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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Kiautschou, die hier und da auftauchen, sicher gegenstandslos, denn dieser deutsche
Besitz ist ihnen politisch nicht nur ungefährlich, sondern muß ihnen geradezu er¬
wünscht sein; werden sie doch sicherlich für die Integrität Chinas eintreten, und diese
ist eine Forderung auch der deutschen Politik. Daß Japan bemüht ist, zu Deutsch¬
land, dessen Offizieren es die treffliche Schulung seiner Armee verdankt, im besten
Verhältnis zu bleiben, das zeigt ja auch die verbindliche Sendung des Prinzen
Arisugawa zur Hochzeit des Kronprinzen, sicher eine ungewöhnliche Sendung, an
die noch vor zwanzig Jahren kein Mensch gedacht hätte. Denn was galt damals
Deutschland unter den Welt- und Seemächten, und was bedeutete damals Japan? *


Zur Lösung der Krisis im Flottenverein.

In die Stille, aus der
der Einsender dieser Zeilen mit der wärmsten Teilnahme die Arbeit und die
Schicksale des Flottenvereins als einer der wichtigsten Erscheinungen unsers natio¬
nalen Lebens verfolgt, drang in den letzten Wochen mißtönend der durch die
Krisis im Flottenverein erregte Lärm der Presse. Die Grenzboten arbeiten schon
lange an der Größe des Vaterlands, sie arbeiten auch schon länger als der Flotten¬
verein an der Verbreitung des Flottengedankens. Ein paar ruhige Worte zur
Ergänzung der trefflichen Äußerungen im 21. Hefte (Reichsspiegel) finden, an dieser
Stätte gesprochen, vielleicht Gehör und Beherzigung. Dem, der ruhig, uicht
gleichgiltig die Krisis im Flottenverein verfolgte, erschien der Vorgang harmlos,
der Gegensatz, der sich zwischen zwei großen Gruppen innerhalb des Vereins aus¬
gebildet hatte, konnte ohne Leidenschaft und ohne Lärm, auch ohne die auffallende
Amtsniederlegung ausgeglichen werden, in dem Wunsche, dem Vaterlande zu dienen,
liegt eine einigende Kraft, und diese Kraft hat sich inzwischen ja auch wieder be¬
währt. In der Hauptversammlung zu Stuttgart hat mau sich auf ein maßvolles
Programm geeinigt. Die Mahnung zur Besonnenheit, die dort von dem ersten
Vizepräsidenten des Vereins, Freiherrn von Würtzburg, von dem Nestor des
Vereins, Neichsgerichtsrat Stellmacher, und von dem Grafen zu Eulenburg-Prasser
ausgesprochen wurde, fand offne Herzen. Das Verdienst der beiden ausgeschiednen
Mitglieder des Präsidiums wurde nach Gebühr gewürdigt, und ihre Kraft wird
dem Vereine wohl erhalten bleiben. Die Unabhängigkeit des Vereins, an der nur
Witzblätter und Feinde des Flottengedankens zweifeln, wurde unter dem Eindrucke
des kaiserlichen Telegramms stark, für das Gefühl des Einsenders dieser Zeilen zu
stark, betont.

Aber ein ungelöster Rest der Verstimmung bleibt. In dem Preßlärm traten zu
viele Anzeichen einer andern Krisis hervor: der monarchische Gedanke ist in weiten
Kreisen des deutschen Volkes geschwächt, auch in solchen, die sich national nennen.
"

"Das Telegramm des Kaisers hat erst die Krisis hervorgerufen. -- Ja,
war denn dieses Telegramm für die Öffentlichkeit bestimmt? Fällt nicht die Schuld
um der Krisis auf die Stellen oder die Personen, die die Veröffentlichung des
Telegramms veranlaßt oder nicht verhindert haben? Daß der Kaiser überhaupt
seine Meinung und seinen Willen ausgesprochen hat, wird ihm übel genommen.
Und daß er im Ärger über die Bemängelung der von ihm geschaffnen Flotte um
seine Kommandogewalt erinnert, wird ihm in der neuen Wochenschrift "Europa"
als "verfassungsrechtlicher Irrtum" vorgehalten. Maßgebender als die Ansicht der
Wochenschrift ist wohl das Urteil, das Laband in seinem Staatsrecht des Dentschen
Reichs (3. Auflage, 2. Band, S. 590) über die Kommandogewalt des Kaisers auf
dem Gebiete der Kriegsmarine fällt. Laband sagt: "Über die Organisation und
Znsammensetzung der Kriegsmarine fehlen gesetzliche Vorschriften gänzlich; die Be¬
stimmung darüber steht nach Artikel 53 der Reichsverfassung ausschließlich dem
Kaiser zu, der dabei lediglich hinsichtlich der Dienstpflicht an die im Wehrgesetz und
hinsichtlich der finanziellen Mittel an die in dem Neichshaushaltsetatsgesetz gezogenen
Schranken gebunden ist. Das (den Kaiser auf dem Gebiete des Heerwesens be¬
schränkende) Neichsinilitärgesetz findet auf die Marine keine Anwendung."


