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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Das Grabdenkmal des Konturs

enden der spanische Ordensgeistliche Fray Gabriel Tellez unter
dem Namen eines Tirso de Molina in der Mitte des siebzehnten
Jahrhunderts die Statue des Konturs Don Goncalo de Ulloa
und dessen Mörder Don Juan Tenorio auf die Bühne gebracht
!hat, sind die Forscher vergeblich bemüht gewesen, sich und uns
darüber Gewißheit zu verschaffen, ob Kontur und Caballero fix und fertig
dem fruchtbaren Hirn des überaus begabten Dichters entsprungen sind, wie
einst Pallas Athme dem Haupte des Olympiers, oder ob sich Tatsachen oder
Legenden vorfinden, denen der geistreiche Mann den Stoff seiner Oomsäis,
ganz oder teilweise entnommen haben könnte. Wie der Wissensdrang die
Geographen nicht eher ruhen läßt, bis sie die verborgensten Quellen eines
Flusses ausfindig gemacht haben, so liegt dem Literarhistoriker daran, sich vom
Ursprung einer wie ein fruchtbares Samenkorn auf das literarische Feld ge-
fallnen Idee ein möglichst wahrheitsgetreues Bild machen zu können.

Wenn nicht in allerneuster Zeit auf diesem Gebiet Entdeckungen gemacht
worden sind, deren Kunde nicht bis zum Schreiber dieser Zeilen gedrungen
ist, so ist das, was man -- außer durch die mit Don Juan Tenorio seit dem
Erscheinen des Bnrlador de Sevilla immer lebhaft beschäftigt gewesne Fiktion --
von diesem schönen, aber gewissenlosen Lebemann weiß, nicht eben viel. Seit
man Sevilla den Mauren abgenommen hatte, war in dieser Perle von Kastilien
die Familie der Tenorio unter den ersten gewesen, und unter denen ihrer
Mitglieder, die städtische und staatliche Ämter bekleidet hatten, wird auch Don
Alonso Jufre Tenorio als Admiral genannt. Aber mit des Geschickes
Mächten ist kein ewiger Bund zu flechten, und schon von seiner Tochter Dona
Teresa hören wir, daß ihr die Familienresidenz, ein seinerzeit von den Mauren
erbauter Palast, der ihren Ahnen nach der Vertreibung der Erbauer von der
kastilischen Krone geschenkt worden war, durch Peter den Ersten im Wege
der Konfiskation entzogen wurde, weil sie ihre Zunge nicht in der Gewalt
gehabt und sich ungebührlich über den Monarchen geäußert hatte, voraus lmvlü
uni äst 8-zrwr Ks^. Der Palast wurde von dem Fürsten der Brüderschaft
des heiligen Leander geschenkt, die ihn in ein noch heutigentags in Sevilla
bestehendes Kloster umwandelte. Wenn man dem Professor Don Joaauin
Hcizcmas y la Rua, der im Jahre 1893 in Sevilln bei Jzauierdo y C" eine
Monographie unter dem Titel: K6ne8i8 äösku-rollo as I^s^suäa
von ssuan Isvorio veröffentlicht hat, glauben darf, so enthalten weder die
lokalen, noch die Laudeschronikeu, noch auch eine eingehende genealogische
Studie des D. M. T. Cordero de Scmtoyo M vsräaäsro von -innen?suoiic>


Grenzboten II. 1S0S 76


Das Grabdenkmal des Konturs

enden der spanische Ordensgeistliche Fray Gabriel Tellez unter
dem Namen eines Tirso de Molina in der Mitte des siebzehnten
Jahrhunderts die Statue des Konturs Don Goncalo de Ulloa
und dessen Mörder Don Juan Tenorio auf die Bühne gebracht
!hat, sind die Forscher vergeblich bemüht gewesen, sich und uns
darüber Gewißheit zu verschaffen, ob Kontur und Caballero fix und fertig
dem fruchtbaren Hirn des überaus begabten Dichters entsprungen sind, wie
einst Pallas Athme dem Haupte des Olympiers, oder ob sich Tatsachen oder
Legenden vorfinden, denen der geistreiche Mann den Stoff seiner Oomsäis,
ganz oder teilweise entnommen haben könnte. Wie der Wissensdrang die
Geographen nicht eher ruhen läßt, bis sie die verborgensten Quellen eines
Flusses ausfindig gemacht haben, so liegt dem Literarhistoriker daran, sich vom
Ursprung einer wie ein fruchtbares Samenkorn auf das literarische Feld ge-
fallnen Idee ein möglichst wahrheitsgetreues Bild machen zu können.

Wenn nicht in allerneuster Zeit auf diesem Gebiet Entdeckungen gemacht
worden sind, deren Kunde nicht bis zum Schreiber dieser Zeilen gedrungen
ist, so ist das, was man — außer durch die mit Don Juan Tenorio seit dem
Erscheinen des Bnrlador de Sevilla immer lebhaft beschäftigt gewesne Fiktion —
von diesem schönen, aber gewissenlosen Lebemann weiß, nicht eben viel. Seit
man Sevilla den Mauren abgenommen hatte, war in dieser Perle von Kastilien
die Familie der Tenorio unter den ersten gewesen, und unter denen ihrer
Mitglieder, die städtische und staatliche Ämter bekleidet hatten, wird auch Don
Alonso Jufre Tenorio als Admiral genannt. Aber mit des Geschickes
Mächten ist kein ewiger Bund zu flechten, und schon von seiner Tochter Dona
Teresa hören wir, daß ihr die Familienresidenz, ein seinerzeit von den Mauren
erbauter Palast, der ihren Ahnen nach der Vertreibung der Erbauer von der
kastilischen Krone geschenkt worden war, durch Peter den Ersten im Wege
der Konfiskation entzogen wurde, weil sie ihre Zunge nicht in der Gewalt
gehabt und sich ungebührlich über den Monarchen geäußert hatte, voraus lmvlü
uni äst 8-zrwr Ks^. Der Palast wurde von dem Fürsten der Brüderschaft
des heiligen Leander geschenkt, die ihn in ein noch heutigentags in Sevilla
bestehendes Kloster umwandelte. Wenn man dem Professor Don Joaauin
Hcizcmas y la Rua, der im Jahre 1893 in Sevilln bei Jzauierdo y C" eine
Monographie unter dem Titel: K6ne8i8 äösku-rollo as I^s^suäa
von ssuan Isvorio veröffentlicht hat, glauben darf, so enthalten weder die
lokalen, noch die Laudeschronikeu, noch auch eine eingehende genealogische
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Grenzboten II. 1S0S 76
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/601>, abgerufen am 07.05.2024.