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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

aus der Mandschurei verdrängt haben, um diese einfach an China zurückzugeben.
Eine solche Absicht würde, wenn sie bestünde, in Japan selbst einem starken
Widerspruch des Volkes begegnen. Japan hat sich einen Platz in der Reihe der
Großmächte erobert, es wird und kann als solche nicht Inselreich bleiben wollen.
Aber indem es auf den asiatischen Kontinent hinübergeht und sein eignes Volks-
tum stark mit dem chinesischen mischt, schwächt es die Quellen der Kraft und der
Tugenden, aus denen es so unerhörte Erfolge geschöpft hat, und es gibt zugleich
seine bisherige Unverwundbarkeit preis, ebenso wie Indien Englands verwund¬
barste Stelle ist.

Ein Vierteljahrhundert lang nach dem Frankfurter Frieden lagen die Schwer¬
punkte aller großen Politischen Fragen auf der Balkanhalbinsel und zwischen Metz
und Paris. Seitdem haben der japanisch-chinesische, der spanisch-amerikanische und
der russisch-japanische Krieg ein völlig neues Welttheater erschlossen, auf dem völlig
neue, zum Teil ganz unberechenbare Kräfte agieren. Neben den Kriegsheeren sind
die Flotten in den Vordergrund getreten, mit ihnen die überwältigenden Kräfte der
modernen Technik. Für den Krieg wie für die Friedensarbeit sind neue Bedingungen
des Sieges und des Erfolges geschaffen worden. Aber je vervollkommneter die
Kampfmittel sind, die die Technik für die Kriegs- wie für die Friedensarbeit liefert,
desto höher wächst zugleich der Anspruch an die moralischen Qualitäten der Heere
wie der Völker. Für die Zerstörung wie für die Produktion und die Überwindung
der Entfernungen hat die Technik uns Hilfsmittel geschaffen, die an das Wunder¬
bare grenzen, aber Sieg und Erfolg werden um so mehr in Krieg und Frieden nur
bei den höchsten moralischen Eigenschaften, der vollkommensten Schulung und der
unerschütterlichsten Pflichttreue sein. Heute wie bei Leuthen und bei Roßbach. Pflegen
wir in allem, was auch die Zeit von uns verlangen mag, diese alten erprobten
Grundlagen unsers Staatswesens -- und der Reichsbau wird aus allen Wettern,
die seiner harren mögen, fest und unversehrt hervorgehen. Seine Zukunft liegt in
dem einen Worte beschlossen: die Pflicht.







Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Karl Marquart in Leipzig






Maßgebliches und Unmaßgebliches

aus der Mandschurei verdrängt haben, um diese einfach an China zurückzugeben.
Eine solche Absicht würde, wenn sie bestünde, in Japan selbst einem starken
Widerspruch des Volkes begegnen. Japan hat sich einen Platz in der Reihe der
Großmächte erobert, es wird und kann als solche nicht Inselreich bleiben wollen.
Aber indem es auf den asiatischen Kontinent hinübergeht und sein eignes Volks-
tum stark mit dem chinesischen mischt, schwächt es die Quellen der Kraft und der
Tugenden, aus denen es so unerhörte Erfolge geschöpft hat, und es gibt zugleich
seine bisherige Unverwundbarkeit preis, ebenso wie Indien Englands verwund¬
barste Stelle ist.

Ein Vierteljahrhundert lang nach dem Frankfurter Frieden lagen die Schwer¬
punkte aller großen Politischen Fragen auf der Balkanhalbinsel und zwischen Metz
und Paris. Seitdem haben der japanisch-chinesische, der spanisch-amerikanische und
der russisch-japanische Krieg ein völlig neues Welttheater erschlossen, auf dem völlig
neue, zum Teil ganz unberechenbare Kräfte agieren. Neben den Kriegsheeren sind
die Flotten in den Vordergrund getreten, mit ihnen die überwältigenden Kräfte der
modernen Technik. Für den Krieg wie für die Friedensarbeit sind neue Bedingungen
des Sieges und des Erfolges geschaffen worden. Aber je vervollkommneter die
Kampfmittel sind, die die Technik für die Kriegs- wie für die Friedensarbeit liefert,
desto höher wächst zugleich der Anspruch an die moralischen Qualitäten der Heere
wie der Völker. Für die Zerstörung wie für die Produktion und die Überwindung
der Entfernungen hat die Technik uns Hilfsmittel geschaffen, die an das Wunder¬
bare grenzen, aber Sieg und Erfolg werden um so mehr in Krieg und Frieden nur
bei den höchsten moralischen Eigenschaften, der vollkommensten Schulung und der
unerschütterlichsten Pflichttreue sein. Heute wie bei Leuthen und bei Roßbach. Pflegen
wir in allem, was auch die Zeit von uns verlangen mag, diese alten erprobten
Grundlagen unsers Staatswesens — und der Reichsbau wird aus allen Wettern,
die seiner harren mögen, fest und unversehrt hervorgehen. Seine Zukunft liegt in
dem einen Worte beschlossen: die Pflicht.







Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig






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[0692] Maßgebliches und Unmaßgebliches aus der Mandschurei verdrängt haben, um diese einfach an China zurückzugeben. Eine solche Absicht würde, wenn sie bestünde, in Japan selbst einem starken Widerspruch des Volkes begegnen. Japan hat sich einen Platz in der Reihe der Großmächte erobert, es wird und kann als solche nicht Inselreich bleiben wollen. Aber indem es auf den asiatischen Kontinent hinübergeht und sein eignes Volks- tum stark mit dem chinesischen mischt, schwächt es die Quellen der Kraft und der Tugenden, aus denen es so unerhörte Erfolge geschöpft hat, und es gibt zugleich seine bisherige Unverwundbarkeit preis, ebenso wie Indien Englands verwund¬ barste Stelle ist. Ein Vierteljahrhundert lang nach dem Frankfurter Frieden lagen die Schwer¬ punkte aller großen Politischen Fragen auf der Balkanhalbinsel und zwischen Metz und Paris. Seitdem haben der japanisch-chinesische, der spanisch-amerikanische und der russisch-japanische Krieg ein völlig neues Welttheater erschlossen, auf dem völlig neue, zum Teil ganz unberechenbare Kräfte agieren. Neben den Kriegsheeren sind die Flotten in den Vordergrund getreten, mit ihnen die überwältigenden Kräfte der modernen Technik. Für den Krieg wie für die Friedensarbeit sind neue Bedingungen des Sieges und des Erfolges geschaffen worden. Aber je vervollkommneter die Kampfmittel sind, die die Technik für die Kriegs- wie für die Friedensarbeit liefert, desto höher wächst zugleich der Anspruch an die moralischen Qualitäten der Heere wie der Völker. Für die Zerstörung wie für die Produktion und die Überwindung der Entfernungen hat die Technik uns Hilfsmittel geschaffen, die an das Wunder¬ bare grenzen, aber Sieg und Erfolg werden um so mehr in Krieg und Frieden nur bei den höchsten moralischen Eigenschaften, der vollkommensten Schulung und der unerschütterlichsten Pflichttreue sein. Heute wie bei Leuthen und bei Roßbach. Pflegen wir in allem, was auch die Zeit von uns verlangen mag, diese alten erprobten Grundlagen unsers Staatswesens — und der Reichsbau wird aus allen Wettern, die seiner harren mögen, fest und unversehrt hervorgehen. Seine Zukunft liegt in dem einen Worte beschlossen: die Pflicht. Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/692>, abgerufen am 07.05.2024.