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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Die Zukunft des deutschen Oolkstums und der deutschen
Sprache in den Vereinigten Staaten von Amerika
von Emil Mannhardt

n der Januarsitzung des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins in
dem Zweigverein Berlin-Charlottenburg hat Professor Dr. Paul
Förster aus Friedenau einen Vortrag über "Deutsches Volkstum
und deutsches Lied in den Vereinigten Staaten" gehalten, über den
sich in der Unterhaltungsbeilage der Berliner Täglichen Rundschau
vom 6. Februar dieses Jahres der nachstehende Bericht findet:

Der Vortrag gab einige Beiträge zur Geschichte und zu der heutigen Lage
der Deutschen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, gesammelt aus Büchern,
Zeitschriften, Aufsähen, Briefen. Er berichtigte auch mißgünstige oder irrige Ur¬
teile von Deutschen diesseits und jenseits, oft recht leichtfertige sogenannte "ma߬
gebende" Urteile. An dreizehn Millionen Deutsche find seit vollen zwei Jahr¬
hunderten (seit 1683) in die Vereinigten Staaten eingewandert, an zehn Millionen
sprechen hente deutsch, und deutsch wird jetzt, an Stelle des Französischen, als zweite
Sprache in den Schulen gelehrt. Die Ausgewanderten litt es entweder nicht zu¬
laufe, oder die Heimat litt sie nicht. Wertvolle Kräfte sind uns so verloren ge¬
gangen; es gilt, sie drüben festzuhalten, das Deutschtum in ihnen zu bewahren.
Sie können und sie wollen die Treue zur neuen Heimat mit der Liebe zur alten
perbinden; sie können und wollen insonderheit die Sprache, das entscheidende Kenn¬
zeichen des Volkstums, bewahren. Mag man immerhin leugnen, daß es "Deutsch-
Amerikaner" gebe, jund behaupten.j es gebe nur "Amerikaner" schlechthin, so ist das
vollständig irrig. Jene sind da und werden bleiben; der Typus aber "Amerikaner"
'se nnr ein Begriff, keine Wirklichkeit; es gibt drüben keine völkische s!s Einheit, und
^ wird vermutlich eine solche nie geben. Und warum soll die Union uicht ein
Stnntenbnud oder ein Bundesstaat nach der Art der Schweiz werden, die reichste
sulle von Verschiedenheiten, ja Gegensätze zu einer Einheit verbindend? Gemein¬
en allen "Amerikanern" ist zurzeit nnr das Recht und die englische Amtssprache;
e/ne amerikanische "Rasse" aber gibt es so wenig, wie etwa eine schweizerisches oder
österreichische oder auch romanische Rasse. Die Deutschen drüben recken sich nach¬
gerade ans, sie haben die übertriebne Bescheidenheit satt, sie wollen nicht nnr "Kultur-
dünger" mehr sein. Und wurmen auch sollten sie den Rat befolgen, sich zu "akkli¬
matisieren"? Immer weitere Kreise erwachen zum Bewußtsein, welche Wichtigkeit
°le Erhaltung der Muttersprache habe. Einzelne, wie Gesellschaften (Nationalbund,
deutsch-amerikanisch historische Gesellschaft), pflegen die Erinnerung an die Vcrgnngen-


Grenzbotcn U 1W5 51


Die Zukunft des deutschen Oolkstums und der deutschen
Sprache in den Vereinigten Staaten von Amerika
von Emil Mannhardt

n der Januarsitzung des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins in
dem Zweigverein Berlin-Charlottenburg hat Professor Dr. Paul
Förster aus Friedenau einen Vortrag über „Deutsches Volkstum
und deutsches Lied in den Vereinigten Staaten" gehalten, über den
sich in der Unterhaltungsbeilage der Berliner Täglichen Rundschau
vom 6. Februar dieses Jahres der nachstehende Bericht findet:

