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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Die Reaktion der farbigen Rassen

IW^!wei große Katastrophen hat der ostasiatische Krieg in diesen
ersten Monaten des Jahres gebracht, die Kapitulation des un-
bezwinglich scheinenden Port Arthur am 2. Januar und die
! russische Niederlage in der Riesenschlacht bei Mulden zu Anfang
März, die nicht nur mit dem Rückzüge, sondern auch, wie es
scheint, mit der Auflösung eines guten Teiles des russischen Heeres geendet
hat. Wie Rußland diese furchtbaren schlüge überwinden und den Sieg über
Japan noch erringen soll, ist uicht recht abzusehen. Kenner Rußlands ver¬
sicher", es habe über acht Millionen ausgebildeter Soldaten, und sein Gold¬
schatz sei noch ganz unberührt, es habe bis jetzt den Krieg mit Anleihen, also
mit fremdem Gelde geführt; es könne also unter allen Unistünden länger
aushalten als Japan. Das mag theoretisch richtig sein, und daß Nußland
uicht verzweifelt, das zeigt der Beschluß, bei Jrkutsk eine ganz neue Armee
für Ostasien zu bilden. Daß das geschieht, und daß diese Armee in der
Mandschurei erscheinen wird, ist nicht zweifelhaft; aber seine gesamte Kriegs¬
macht kann doch Nußland nicht dahin werfen, auch wenn es die immer noch
unklare innere Lage erlauben sollte. Dazu wird es den ungeheuern Unterschied
in der Beförderungszeit, der es gegenüber den Japanern in Nachteil bringt,
niemals ausgleichen, denn ein russisches Bataillon braucht von Moskau bis
Mukden dreißig, ein japanisches von Tokio aus nur sechs Tage, und sollten
auch die Russen trotzdem wirklich noch mit erdrückender Übermacht auftreten
können, so wäre ihnen doch damit allein der Sieg noch nicht verbürgt, denn
nicht die Überzahl, sondern ihre Führung hat bis dahin den Japanern das
Übergewicht gegeben. Dazu kommt, daß Lcmdsicge diesen Krieg nicht ent¬
scheiden können. Sie können die Japaner aus der Mandschurei verdrängen,
aber uicht aus Port Arthur und aus Korea, solange die japanische Flotte die
Seeherrschaft behauptet, und wie die Russen ihnen diese noch entreißen sollen,
das ist nach ihren bisherigen Leistungen nicht einzusehen. Kurz, die Welt
wird wohl damit rechnen müssen, daß der Sieg den Japanern bleibt, daß
zum erstenmal eine europäische Großmacht einer asiatischen unterliegt oder sie
wenigstens nicht zu besiegen vermag.


