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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel.

Der Kaiser hat während seines Aufenthalts in Süddentsch-
lnnd seine hohe Befriedigung über den Verlauf der italienischen Reise wiederholt
auf das bestimmteste geäußert und besonders mit warmem Danke der außerordent¬
lich lebhaften Sympathiebezeugungen gedacht, die die Bevölkerung ihm allerorten,
wohin er den Fuß gesetzt hatte, dargebracht hat. Nicht minder aber der wunder¬
baren Reize der Landschaft, zumal des ihm bisher unbekannt gewesnen Apuliens.
Der daran geknüpfte Wunsch des Kaisers, die deutschen Jtalienfahrer sollten sich
mehr Apulien zuwenden, das in Deutschland viel zu wenig bekannt und gewürdigt
sei, obwohl neben den hohen landschaftlichen Schönheiten die Erinnerungen aus der
Zeit der Staufer reichen Anreiz böten -- wird zweifellos nicht auf unfruchtbaren
Boden gefallen sein. Der Abschiedsgruß des .Kaisers ans Venedig an König Viktor
Emanuel spiegelt die tiefen Eindrücke wider, die der Kaiser und die kaiserliche
Familie von ihrem diesmaligen Besuche Italiens mit in die deutsche Heimat ge¬
nommen haben. Es dürfte nicht oft vorkommen, daß ein fremder Souverän in dem
Lande eines ihm befreundeten mächtigen Herrschers wochenlang von Ort zu Ort
reist und überall neben einem freudigen offiziellen Empfang den enthusiastischen Be¬
grüßungen der Bevölkerungen begegnet. Aber die wunderbaren landschaftlichen
Schönheiten Italiens erlauben ebenso wie die Norwegens den mehrwöchigen
Aufenthalt auch eines gekrönten Touristen, ohne daß irgendein politischer Hinter¬
grund damit verbunden wäre. Gefehlt hat freilich diesesmnl auch ein solcher nicht;
das hat die Neapler Begegnung mit den dort gewechselten Trinksprüchen deutlich
genug gezeigt, und die Schlußworte des kaiserlichen Abschiedsgrußes haben noch
einmal deutlich daran erinnert. -- Die internationale Lage war in dem Augenblick
der Heimkehr des Kaisers nicht freundlich. Weniger durch die marokkanische An¬
gelegenheit, die durch den Beitritt Italiens und andrer Mächte zu dem Stand¬
punkt, den Deutschland einnimmt, sogar eher ein erfreulicheres Aussehen für uns
erhalten hätte, wenn sich nicht zu dem Umstände, daß alle Differenzen Deutschlands
mit Frankreich über Nacht eine ernste Wendung nehmen können, die auffällige Ge¬
hässigkeit eines Teils der englischen Presse immer unvcrhohlner gesellt hätte. Man
fragt vergebens, welches Interesse England daran hat, die vorhandnen Funken zur
Flamme anzublasen. Diese Unfreundlichkeit sticht überdem grell genug von der
Haltung ab, die die englische Presse trotz allem Lärmen der japanischen Zeitungen
gegenüber der Neutralität einnimmt, die Frankreich der russischen Flotte in Ostasien
erweist. In dieser Hinsicht sind freilich die Berechnungen Englands klar. Ent¬
weder wird die russische Flotte vou den Japanern geschlagen, dann kommt sie für
eine Reihe von Jahren nicht mehr in Betracht. Oder die Russen sind zur See
siegreich, dann wird das seine Konsequenzen haben, und Japan wird gezwungen
sein, sich noch enger an England anzuschließen. Auf alle Fälle will die englische
Politik Frankreich nicht in die Notlage bringen, zwischen Rußland und England
optieren zu müssen. Deshalb sieht man euglischerseits ruhig zu, wie sich die
asiatischen Häfen Frankreichs der baltischen Flotte öffnen. Auch ist schwerlich an¬
zunehmen, daß der englischen Politik ein allzu siegreiches Japan sehr erwünscht
wäre. Bekanntlich geht der Wunsch Englands dahin, das Bündnis mit Japan in
geeigneter Form zu erneuern. Je bündnisbedürftiger Japan dann ist -- und nach
einem russischen Seesiege würde das sicherlich der Fall sein --, desto mehr bessert
sich Englands Stellung bei der Erneuerung der Bündnisverhandlungen.

Inzwischen hat uns der britische Admiral Fitzgerald, obendrein in einer
deutschen Monatsschrift, schwarz auf weiß bescheinigt, daß er in der deutschen Flotte
den Himrubal imo xortas sieht und eine weitere Vermehrung der deutschen Flotte,
"sodaß sie mehr oder minder auf den Fuß der Ebenbürtigkeit mit England kommt,"
als eine Bedrohung der Oberherrlichkeit Englands zur See ansehen würde, die für
Englands Existenz als unabhängige Nation notwendig sei. Nun ist seit dem
Tilsiter Frieden, wo Napoleon Preußen vorschrieb, nicht mehr als 42000 Mann


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel.

