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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Herrenmenschen

hören, zusammengeleimt, Hals und Griffbrett werden ebenfalls mit Leim daran
befestigt, worauf die Geige gebeizt und lackiert wird. Diese hier in ein paar
Worten erzählte Arbeit nimmt Wochen in Anspruch. Gewöhnlich nimmt der
Geigenbauer, um in den zum Trocknen des Leims und des Lackes nötigen
Pausen nicht müßig zu sein, mehrere Geigen, die genau gleich werden sollen,
zusammen in Arbeit.

Ist das Instrument so weit fertig, so wird es mit Saiten bespannt, und
nun beginnt die mühsame Arbeit des Einsetzens der "Stimme." Unter dieser
versteht man das in der Geige senkrecht zwischen Decke und Boden stehende
Stäbchen, auf dessen Länge und Stellung sehr viel ankommt. Ist es endlich
gelungen, die Stimme so gut wie möglich anzubringen und auszuprobieren,
welche Saitenstärke der Geige am besten zusagt -- wobei der Erbauer feinen
künstlerischen Geschmack und musikalisches Gehör zu beweisen hat --, so ist
seine Arbeit fertig. Und wie oft ist der Meister enttäuscht. Von fünf bis
sechs Geigen, die ganz gleich, mit demselben Material und derselben Sorgfalt
hergestellt sind, ist vielleicht eine, oder wenn er Glück hatte, sind zwei so
ausgefallen, daß sie die aufgewandte Mühe wirklich lohnen. Der Preis von
mehreren hundert Mark, der für ein solches gut geratnes Instrument heutzu¬
tage gezahlt wird, ist wirklich nicht hoch.

Kommt ein solches Instrument dann in die rechten Hände, so ist es er¬
staunlich, wie schon in wenig Jahren der Ton an Fülle und Lieblichkeit
zunimmt.

So kann man hoffen, daß man nunmehr auf dem richtigen Wege ist,
wieder Instrumente zu erhalten, die versprechen, unsern Nachkommen das zu
werden, was uns die Meisterwerke der klassischen Zeit sind. Nicht durch
Suchen nach allerlei Geheimnissen und durch Probieren ins Blaue hinein ist
dieser Erfolg erreicht worden, sondern durch ehrliche, gründliche Arbeit, und
darin liegt die beste Aussicht für seine Dauer.




Herrenmenschen
Fritz Anders (Max Allihn) Roman von (Fortsetzung)

ZMKl cum man früher hoch gespielt hatte, so geschah es jetzt erst recht.
Man bemühte sich, Herrn Van Term in den Kreis zu ziehn. Der
! Amtshauptmann nicht -- Gott bewahre! Der Amtshauptmann tat
so, als sei ihm gar nichts daran gelegen, daß Van Term spiele.
Aber seine Freunde, die seine Knechte waren, die haben es durch
! teuflische Verführungskünste bewirkt, daß er zuletzt doch die Karte
angriff. Er hat sich zuerst redlich gewehrt, aber es half ihm nichts, da ihm der
Spielteufel im Herzen saß. Als er aber erst den ersten Einsatz gemacht hatte,
war er wie verzaubert und gebannt und der leidenschaftlichste Spieler von allen.
Wie der Winter vorüber war, hatten wir ihn so weit, daß er sich nicht mehr
rühren konnte. Und ich habe mit helfen müssen! Und wenn ich mich weigerte


Herrenmenschen

hören, zusammengeleimt, Hals und Griffbrett werden ebenfalls mit Leim daran
befestigt, worauf die Geige gebeizt und lackiert wird. Diese hier in ein paar
Worten erzählte Arbeit nimmt Wochen in Anspruch. Gewöhnlich nimmt der
Geigenbauer, um in den zum Trocknen des Leims und des Lackes nötigen
Pausen nicht müßig zu sein, mehrere Geigen, die genau gleich werden sollen,
zusammen in Arbeit.

Ist das Instrument so weit fertig, so wird es mit Saiten bespannt, und
nun beginnt die mühsame Arbeit des Einsetzens der „Stimme." Unter dieser
versteht man das in der Geige senkrecht zwischen Decke und Boden stehende
Stäbchen, auf dessen Länge und Stellung sehr viel ankommt. Ist es endlich
gelungen, die Stimme so gut wie möglich anzubringen und auszuprobieren,
welche Saitenstärke der Geige am besten zusagt — wobei der Erbauer feinen
künstlerischen Geschmack und musikalisches Gehör zu beweisen hat —, so ist
seine Arbeit fertig. Und wie oft ist der Meister enttäuscht. Von fünf bis
sechs Geigen, die ganz gleich, mit demselben Material und derselben Sorgfalt
hergestellt sind, ist vielleicht eine, oder wenn er Glück hatte, sind zwei so
ausgefallen, daß sie die aufgewandte Mühe wirklich lohnen. Der Preis von
mehreren hundert Mark, der für ein solches gut geratnes Instrument heutzu¬
tage gezahlt wird, ist wirklich nicht hoch.

