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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Der deutsche Ärztetag und die Akademien für praktische Medizin

die ein gutes Gewissen hat, die Geldmittel auch zu finden wissen -- gegen
den Willen der Volksvertretung.

Die Hauptsache ist, daß wir uns in der Öffentlichkeit mehr Zügel an¬
legen und uns mit Würde und Ruhe einer größern Zurückhaltung befleißigen.
Ich möchte deshalb aufrichtig wünschen, daß es auch bei uns -- und zwar
nicht erst in Kriegszeiten, sondern schon jetzt, noch ehe es zu spät ist --
zwischen der Regierung und der Presse zu einer ähnlichen aber allgemeinern
Verständigung käme, wie sie in England zwischen Regierung und Presse für
einen besondern Fall geplant wird. Bei dieser Verständigung müssen in richtiger
Würdigung der außerordentlichen Schwierigkeit, die gerade bei uns die Leitung
der auswärtigen Politik dem Auslande gegenüber findet, die allgemeinen Grenz¬
linien festgelegt werden, innerhalb deren wichtige Fragen, die auf unsre
auswärtige Politik von entscheidenden Einfluß sein können, öffentlich be¬
s Georg hartmann prochen werden.




Der deutsche Ärztetag und die Akademien für praktische
Medizin

n den Verhandlungen des dreinnddreißigsten deutschen Ärztetages
in Straßburg i. E. nahm die Frage der Errichtung von Akademien
für praktische Medizin einen breiten Raum ein. Bei Eröffnung der
Versammlung machte der Vorsitzende auf Grund von Äußerungen,
die in der Generalversammlung des Zentralkomitees für das ärzt¬
liche Fortbildungswesen in Preußen von ministerieller Seite über die Akademien
getan waren, beruhigende Mitteilungen. Auch waren die Ausführungen des
Referenten, Sanitätsrath Dr. Hansberg, in versöhnlichem Sinne gehalten.
Trotzdem nahm die Diskussion über diese Frage einen etwas stürmischen Ver¬
lauf und endigte mit der Annahme einer Resolution, die auf die Verurteilung
der Akademien hinauslief.

Mit dieser Abstimmung ist, wie die Gegner der Akademien inzwischen
selbst eingesehen haben dürften, die Frage keineswegs entschieden. Schon in
seiner Schlußrede gab der Vorsitzende des Ärztetages seiner Meinung dahin
Ausdruck, die Annahme der Resolution mit der geringen Majorität von
10374 gegen 8750 Stimmen beweise, daß die Anschauungen der Ärzteschaft
über diese so wichtige Frage noch nicht geklärt seien und einer weitern Reifung
bedürften. Diese Majorität dürfte keineswegs der Meinung des Gros der
Ärzteschaft entsprechen. Sie war zweifellos rein zufällig und wohl haupt¬
sächlich unter der Wirkung der agitatorischen Rede des Reichstagsabgeordneten
Dr. Mugdcm zustande gekommen. Der Sieg, den Herr Mugdan bei dieser
Gelegenheit davongetragen hat, dürfte sich bald als Pyrrhussieg erweisen und
die Autorität des Herrn Mngdan in den Kreisen seiner Fachgenossen nicht
erhöhen.


Der deutsche Ärztetag und die Akademien für praktische Medizin

die ein gutes Gewissen hat, die Geldmittel auch zu finden wissen — gegen
den Willen der Volksvertretung.

Die Hauptsache ist, daß wir uns in der Öffentlichkeit mehr Zügel an¬
legen und uns mit Würde und Ruhe einer größern Zurückhaltung befleißigen.
Ich möchte deshalb aufrichtig wünschen, daß es auch bei uns — und zwar
nicht erst in Kriegszeiten, sondern schon jetzt, noch ehe es zu spät ist —
zwischen der Regierung und der Presse zu einer ähnlichen aber allgemeinern
Verständigung käme, wie sie in England zwischen Regierung und Presse für
einen besondern Fall geplant wird. Bei dieser Verständigung müssen in richtiger
Würdigung der außerordentlichen Schwierigkeit, die gerade bei uns die Leitung
der auswärtigen Politik dem Auslande gegenüber findet, die allgemeinen Grenz¬
linien festgelegt werden, innerhalb deren wichtige Fragen, die auf unsre
auswärtige Politik von entscheidenden Einfluß sein können, öffentlich be¬
s Georg hartmann prochen werden.




Der deutsche Ärztetag und die Akademien für praktische
Medizin

n den Verhandlungen des dreinnddreißigsten deutschen Ärztetages
in Straßburg i. E. nahm die Frage der Errichtung von Akademien
für praktische Medizin einen breiten Raum ein. Bei Eröffnung der
Versammlung machte der Vorsitzende auf Grund von Äußerungen,
die in der Generalversammlung des Zentralkomitees für das ärzt¬
liche Fortbildungswesen in Preußen von ministerieller Seite über die Akademien
getan waren, beruhigende Mitteilungen. Auch waren die Ausführungen des
Referenten, Sanitätsrath Dr. Hansberg, in versöhnlichem Sinne gehalten.
Trotzdem nahm die Diskussion über diese Frage einen etwas stürmischen Ver¬
lauf und endigte mit der Annahme einer Resolution, die auf die Verurteilung
der Akademien hinauslief.

Mit dieser Abstimmung ist, wie die Gegner der Akademien inzwischen
selbst eingesehen haben dürften, die Frage keineswegs entschieden. Schon in
seiner Schlußrede gab der Vorsitzende des Ärztetages seiner Meinung dahin
Ausdruck, die Annahme der Resolution mit der geringen Majorität von
10374 gegen 8750 Stimmen beweise, daß die Anschauungen der Ärzteschaft
über diese so wichtige Frage noch nicht geklärt seien und einer weitern Reifung
bedürften. Diese Majorität dürfte keineswegs der Meinung des Gros der
Ärzteschaft entsprechen. Sie war zweifellos rein zufällig und wohl haupt¬
sächlich unter der Wirkung der agitatorischen Rede des Reichstagsabgeordneten
Dr. Mugdcm zustande gekommen. Der Sieg, den Herr Mugdan bei dieser
Gelegenheit davongetragen hat, dürfte sich bald als Pyrrhussieg erweisen und
die Autorität des Herrn Mngdan in den Kreisen seiner Fachgenossen nicht
erhöhen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/582>, abgerufen am 02.05.2024.