung großer Autorität bei den Studenten erfreuen,
erscheint durchaus geeignet, die Ordnung aufrecht zu erhalten und entstehende
Aufregungen zu dämpfen. Etwa zutage tretende Unbotmüßigkeiten verlieren den
ihnen in den Augen der Studentenschaft anhaftenden und sogar von der Gesell-
schaft zugebilligten Charakter politischer Demonstration; sie erscheinen vielmehr
als Verfehlungen gegen die Satzungen der Universität, die mit geeigneten Ma߬
regeln nud Strafen zu antworten in der Lage ist. Von der Gesamtheit der
Professoren kann, wenn sie sich des Vertrauens der Regierung erfreut, wohl
erwartet werden, daß sie die nötige Kraft haben, und daß sie mit ihrer Autorität
für Gesetz und Ordnung eintreten wird. Die Gesellschaft wird diese in Um¬
rissen skizierte Reform des russischen Universitätslebens wahrscheinlich freudig
b H. Toepfer egrüßen. _




überflüssiges Schreibwerk

^er Abgeordnete Gamp hat kürzlich bei der Beratung des Etats
des Ministeriums des Innern im preußischen Abgeordnetenhause
Klage über die ständige Zunahme des Schreibwerks geführt.
Ähnliche Beschwerden, wie diese von Gamp im Interesse der
^ Amtsvorsteher erhobnen, sind beim Etat des Kultusministeriums
mit Rücksicht auf die Kreis- und Lokalschulinspektoren und beim Etat des
Justizministeriums im Hinblick auf die Grundbuchrichter laut geworden. Diese
Erörterungen gehören gewissermaßen zu dem eisernen Inventar des preußischen
Landtags. Mindestens aller paar Jahre werden Anregungen von den Ab¬
geordneten zur Entlastung dieser oder jener Beamtenkategorie gegeben. Mit
vielem Humor pflegte der langjährige Präsident des Abgeordnetenhauses Herr
von Köller von der Rednertribüne und im engern Kreise seiner Bekannten auf
die Schreibwut unsers Zeitalters hinzuweisen. Man kann nicht sagen, daß
sich die Zentralinstanz diesen vielfachen Anregungen gegenüber nur mit Ver¬
sprechungen begnügt hätte. Durch gemeinschaftlichen Erlaß vom 30. Mai 1896
haben die Minister des Innern und der Finanzen die sogenannten Kurialien
abgeschafft und wertvolle Anweisungen gegeben, wie für die Behörden nament¬
lich in der Lokalinstanz Erleichterungen im Geschäftsverkehr eingeführt werden
könnten. Einzelne Regierungspräsidenten haben im Sinne dieses Erlasses
manche weitere Verbesserungen veranlaßt. Und trotz allem diese Wiederkehr
der Klagen!


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[0264] Überflüssiges Schreibwerk Dem auf der Höhe seines Berufs stehenden Universitätslehrer soll die Möglich¬ keit gesichert werden, in zwanglosem Verkehr mit der studierenden Jugend seinen nicht hoch genug zu schätzenden erziehenden Einfluß auszuüben. Indem der Staat den Universitäten diese Rechte überläßt, sieht er seine Aufgaben wesentlich vereinfacht. Insbesondre kann er sich selber ein Einschreiten gegen alle Fälle von Jndisziplin und von Störungen der Ordnung in den Räumen der Universität ersparen, denn eine mit ausreichender Machtbefugnis versehene kollegiale Selbstverwaltungsbehörde, deren Mitglieder sich in unab¬ hängiger, geachteter Stellung großer Autorität bei den Studenten erfreuen, erscheint durchaus geeignet, die Ordnung aufrecht zu erhalten und entstehende Aufregungen zu dämpfen. Etwa zutage tretende Unbotmüßigkeiten verlieren den ihnen in den Augen der Studentenschaft anhaftenden und sogar von der Gesell- schaft zugebilligten Charakter politischer Demonstration; sie erscheinen vielmehr als Verfehlungen gegen die Satzungen der Universität, die mit geeigneten Ma߬ regeln nud Strafen zu antworten in der Lage ist. Von der Gesamtheit der Professoren kann, wenn sie sich des Vertrauens der Regierung erfreut, wohl erwartet werden, daß sie die nötige Kraft haben, und daß sie mit ihrer Autorität für Gesetz und Ordnung eintreten wird. Die Gesellschaft wird diese in Um¬ rissen skizierte Reform des russischen Universitätslebens wahrscheinlich freudig b H. Toepfer egrüßen. _ überflüssiges Schreibwerk ^er Abgeordnete Gamp hat kürzlich bei der Beratung des Etats des Ministeriums des Innern im preußischen Abgeordnetenhause Klage über die ständige Zunahme des Schreibwerks geführt. Ähnliche Beschwerden, wie diese von Gamp im Interesse der ^ Amtsvorsteher erhobnen, sind beim Etat des Kultusministeriums mit Rücksicht auf die Kreis- und Lokalschulinspektoren und beim Etat des Justizministeriums im Hinblick auf die Grundbuchrichter laut geworden. Diese Erörterungen gehören gewissermaßen zu dem eisernen Inventar des preußischen Landtags. Mindestens aller paar Jahre werden Anregungen von den Ab¬ geordneten zur Entlastung dieser oder jener Beamtenkategorie gegeben. Mit vielem Humor pflegte der langjährige Präsident des Abgeordnetenhauses Herr von Köller von der Rednertribüne und im engern Kreise seiner Bekannten auf die Schreibwut unsers Zeitalters hinzuweisen. Man kann nicht sagen, daß sich die Zentralinstanz diesen vielfachen Anregungen gegenüber nur mit Ver¬ sprechungen begnügt hätte. Durch gemeinschaftlichen Erlaß vom 30. Mai 1896 haben die Minister des Innern und der Finanzen die sogenannten Kurialien abgeschafft und wertvolle Anweisungen gegeben, wie für die Behörden nament¬ lich in der Lokalinstanz Erleichterungen im Geschäftsverkehr eingeführt werden könnten. Einzelne Regierungspräsidenten haben im Sinne dieses Erlasses manche weitere Verbesserungen veranlaßt. Und trotz allem diese Wiederkehr der Klagen!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/264>, abgerufen am 08.05.2024.