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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Die handelspolitischen Beziehungen zwischen Deutschland u> d. vereinigten Staaten

Gesandten Peters besondre "Projekte" vorlegen lassen, aus denen sich zeigen
würde, wie der Kurfürst gegenwärtig Nußland Dienste zu erweisen hoffe.

Diese "Projekte," die Fürst Kurakin am 25. November (russischen Stils)
erhielt, bestanden im wesentlichen in folgendem: 1. Rußland und Hannover
wollen miteinander in Frieden und guter Freundschaft leben und sich durch
Rat und Tat zu gegenseitigem Vorteil unterstützen. 2. Demzufolge versprechen
beide Staaten einander alles mitzuteilen und gestatten ihren Gesandten, in und
außerhalb Deutschlands freundschaftlichen Verkehr und Schriftwechsel zu unter¬
halten. 3. Wenn solche Fälle eintreten, daß eine Macht von der andern be¬
waffnete Unterstützung wünscht, so treten die beiden Mächte darüber in besondre
Beratungen. 4. Da der Zar verspricht, die Schweden in ihren deutschen Be¬
sitzungen nicht zu beunruhigen und seine Bundesgenossen von einem Einfall in
diese Provinzen abzuhalten, damit dadurch keine Unruhen im Reich entstehn,
und die deutschen Streitkräfte vom Kriege mit Frankreich nicht abgezogen
werden, so 5. verspricht der Kurfürst auch seinerseits, nach Möglichkeit und
eifrigst dafür zu sorgen, daß die Verbündeten des Zaren, die Könige von Polen
und Dänemark, in ihren deutschen Provinzen nicht von Schweden angegriffen
werden. 6. Wenn endlich eine fremde Macht wegen des zwischen Hannover
und Rußland getroffnen Übereinkommens aus Neid oder Böswilligkeit in die
hannoverschen Lande einfallen oder sie ungerechtfertigt bedrängen sollte, so ver¬
spricht der Zar in diesem Falle "kräftige Hilfe zu erweisen."

Kurakin schickte diesen Entwurf sofort in Ziffernschrift an seinen Hof, und
zugleich teilte er am 3. Dezember dem Minister Bernsdorff seine Ansicht über
das Schriftstück mit und erklärte, daß er mit seinem Hof in Relation getreten
wäre. Kurakin wünschte die Punkte 4, 5 und 6 geändert und begründete dieses
Verlangen. Wie zu erwarten war, ging Hannover auf den Wunsch nicht ein,
und es begannen nun Verhandlungen, die sich fast neun Monate, bis Ende
Juli, bis zur Abreise Kurakius aus Hannover, hinzogen. Der Kurfürst war
einem Bündnis nicht abgeneigt, suchte aber möglichst vorteilhafte Bedingungen
für sich herauszuholen. ^Mfz ^g^




Die handelspolitischen Beziehungen zwischen Deutsch¬
land und den Vereinigten Staaten
v x. G. Brandt on

eit Jahren beklagt sich die deutsche Geschäftswelt über die Schürfe,
!mit der die Vereinigten Staaten ihr Schutzzollsystem ausbauen,
kund über einen Handelsvertrag zwischen Deutschland und der
! Union, der Deutschland alle Nachteile, der Union alle Vorteile
I zuweist. Man hat zwar geglaubt, daß wir in den Vereinigten
Staaten meistbegünstigt seien, wunderte sich aber doch darüber, daß diese Meist¬
begünstigung, die doch für andre Länder, die mit uns in einem Handelsvertrags-


Die handelspolitischen Beziehungen zwischen Deutschland u> d. vereinigten Staaten

Gesandten Peters besondre „Projekte" vorlegen lassen, aus denen sich zeigen
würde, wie der Kurfürst gegenwärtig Nußland Dienste zu erweisen hoffe.

Diese „Projekte," die Fürst Kurakin am 25. November (russischen Stils)
erhielt, bestanden im wesentlichen in folgendem: 1. Rußland und Hannover
wollen miteinander in Frieden und guter Freundschaft leben und sich durch
Rat und Tat zu gegenseitigem Vorteil unterstützen. 2. Demzufolge versprechen
beide Staaten einander alles mitzuteilen und gestatten ihren Gesandten, in und
außerhalb Deutschlands freundschaftlichen Verkehr und Schriftwechsel zu unter¬
halten. 3. Wenn solche Fälle eintreten, daß eine Macht von der andern be¬
waffnete Unterstützung wünscht, so treten die beiden Mächte darüber in besondre
Beratungen. 4. Da der Zar verspricht, die Schweden in ihren deutschen Be¬
sitzungen nicht zu beunruhigen und seine Bundesgenossen von einem Einfall in
diese Provinzen abzuhalten, damit dadurch keine Unruhen im Reich entstehn,
und die deutschen Streitkräfte vom Kriege mit Frankreich nicht abgezogen
werden, so 5. verspricht der Kurfürst auch seinerseits, nach Möglichkeit und
eifrigst dafür zu sorgen, daß die Verbündeten des Zaren, die Könige von Polen
und Dänemark, in ihren deutschen Provinzen nicht von Schweden angegriffen
werden. 6. Wenn endlich eine fremde Macht wegen des zwischen Hannover
und Rußland getroffnen Übereinkommens aus Neid oder Böswilligkeit in die
hannoverschen Lande einfallen oder sie ungerechtfertigt bedrängen sollte, so ver¬
spricht der Zar in diesem Falle „kräftige Hilfe zu erweisen."