Der Kaiser hat während seines Aufenthalts in Süddentsch-
lnnd seine hohe Befriedigung über den Verlauf der italienischen Reise wiederholt
auf das bestimmteste geäußert und besonders mit warmem Danke der außerordent¬
lich lebhaften Sympathiebezeugungen gedacht, die die Bevölkerung ihm allerorten,
wohin er den Fuß gesetzt hatte, dargebracht hat. Nicht minder aber der wunder¬
baren Reize der Landschaft, zumal des ihm bisher unbekannt gewesnen Apuliens.
Der daran geknüpfte Wunsch des Kaisers, die deutschen Jtalienfahrer sollten sich
mehr Apulien zuwenden, das in Deutschland viel zu wenig bekannt und gewürdigt
sei, obwohl neben den hohen landschaftlichen Schönheiten die Erinnerungen aus der
Zeit der Staufer reichen Anreiz böten — wird zweifellos nicht auf unfruchtbaren
Boden gefallen sein. Der Abschiedsgruß des .Kaisers ans Venedig an König Viktor
Emanuel spiegelt die tiefen Eindrücke wider, die der Kaiser und die kaiserliche
Familie von ihrem diesmaligen Besuche Italiens mit in die deutsche Heimat ge¬
nommen haben. Es dürfte nicht oft vorkommen, daß ein fremder Souverän in dem
Lande eines ihm befreundeten mächtigen Herrschers wochenlang von Ort zu Ort
reist und überall neben einem freudigen offiziellen Empfang den enthusiastischen Be¬
grüßungen der Bevölkerungen begegnet. Aber die wunderbaren landschaftlichen
Schönheiten Italiens erlauben ebenso wie die Norwegens den mehrwöchigen
Aufenthalt auch eines gekrönten Touristen, ohne daß irgendein politischer Hinter¬
grund damit verbunden wäre. Gefehlt hat freilich diesesmnl auch ein solcher nicht;
das hat die Neapler Begegnung mit den dort gewechselten Trinksprüchen deutlich
genug gezeigt, und die Schlußworte des kaiserlichen Abschiedsgrußes haben noch
einmal deutlich daran erinnert. — Die internationale Lage war in dem Augenblick
der Heimkehr des Kaisers nicht freundlich. Weniger durch die marokkanische An¬
gelegenheit, die durch den Beitritt Italiens und andrer Mächte zu dem Stand¬
punkt, den Deutschland einnimmt, sogar eher ein erfreulicheres Aussehen für uns
erhalten hätte, wenn sich nicht zu dem Umstände, daß alle Differenzen Deutschlands
mit Frankreich über Nacht eine ernste Wendung nehmen können, die auffällige Ge¬
hässigkeit eines Teils der englischen Presse immer unvcrhohlner gesellt hätte. Man
fragt vergebens, welches Interesse England daran hat, die vorhandnen Funken zur
Flamme anzublasen. Diese Unfreundlichkeit sticht überdem grell genug von der
Haltung ab, die die englische Presse trotz allem Lärmen der japanischen Zeitungen
gegenüber der Neutralität einnimmt, die Frankreich der russischen Flotte in Ostasien
erweist. In dieser Hinsicht sind freilich die Berechnungen Englands klar. Ent¬
weder wird die russische Flotte vou den Japanern geschlagen, dann kommt sie für
eine Reihe von Jahren nicht mehr in Betracht. Oder die Russen sind zur See
siegreich, dann wird das seine Konsequenzen haben, und Japan wird gezwungen
sein, sich noch enger an England anzuschließen. Auf alle Fälle will die englische
Politik Frankreich nicht in die Notlage bringen, zwischen Rußland und England
optieren zu müssen. Deshalb sieht man euglischerseits ruhig zu, wie sich die
asiatischen Häfen Frankreichs der baltischen Flotte öffnen. Auch ist schwerlich an¬
zunehmen, daß der englischen Politik ein allzu siegreiches Japan sehr erwünscht
wäre. Bekanntlich geht der Wunsch Englands dahin, das Bündnis mit Japan in
geeigneter Form zu erneuern. Je bündnisbedürftiger Japan dann ist — und nach
einem russischen Seesiege würde das sicherlich der Fall sein —, desto mehr bessert
sich Englands Stellung bei der Erneuerung der Bündnisverhandlungen.

