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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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em italienischer Franziskaner erhalten, ebenso ist der Nachfolger des Franzosen
Duval in Beirut ein Italiener,

Wenn wir uns die Bilanz der französischen auswärtigen Politik betrachten,
werden wir immerhin zu dem Schlußergebnis kommen, daß die Republik zufrieden
Mu kann mit dem Erreichten. Man ist in Paris nüchterner geworden, als
man es noch vor vierzig Jahren war, und Tollheiten, wie die mexikanische
Expedition, sind bei Herrn Delcasse nicht zu befürchte". Die Aussichten auf
eine Weltherrschaft nach Art der Ludwigs des Vierzehnten und Napoleons
sind auf immer zerstört, aber auch andre Nationen dürfen sich nicht mehr den
Luxus einer imperialistischen Politik im römischen Sinne erlauben. Es wird
den Franzosen schwer, sich in der Familie der Völker nur als gleichberechtigt
und nicht als bevorzugt anzusehen. Aber sie werben es lernen müssen; sie
haben viel gelernt im Laufe der letzten Jahrzehnte. Vielleicht lernen sie auch
"och, daß sich ein Volk, das vorwärts kommen will, nicht von der fixen Idee
einer Nachsucht beherrschen lassen darf, zu der weder eine moralische Ver¬
anlassung vorliegt noch ein praktisches Lebensbedürfnis der Nation. In Wahr¬
heit hat man Elsaß-Lothringen jetzt schon verschmerzt -- man darf das freilich
nicht gestehn --, und nur der gekränkte Stolz, vielleicht sogar nur Eitelkeit und
Hochmut können über die Erinnerung an das Jahr 1870/71 und an das selbst¬
verschuldete Unglück nicht hinweg. Wir wollen dem berechtigten Patriotismus
der Franzosen nicht zu nahe treten, aber eine Gesundung ist für diese Rasse
nur möglich, wenn sie sich bescheiden lernt; keine Allianz mit Rußland, Eng¬
land, Italien oder sonst wem wird Frankreich so fördern, wie ein Ausgleich
mit Deuschland es könnte. Leider fürchten wir, daß es noch herber Erfahrungen
bedürfen wird, ehe man diese Wahrheit in Paris einsieht. Für uns wäre es
ein Fehler, uns in diesen Erziehnugsprvzeß einzumischen: wir können warten.


Franz wngk


Überseeische Telegraphenverbindungen

as Jahr 1866 bezeichnet einen wichtigen Abschnitt in der Ge¬
schichte des internationalen Telegraphenverkehrs: mit der glück¬
lichen Legung des ersten Kabels zwischen Irland und Neufundland
war die praktische Möglichkeit langer unterseeischer Verbindungen
erwiesen worden, und in rascher Aufeinanderfolge begann nun
der Ausbau der wichtigste" Routen nach Indien, Ostasien und Australien, nach
Mittel- und Südamerika, bis endlich mit der Einkreisung Afrikas (1879 bis
1889) diese erste große Bauperiode ihren vorläufigen Abschluß fand. Der
Natur der Sache uach war es vorwiegend englisches Kapital, das die Her¬
stellung dieser Linien übernahm, und nur vereinzelt waren fremdländische Ge¬
sellschaften daran beteiligt: so wurde ein Teil der transatlantischen Kabel mit
amerikanischem und mit französischen? Gelde gebaut, während im fernen Osten


Grenzboten II 1905 II

em italienischer Franziskaner erhalten, ebenso ist der Nachfolger des Franzosen
Duval in Beirut ein Italiener,

Wenn wir uns die Bilanz der französischen auswärtigen Politik betrachten,
werden wir immerhin zu dem Schlußergebnis kommen, daß die Republik zufrieden
Mu kann mit dem Erreichten. Man ist in Paris nüchterner geworden, als
man es noch vor vierzig Jahren war, und Tollheiten, wie die mexikanische
Expedition, sind bei Herrn Delcasse nicht zu befürchte». Die Aussichten auf
eine Weltherrschaft nach Art der Ludwigs des Vierzehnten und Napoleons
sind auf immer zerstört, aber auch andre Nationen dürfen sich nicht mehr den
Luxus einer imperialistischen Politik im römischen Sinne erlauben. Es wird
den Franzosen schwer, sich in der Familie der Völker nur als gleichberechtigt
und nicht als bevorzugt anzusehen. Aber sie werben es lernen müssen; sie
haben viel gelernt im Laufe der letzten Jahrzehnte. Vielleicht lernen sie auch
»och, daß sich ein Volk, das vorwärts kommen will, nicht von der fixen Idee
einer Nachsucht beherrschen lassen darf, zu der weder eine moralische Ver¬
anlassung vorliegt noch ein praktisches Lebensbedürfnis der Nation. In Wahr¬
heit hat man Elsaß-Lothringen jetzt schon verschmerzt — man darf das freilich
nicht gestehn —, und nur der gekränkte Stolz, vielleicht sogar nur Eitelkeit und
Hochmut können über die Erinnerung an das Jahr 1870/71 und an das selbst¬
verschuldete Unglück nicht hinweg. Wir wollen dem berechtigten Patriotismus
der Franzosen nicht zu nahe treten, aber eine Gesundung ist für diese Rasse
nur möglich, wenn sie sich bescheiden lernt; keine Allianz mit Rußland, Eng¬
land, Italien oder sonst wem wird Frankreich so fördern, wie ein Ausgleich
mit Deuschland es könnte. Leider fürchten wir, daß es noch herber Erfahrungen
bedürfen wird, ehe man diese Wahrheit in Paris einsieht. Für uns wäre es
ein Fehler, uns in diesen Erziehnugsprvzeß einzumischen: wir können warten.


Franz wngk


Überseeische Telegraphenverbindungen

as Jahr 1866 bezeichnet einen wichtigen Abschnitt in der Ge¬
schichte des internationalen Telegraphenverkehrs: mit der glück¬
lichen Legung des ersten Kabels zwischen Irland und Neufundland
war die praktische Möglichkeit langer unterseeischer Verbindungen
erwiesen worden, und in rascher Aufeinanderfolge begann nun
der Ausbau der wichtigste« Routen nach Indien, Ostasien und Australien, nach
Mittel- und Südamerika, bis endlich mit der Einkreisung Afrikas (1879 bis
1889) diese erste große Bauperiode ihren vorläufigen Abschluß fand. Der
Natur der Sache uach war es vorwiegend englisches Kapital, das die Her¬
stellung dieser Linien übernahm, und nur vereinzelt waren fremdländische Ge¬
sellschaften daran beteiligt: so wurde ein Teil der transatlantischen Kabel mit
amerikanischem und mit französischen? Gelde gebaut, während im fernen Osten


Grenzboten II 1905 II
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/85>, abgerufen am 07.05.2024.