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Kiautschou, die hier und da auftauchen, sicher gegenstandslos, denn dieser deutsche
Besitz ist ihnen politisch nicht nur ungefährlich, sondern muß ihnen geradezu er¬
wünscht sein; werden sie doch sicherlich für die Integrität Chinas eintreten, und diese
ist eine Forderung auch der deutschen Politik. Daß Japan bemüht ist, zu Deutsch¬
land, dessen Offizieren es die treffliche Schulung seiner Armee verdankt, im besten
Verhältnis zu bleiben, das zeigt ja auch die verbindliche Sendung des Prinzen
Arisugawa zur Hochzeit des Kronprinzen, sicher eine ungewöhnliche Sendung, an
die noch vor zwanzig Jahren kein Mensch gedacht hätte. Denn was galt damals
Deutschland unter den Welt- und Seemächten, und was bedeutete damals Japan? *


Zur Lösung der Krisis im Flottenverein.

In die Stille, aus der
der Einsender dieser Zeilen mit der wärmsten Teilnahme die Arbeit und die
Schicksale des Flottenvereins als einer der wichtigsten Erscheinungen unsers natio¬
nalen Lebens verfolgt, drang in den letzten Wochen mißtönend der durch die
Krisis im Flottenverein erregte Lärm der Presse. Die Grenzboten arbeiten schon
lange an der Größe des Vaterlands, sie arbeiten auch schon länger als der Flotten¬
verein an der Verbreitung des Flottengedankens. Ein paar ruhige Worte zur
Ergänzung der trefflichen Äußerungen im 21. Hefte (Reichsspiegel) finden, an dieser
Stätte gesprochen, vielleicht Gehör und Beherzigung. Dem, der ruhig, uicht
gleichgiltig die Krisis im Flottenverein verfolgte, erschien der Vorgang harmlos,
der Gegensatz, der sich zwischen zwei großen Gruppen innerhalb des Vereins aus¬
gebildet hatte, konnte ohne Leidenschaft und ohne Lärm, auch ohne die auffallende
Amtsniederlegung ausgeglichen werden, in dem Wunsche, dem Vaterlande zu dienen,
liegt eine einigende Kraft, und diese Kraft hat sich inzwischen ja auch wieder be¬
währt. In der Hauptversammlung zu Stuttgart hat mau sich auf ein maßvolles
Programm geeinigt. Die Mahnung zur Besonnenheit, die dort von dem ersten
Vizepräsidenten des Vereins, Freiherrn von Würtzburg, von dem Nestor des
Vereins, Neichsgerichtsrat Stellmacher, und von dem Grafen zu Eulenburg-Prasser
ausgesprochen wurde, fand offne Herzen. Das Verdienst der beiden ausgeschiednen
Mitglieder des Präsidiums wurde nach Gebühr gewürdigt, und ihre Kraft wird
dem Vereine wohl erhalten bleiben. Die Unabhängigkeit des Vereins, an der nur
Witzblätter und Feinde des Flottengedankens zweifeln, wurde unter dem Eindrucke
des kaiserlichen Telegramms stark, für das Gefühl des Einsenders dieser Zeilen zu
stark, betont.

Aber ein ungelöster Rest der Verstimmung bleibt. In dem Preßlärm traten zu
viele Anzeichen einer andern Krisis hervor: der monarchische Gedanke ist in weiten
Kreisen des deutschen Volkes geschwächt, auch in solchen, die sich national nennen.
"

„Das Telegramm des Kaisers hat erst die Krisis hervorgerufen. — Ja,
war denn dieses Telegramm für die Öffentlichkeit bestimmt? Fällt nicht die Schuld
um der Krisis auf die Stellen oder die Personen, die die Veröffentlichung des
Telegramms veranlaßt oder nicht verhindert haben? Daß der Kaiser überhaupt
seine Meinung und seinen Willen ausgesprochen hat, wird ihm übel genommen.
Und daß er im Ärger über die Bemängelung der von ihm geschaffnen Flotte um
seine Kommandogewalt erinnert, wird ihm in der neuen Wochenschrift „Europa"
als „verfassungsrechtlicher Irrtum" vorgehalten. Maßgebender als die Ansicht der
Wochenschrift ist wohl das Urteil, das Laband in seinem Staatsrecht des Dentschen
Reichs (3. Auflage, 2. Band, S. 590) über die Kommandogewalt des Kaisers auf
dem Gebiete der Kriegsmarine fällt. Laband sagt: „Über die Organisation und
Znsammensetzung der Kriegsmarine fehlen gesetzliche Vorschriften gänzlich; die Be¬
stimmung darüber steht nach Artikel 53 der Reichsverfassung ausschließlich dem
Kaiser zu, der dabei lediglich hinsichtlich der Dienstpflicht an die im Wehrgesetz und
hinsichtlich der finanziellen Mittel an die in dem Neichshaushaltsetatsgesetz gezogenen
Schranken gebunden ist. Das (den Kaiser auf dem Gebiete des Heerwesens be¬
schränkende) Neichsinilitärgesetz findet auf die Marine keine Anwendung."