Inzwischen hat uns der britische Admiral Fitzgerald, obendrein in einer
deutschen Monatsschrift, schwarz auf weiß bescheinigt, daß er in der deutschen Flotte
den Himrubal imo xortas sieht und eine weitere Vermehrung der deutschen Flotte,
„sodaß sie mehr oder minder auf den Fuß der Ebenbürtigkeit mit England kommt,"
als eine Bedrohung der Oberherrlichkeit Englands zur See ansehen würde, die für
Englands Existenz als unabhängige Nation notwendig sei. Nun ist seit dem
Tilsiter Frieden, wo Napoleon Preußen vorschrieb, nicht mehr als 42000 Mann


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[0342] Maßgebliches und Unmaßgebliches Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspiegel. Der Kaiser hat während seines Aufenthalts in Süddentsch- lnnd seine hohe Befriedigung über den Verlauf der italienischen Reise wiederholt auf das bestimmteste geäußert und besonders mit warmem Danke der außerordent¬ lich lebhaften Sympathiebezeugungen gedacht, die die Bevölkerung ihm allerorten, wohin er den Fuß gesetzt hatte, dargebracht hat. Nicht minder aber der wunder¬ baren Reize der Landschaft, zumal des ihm bisher unbekannt gewesnen Apuliens. Der daran geknüpfte Wunsch des Kaisers, die deutschen Jtalienfahrer sollten sich mehr Apulien zuwenden, das in Deutschland viel zu wenig bekannt und gewürdigt sei, obwohl neben den hohen landschaftlichen Schönheiten die Erinnerungen aus der Zeit der Staufer reichen Anreiz böten — wird zweifellos nicht auf unfruchtbaren Boden gefallen sein. Der Abschiedsgruß des .Kaisers ans Venedig an König Viktor Emanuel spiegelt die tiefen Eindrücke wider, die der Kaiser und die kaiserliche Familie von ihrem diesmaligen Besuche Italiens mit in die deutsche Heimat ge¬ nommen haben. Es dürfte nicht oft vorkommen, daß ein fremder Souverän in dem Lande eines ihm befreundeten mächtigen Herrschers wochenlang von Ort zu Ort reist und überall neben einem freudigen offiziellen Empfang den enthusiastischen Be¬ grüßungen der Bevölkerungen begegnet. Aber die wunderbaren landschaftlichen Schönheiten Italiens erlauben ebenso wie die Norwegens den mehrwöchigen Aufenthalt auch eines gekrönten Touristen, ohne daß irgendein politischer Hinter¬ grund damit verbunden wäre. Gefehlt hat freilich diesesmnl auch ein solcher nicht; das hat die Neapler Begegnung mit den dort gewechselten Trinksprüchen deutlich genug gezeigt, und die Schlußworte des kaiserlichen Abschiedsgrußes haben noch einmal deutlich daran erinnert. — Die internationale Lage war in dem Augenblick der Heimkehr des Kaisers nicht freundlich. Weniger durch die marokkanische An¬ gelegenheit, die durch den Beitritt Italiens und andrer Mächte zu dem Stand¬ punkt, den Deutschland einnimmt, sogar eher ein erfreulicheres Aussehen für uns erhalten hätte, wenn sich nicht zu dem Umstände, daß alle Differenzen Deutschlands mit Frankreich über Nacht eine ernste Wendung nehmen können, die auffällige Ge¬ hässigkeit eines Teils der englischen Presse immer unvcrhohlner gesellt hätte. Man fragt vergebens, welches Interesse England daran hat, die vorhandnen Funken zur Flamme anzublasen. Diese Unfreundlichkeit sticht überdem grell genug von der Haltung ab, die die englische Presse trotz allem Lärmen der japanischen Zeitungen gegenüber der Neutralität einnimmt, die Frankreich der russischen Flotte in Ostasien erweist. In dieser Hinsicht sind freilich die Berechnungen Englands klar. Ent¬ weder wird die russische Flotte vou den Japanern geschlagen, dann kommt sie für eine Reihe von Jahren nicht mehr in Betracht. Oder die Russen sind zur See siegreich, dann wird das seine Konsequenzen haben, und Japan wird gezwungen sein, sich noch enger an England anzuschließen. Auf alle Fälle will die englische Politik Frankreich nicht in die Notlage bringen, zwischen Rußland und England optieren zu müssen. Deshalb sieht man euglischerseits ruhig zu, wie sich die asiatischen Häfen Frankreichs der baltischen Flotte öffnen. Auch ist schwerlich an¬ zunehmen, daß der englischen Politik ein allzu siegreiches Japan sehr erwünscht wäre. Bekanntlich geht der Wunsch Englands dahin, das Bündnis mit Japan in geeigneter Form zu erneuern. Je bündnisbedürftiger Japan dann ist — und nach einem russischen Seesiege würde das sicherlich der Fall sein —, desto mehr bessert sich Englands Stellung bei der Erneuerung der Bündnisverhandlungen. Inzwischen hat uns der britische Admiral Fitzgerald, obendrein in einer deutschen Monatsschrift, schwarz auf weiß bescheinigt, daß er in der deutschen Flotte den Himrubal imo xortas sieht und eine weitere Vermehrung der deutschen Flotte, „sodaß sie mehr oder minder auf den Fuß der Ebenbürtigkeit mit England kommt," als eine Bedrohung der Oberherrlichkeit Englands zur See ansehen würde, die für Englands Existenz als unabhängige Nation notwendig sei. Nun ist seit dem Tilsiter Frieden, wo Napoleon Preußen vorschrieb, nicht mehr als 42000 Mann

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/342>, abgerufen am 08.05.2024.