Grenzboten II 1905 1


Die Reaktion der farbigen Rassen

IW^!wei große Katastrophen hat der ostasiatische Krieg in diesen
ersten Monaten des Jahres gebracht, die Kapitulation des un-
bezwinglich scheinenden Port Arthur am 2. Januar und die
! russische Niederlage in der Riesenschlacht bei Mulden zu Anfang
März, die nicht nur mit dem Rückzüge, sondern auch, wie es
scheint, mit der Auflösung eines guten Teiles des russischen Heeres geendet
hat. Wie Rußland diese furchtbaren schlüge überwinden und den Sieg über
Japan noch erringen soll, ist uicht recht abzusehen. Kenner Rußlands ver¬
sicher», es habe über acht Millionen ausgebildeter Soldaten, und sein Gold¬
schatz sei noch ganz unberührt, es habe bis jetzt den Krieg mit Anleihen, also
mit fremdem Gelde geführt; es könne also unter allen Unistünden länger
aushalten als Japan. Das mag theoretisch richtig sein, und daß Nußland
uicht verzweifelt, das zeigt der Beschluß, bei Jrkutsk eine ganz neue Armee
für Ostasien zu bilden. Daß das geschieht, und daß diese Armee in der
Mandschurei erscheinen wird, ist nicht zweifelhaft; aber seine gesamte Kriegs¬
macht kann doch Nußland nicht dahin werfen, auch wenn es die immer noch
unklare innere Lage erlauben sollte. Dazu wird es den ungeheuern Unterschied
in der Beförderungszeit, der es gegenüber den Japanern in Nachteil bringt,
niemals ausgleichen, denn ein russisches Bataillon braucht von Moskau bis
Mukden dreißig, ein japanisches von Tokio aus nur sechs Tage, und sollten
auch die Russen trotzdem wirklich noch mit erdrückender Übermacht auftreten
können, so wäre ihnen doch damit allein der Sieg noch nicht verbürgt, denn
nicht die Überzahl, sondern ihre Führung hat bis dahin den Japanern das
Übergewicht gegeben. Dazu kommt, daß Lcmdsicge diesen Krieg nicht ent¬
scheiden können. Sie können die Japaner aus der Mandschurei verdrängen,
aber uicht aus Port Arthur und aus Korea, solange die japanische Flotte die
Seeherrschaft behauptet, und wie die Russen ihnen diese noch entreißen sollen,
das ist nach ihren bisherigen Leistungen nicht einzusehen. Kurz, die Welt
wird wohl damit rechnen müssen, daß der Sieg den Japanern bleibt, daß
zum erstenmal eine europäische Großmacht einer asiatischen unterliegt oder sie
wenigstens nicht zu besiegen vermag.


Grenzboten II 1905 1
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[0009] [Abbildung] Die Reaktion der farbigen Rassen IW^!wei große Katastrophen hat der ostasiatische Krieg in diesen ersten Monaten des Jahres gebracht, die Kapitulation des un- bezwinglich scheinenden Port Arthur am 2. Januar und die ! russische Niederlage in der Riesenschlacht bei Mulden zu Anfang März, die nicht nur mit dem Rückzüge, sondern auch, wie es scheint, mit der Auflösung eines guten Teiles des russischen Heeres geendet hat. Wie Rußland diese furchtbaren schlüge überwinden und den Sieg über Japan noch erringen soll, ist uicht recht abzusehen. Kenner Rußlands ver¬ sicher», es habe über acht Millionen ausgebildeter Soldaten, und sein Gold¬ schatz sei noch ganz unberührt, es habe bis jetzt den Krieg mit Anleihen, also mit fremdem Gelde geführt; es könne also unter allen Unistünden länger aushalten als Japan. Das mag theoretisch richtig sein, und daß Nußland uicht verzweifelt, das zeigt der Beschluß, bei Jrkutsk eine ganz neue Armee für Ostasien zu bilden. Daß das geschieht, und daß diese Armee in der Mandschurei erscheinen wird, ist nicht zweifelhaft; aber seine gesamte Kriegs¬ macht kann doch Nußland nicht dahin werfen, auch wenn es die immer noch unklare innere Lage erlauben sollte. Dazu wird es den ungeheuern Unterschied in der Beförderungszeit, der es gegenüber den Japanern in Nachteil bringt, niemals ausgleichen, denn ein russisches Bataillon braucht von Moskau bis Mukden dreißig, ein japanisches von Tokio aus nur sechs Tage, und sollten auch die Russen trotzdem wirklich noch mit erdrückender Übermacht auftreten können, so wäre ihnen doch damit allein der Sieg noch nicht verbürgt, denn nicht die Überzahl, sondern ihre Führung hat bis dahin den Japanern das Übergewicht gegeben. Dazu kommt, daß Lcmdsicge diesen Krieg nicht ent¬ scheiden können. Sie können die Japaner aus der Mandschurei verdrängen, aber uicht aus Port Arthur und aus Korea, solange die japanische Flotte die Seeherrschaft behauptet, und wie die Russen ihnen diese noch entreißen sollen, das ist nach ihren bisherigen Leistungen nicht einzusehen. Kurz, die Welt wird wohl damit rechnen müssen, daß der Sieg den Japanern bleibt, daß zum erstenmal eine europäische Großmacht einer asiatischen unterliegt oder sie wenigstens nicht zu besiegen vermag. Grenzboten II 1905 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/9>, abgerufen am 08.05.2024.