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[0574] Maßgebliches und Unmaßgebliches Kiautschou, die hier und da auftauchen, sicher gegenstandslos, denn dieser deutsche Besitz ist ihnen politisch nicht nur ungefährlich, sondern muß ihnen geradezu er¬ wünscht sein; werden sie doch sicherlich für die Integrität Chinas eintreten, und diese ist eine Forderung auch der deutschen Politik. Daß Japan bemüht ist, zu Deutsch¬ land, dessen Offizieren es die treffliche Schulung seiner Armee verdankt, im besten Verhältnis zu bleiben, das zeigt ja auch die verbindliche Sendung des Prinzen Arisugawa zur Hochzeit des Kronprinzen, sicher eine ungewöhnliche Sendung, an die noch vor zwanzig Jahren kein Mensch gedacht hätte. Denn was galt damals Deutschland unter den Welt- und Seemächten, und was bedeutete damals Japan? * Zur Lösung der Krisis im Flottenverein. In die Stille, aus der der Einsender dieser Zeilen mit der wärmsten Teilnahme die Arbeit und die Schicksale des Flottenvereins als einer der wichtigsten Erscheinungen unsers natio¬ nalen Lebens verfolgt, drang in den letzten Wochen mißtönend der durch die Krisis im Flottenverein erregte Lärm der Presse. Die Grenzboten arbeiten schon lange an der Größe des Vaterlands, sie arbeiten auch schon länger als der Flotten¬ verein an der Verbreitung des Flottengedankens. Ein paar ruhige Worte zur Ergänzung der trefflichen Äußerungen im 21. Hefte (Reichsspiegel) finden, an dieser Stätte gesprochen, vielleicht Gehör und Beherzigung. Dem, der ruhig, uicht gleichgiltig die Krisis im Flottenverein verfolgte, erschien der Vorgang harmlos, der Gegensatz, der sich zwischen zwei großen Gruppen innerhalb des Vereins aus¬ gebildet hatte, konnte ohne Leidenschaft und ohne Lärm, auch ohne die auffallende Amtsniederlegung ausgeglichen werden, in dem Wunsche, dem Vaterlande zu dienen, liegt eine einigende Kraft, und diese Kraft hat sich inzwischen ja auch wieder be¬ währt. In der Hauptversammlung zu Stuttgart hat mau sich auf ein maßvolles Programm geeinigt. Die Mahnung zur Besonnenheit, die dort von dem ersten Vizepräsidenten des Vereins, Freiherrn von Würtzburg, von dem Nestor des Vereins, Neichsgerichtsrat Stellmacher, und von dem Grafen zu Eulenburg-Prasser ausgesprochen wurde, fand offne Herzen. Das Verdienst der beiden ausgeschiednen Mitglieder des Präsidiums wurde nach Gebühr gewürdigt, und ihre Kraft wird dem Vereine wohl erhalten bleiben. Die Unabhängigkeit des Vereins, an der nur Witzblätter und Feinde des Flottengedankens zweifeln, wurde unter dem Eindrucke des kaiserlichen Telegramms stark, für das Gefühl des Einsenders dieser Zeilen zu stark, betont. Aber ein ungelöster Rest der Verstimmung bleibt. In dem Preßlärm traten zu viele Anzeichen einer andern Krisis hervor: der monarchische Gedanke ist in weiten Kreisen des deutschen Volkes geschwächt, auch in solchen, die sich national nennen. " „Das Telegramm des Kaisers hat erst die Krisis hervorgerufen. — Ja, war denn dieses Telegramm für die Öffentlichkeit bestimmt? Fällt nicht die Schuld um der Krisis auf die Stellen oder die Personen, die die Veröffentlichung des Telegramms veranlaßt oder nicht verhindert haben? Daß der Kaiser überhaupt seine Meinung und seinen Willen ausgesprochen hat, wird ihm übel genommen. Und daß er im Ärger über die Bemängelung der von ihm geschaffnen Flotte um seine Kommandogewalt erinnert, wird ihm in der neuen Wochenschrift „Europa" als „verfassungsrechtlicher Irrtum" vorgehalten. Maßgebender als die Ansicht der Wochenschrift ist wohl das Urteil, das Laband in seinem Staatsrecht des Dentschen Reichs (3. Auflage, 2. Band, S. 590) über die Kommandogewalt des Kaisers auf dem Gebiete der Kriegsmarine fällt. Laband sagt: „Über die Organisation und Znsammensetzung der Kriegsmarine fehlen gesetzliche Vorschriften gänzlich; die Be¬ stimmung darüber steht nach Artikel 53 der Reichsverfassung ausschließlich dem Kaiser zu, der dabei lediglich hinsichtlich der Dienstpflicht an die im Wehrgesetz und hinsichtlich der finanziellen Mittel an die in dem Neichshaushaltsetatsgesetz gezogenen Schranken gebunden ist. Das (den Kaiser auf dem Gebiete des Heerwesens be¬ schränkende) Neichsinilitärgesetz findet auf die Marine keine Anwendung."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/574>, abgerufen am 08.05.2024.