Kommt ein solches Instrument dann in die rechten Hände, so ist es er¬
staunlich, wie schon in wenig Jahren der Ton an Fülle und Lieblichkeit
zunimmt.

So kann man hoffen, daß man nunmehr auf dem richtigen Wege ist,
wieder Instrumente zu erhalten, die versprechen, unsern Nachkommen das zu
werden, was uns die Meisterwerke der klassischen Zeit sind. Nicht durch
Suchen nach allerlei Geheimnissen und durch Probieren ins Blaue hinein ist
dieser Erfolg erreicht worden, sondern durch ehrliche, gründliche Arbeit, und
darin liegt die beste Aussicht für seine Dauer.




Herrenmenschen
Fritz Anders (Max Allihn) Roman von (Fortsetzung)

ZMKl cum man früher hoch gespielt hatte, so geschah es jetzt erst recht.
Man bemühte sich, Herrn Van Term in den Kreis zu ziehn. Der
! Amtshauptmann nicht — Gott bewahre! Der Amtshauptmann tat
so, als sei ihm gar nichts daran gelegen, daß Van Term spiele.
Aber seine Freunde, die seine Knechte waren, die haben es durch
! teuflische Verführungskünste bewirkt, daß er zuletzt doch die Karte
angriff. Er hat sich zuerst redlich gewehrt, aber es half ihm nichts, da ihm der
Spielteufel im Herzen saß. Als er aber erst den ersten Einsatz gemacht hatte,
war er wie verzaubert und gebannt und der leidenschaftlichste Spieler von allen.
Wie der Winter vorüber war, hatten wir ihn so weit, daß er sich nicht mehr
rühren konnte. Und ich habe mit helfen müssen! Und wenn ich mich weigerte


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[0385] Herrenmenschen hören, zusammengeleimt, Hals und Griffbrett werden ebenfalls mit Leim daran befestigt, worauf die Geige gebeizt und lackiert wird. Diese hier in ein paar Worten erzählte Arbeit nimmt Wochen in Anspruch. Gewöhnlich nimmt der Geigenbauer, um in den zum Trocknen des Leims und des Lackes nötigen Pausen nicht müßig zu sein, mehrere Geigen, die genau gleich werden sollen, zusammen in Arbeit. Ist das Instrument so weit fertig, so wird es mit Saiten bespannt, und nun beginnt die mühsame Arbeit des Einsetzens der „Stimme." Unter dieser versteht man das in der Geige senkrecht zwischen Decke und Boden stehende Stäbchen, auf dessen Länge und Stellung sehr viel ankommt. Ist es endlich gelungen, die Stimme so gut wie möglich anzubringen und auszuprobieren, welche Saitenstärke der Geige am besten zusagt — wobei der Erbauer feinen künstlerischen Geschmack und musikalisches Gehör zu beweisen hat —, so ist seine Arbeit fertig. Und wie oft ist der Meister enttäuscht. Von fünf bis sechs Geigen, die ganz gleich, mit demselben Material und derselben Sorgfalt hergestellt sind, ist vielleicht eine, oder wenn er Glück hatte, sind zwei so ausgefallen, daß sie die aufgewandte Mühe wirklich lohnen. Der Preis von mehreren hundert Mark, der für ein solches gut geratnes Instrument heutzu¬ tage gezahlt wird, ist wirklich nicht hoch. Kommt ein solches Instrument dann in die rechten Hände, so ist es er¬ staunlich, wie schon in wenig Jahren der Ton an Fülle und Lieblichkeit zunimmt. So kann man hoffen, daß man nunmehr auf dem richtigen Wege ist, wieder Instrumente zu erhalten, die versprechen, unsern Nachkommen das zu werden, was uns die Meisterwerke der klassischen Zeit sind. Nicht durch Suchen nach allerlei Geheimnissen und durch Probieren ins Blaue hinein ist dieser Erfolg erreicht worden, sondern durch ehrliche, gründliche Arbeit, und darin liegt die beste Aussicht für seine Dauer. Herrenmenschen Fritz Anders (Max Allihn) Roman von (Fortsetzung) ZMKl cum man früher hoch gespielt hatte, so geschah es jetzt erst recht. Man bemühte sich, Herrn Van Term in den Kreis zu ziehn. Der ! Amtshauptmann nicht — Gott bewahre! Der Amtshauptmann tat so, als sei ihm gar nichts daran gelegen, daß Van Term spiele. Aber seine Freunde, die seine Knechte waren, die haben es durch ! teuflische Verführungskünste bewirkt, daß er zuletzt doch die Karte angriff. Er hat sich zuerst redlich gewehrt, aber es half ihm nichts, da ihm der Spielteufel im Herzen saß. Als er aber erst den ersten Einsatz gemacht hatte, war er wie verzaubert und gebannt und der leidenschaftlichste Spieler von allen. Wie der Winter vorüber war, hatten wir ihn so weit, daß er sich nicht mehr rühren konnte. Und ich habe mit helfen müssen! Und wenn ich mich weigerte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/385>, abgerufen am 07.05.2024.