Kurakin schickte diesen Entwurf sofort in Ziffernschrift an seinen Hof, und
zugleich teilte er am 3. Dezember dem Minister Bernsdorff seine Ansicht über
das Schriftstück mit und erklärte, daß er mit seinem Hof in Relation getreten
wäre. Kurakin wünschte die Punkte 4, 5 und 6 geändert und begründete dieses
Verlangen. Wie zu erwarten war, ging Hannover auf den Wunsch nicht ein,
und es begannen nun Verhandlungen, die sich fast neun Monate, bis Ende
Juli, bis zur Abreise Kurakius aus Hannover, hinzogen. Der Kurfürst war
einem Bündnis nicht abgeneigt, suchte aber möglichst vorteilhafte Bedingungen
für sich herauszuholen. ^Mfz ^g^




Die handelspolitischen Beziehungen zwischen Deutsch¬
land und den Vereinigten Staaten
v x. G. Brandt on

eit Jahren beklagt sich die deutsche Geschäftswelt über die Schürfe,
!mit der die Vereinigten Staaten ihr Schutzzollsystem ausbauen,
kund über einen Handelsvertrag zwischen Deutschland und der
! Union, der Deutschland alle Nachteile, der Union alle Vorteile
I zuweist. Man hat zwar geglaubt, daß wir in den Vereinigten
Staaten meistbegünstigt seien, wunderte sich aber doch darüber, daß diese Meist¬
begünstigung, die doch für andre Länder, die mit uns in einem Handelsvertrags-


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[0074] Die handelspolitischen Beziehungen zwischen Deutschland u> d. vereinigten Staaten Gesandten Peters besondre „Projekte" vorlegen lassen, aus denen sich zeigen würde, wie der Kurfürst gegenwärtig Nußland Dienste zu erweisen hoffe. Diese „Projekte," die Fürst Kurakin am 25. November (russischen Stils) erhielt, bestanden im wesentlichen in folgendem: 1. Rußland und Hannover wollen miteinander in Frieden und guter Freundschaft leben und sich durch Rat und Tat zu gegenseitigem Vorteil unterstützen. 2. Demzufolge versprechen beide Staaten einander alles mitzuteilen und gestatten ihren Gesandten, in und außerhalb Deutschlands freundschaftlichen Verkehr und Schriftwechsel zu unter¬ halten. 3. Wenn solche Fälle eintreten, daß eine Macht von der andern be¬ waffnete Unterstützung wünscht, so treten die beiden Mächte darüber in besondre Beratungen. 4. Da der Zar verspricht, die Schweden in ihren deutschen Be¬ sitzungen nicht zu beunruhigen und seine Bundesgenossen von einem Einfall in diese Provinzen abzuhalten, damit dadurch keine Unruhen im Reich entstehn, und die deutschen Streitkräfte vom Kriege mit Frankreich nicht abgezogen werden, so 5. verspricht der Kurfürst auch seinerseits, nach Möglichkeit und eifrigst dafür zu sorgen, daß die Verbündeten des Zaren, die Könige von Polen und Dänemark, in ihren deutschen Provinzen nicht von Schweden angegriffen werden. 6. Wenn endlich eine fremde Macht wegen des zwischen Hannover und Rußland getroffnen Übereinkommens aus Neid oder Böswilligkeit in die hannoverschen Lande einfallen oder sie ungerechtfertigt bedrängen sollte, so ver¬ spricht der Zar in diesem Falle „kräftige Hilfe zu erweisen." Kurakin schickte diesen Entwurf sofort in Ziffernschrift an seinen Hof, und zugleich teilte er am 3. Dezember dem Minister Bernsdorff seine Ansicht über das Schriftstück mit und erklärte, daß er mit seinem Hof in Relation getreten wäre. Kurakin wünschte die Punkte 4, 5 und 6 geändert und begründete dieses Verlangen. Wie zu erwarten war, ging Hannover auf den Wunsch nicht ein, und es begannen nun Verhandlungen, die sich fast neun Monate, bis Ende Juli, bis zur Abreise Kurakius aus Hannover, hinzogen. Der Kurfürst war einem Bündnis nicht abgeneigt, suchte aber möglichst vorteilhafte Bedingungen für sich herauszuholen. ^Mfz ^g^ Die handelspolitischen Beziehungen zwischen Deutsch¬ land und den Vereinigten Staaten v x. G. Brandt on eit Jahren beklagt sich die deutsche Geschäftswelt über die Schürfe, !mit der die Vereinigten Staaten ihr Schutzzollsystem ausbauen, kund über einen Handelsvertrag zwischen Deutschland und der ! Union, der Deutschland alle Nachteile, der Union alle Vorteile I zuweist. Man hat zwar geglaubt, daß wir in den Vereinigten Staaten meistbegünstigt seien, wunderte sich aber doch darüber, daß diese Meist¬ begünstigung, die doch für andre Länder, die mit uns in einem Handelsvertrags-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/74>, abgerufen am 02.05.2024.