Der Vortrag gab einige Beiträge zur Geschichte und zu der heutigen Lage
der Deutschen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, gesammelt aus Büchern,
Zeitschriften, Aufsähen, Briefen. Er berichtigte auch mißgünstige oder irrige Ur¬
teile von Deutschen diesseits und jenseits, oft recht leichtfertige sogenannte „ma߬
gebende" Urteile. An dreizehn Millionen Deutsche find seit vollen zwei Jahr¬
hunderten (seit 1683) in die Vereinigten Staaten eingewandert, an zehn Millionen
sprechen hente deutsch, und deutsch wird jetzt, an Stelle des Französischen, als zweite
Sprache in den Schulen gelehrt. Die Ausgewanderten litt es entweder nicht zu¬
laufe, oder die Heimat litt sie nicht. Wertvolle Kräfte sind uns so verloren ge¬
gangen; es gilt, sie drüben festzuhalten, das Deutschtum in ihnen zu bewahren.
Sie können und sie wollen die Treue zur neuen Heimat mit der Liebe zur alten
perbinden; sie können und wollen insonderheit die Sprache, das entscheidende Kenn¬
zeichen des Volkstums, bewahren. Mag man immerhin leugnen, daß es „Deutsch-
Amerikaner" gebe, jund behaupten.j es gebe nur „Amerikaner" schlechthin, so ist das
vollständig irrig. Jene sind da und werden bleiben; der Typus aber „Amerikaner"
'se nnr ein Begriff, keine Wirklichkeit; es gibt drüben keine völkische s!s Einheit, und
^ wird vermutlich eine solche nie geben. Und warum soll die Union uicht ein
Stnntenbnud oder ein Bundesstaat nach der Art der Schweiz werden, die reichste
sulle von Verschiedenheiten, ja Gegensätze zu einer Einheit verbindend? Gemein¬
en allen „Amerikanern" ist zurzeit nnr das Recht und die englische Amtssprache;
e/ne amerikanische „Rasse" aber gibt es so wenig, wie etwa eine schweizerisches oder
österreichische oder auch romanische Rasse. Die Deutschen drüben recken sich nach¬
gerade ans, sie haben die übertriebne Bescheidenheit satt, sie wollen nicht nnr „Kultur-
dünger" mehr sein. Und wurmen auch sollten sie den Rat befolgen, sich zu „akkli¬
matisieren"? Immer weitere Kreise erwachen zum Bewußtsein, welche Wichtigkeit
°le Erhaltung der Muttersprache habe. Einzelne, wie Gesellschaften (Nationalbund,
deutsch-amerikanisch historische Gesellschaft), pflegen die Erinnerung an die Vcrgnngen-


Grenzbotcn U 1W5 51
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[0405] [Abbildung] Die Zukunft des deutschen Oolkstums und der deutschen Sprache in den Vereinigten Staaten von Amerika von Emil Mannhardt n der Januarsitzung des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins in dem Zweigverein Berlin-Charlottenburg hat Professor Dr. Paul Förster aus Friedenau einen Vortrag über „Deutsches Volkstum und deutsches Lied in den Vereinigten Staaten" gehalten, über den sich in der Unterhaltungsbeilage der Berliner Täglichen Rundschau vom 6. Februar dieses Jahres der nachstehende Bericht findet: Der Vortrag gab einige Beiträge zur Geschichte und zu der heutigen Lage der Deutschen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, gesammelt aus Büchern, Zeitschriften, Aufsähen, Briefen. Er berichtigte auch mißgünstige oder irrige Ur¬ teile von Deutschen diesseits und jenseits, oft recht leichtfertige sogenannte „ma߬ gebende" Urteile. An dreizehn Millionen Deutsche find seit vollen zwei Jahr¬ hunderten (seit 1683) in die Vereinigten Staaten eingewandert, an zehn Millionen sprechen hente deutsch, und deutsch wird jetzt, an Stelle des Französischen, als zweite Sprache in den Schulen gelehrt. Die Ausgewanderten litt es entweder nicht zu¬ laufe, oder die Heimat litt sie nicht. Wertvolle Kräfte sind uns so verloren ge¬ gangen; es gilt, sie drüben festzuhalten, das Deutschtum in ihnen zu bewahren. Sie können und sie wollen die Treue zur neuen Heimat mit der Liebe zur alten perbinden; sie können und wollen insonderheit die Sprache, das entscheidende Kenn¬ zeichen des Volkstums, bewahren. Mag man immerhin leugnen, daß es „Deutsch- Amerikaner" gebe, jund behaupten.j es gebe nur „Amerikaner" schlechthin, so ist das vollständig irrig. Jene sind da und werden bleiben; der Typus aber „Amerikaner" 'se nnr ein Begriff, keine Wirklichkeit; es gibt drüben keine völkische s!s Einheit, und ^ wird vermutlich eine solche nie geben. Und warum soll die Union uicht ein Stnntenbnud oder ein Bundesstaat nach der Art der Schweiz werden, die reichste sulle von Verschiedenheiten, ja Gegensätze zu einer Einheit verbindend? Gemein¬ en allen „Amerikanern" ist zurzeit nnr das Recht und die englische Amtssprache; e/ne amerikanische „Rasse" aber gibt es so wenig, wie etwa eine schweizerisches oder österreichische oder auch romanische Rasse. Die Deutschen drüben recken sich nach¬ gerade ans, sie haben die übertriebne Bescheidenheit satt, sie wollen nicht nnr „Kultur- dünger" mehr sein. Und wurmen auch sollten sie den Rat befolgen, sich zu „akkli¬ matisieren"? Immer weitere Kreise erwachen zum Bewußtsein, welche Wichtigkeit °le Erhaltung der Muttersprache habe. Einzelne, wie Gesellschaften (Nationalbund, deutsch-amerikanisch historische Gesellschaft), pflegen die Erinnerung an die Vcrgnngen- Grenzbotcn U 1W5 51

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/405>, abgerufen am 08.05.2024.