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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr.

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(Schluß)

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^"T^TMjie außerordentlich klar und zuverlässig die zahlreichen Referate
die der Prinz in der Ersten Kammer den Verhandlungen
^1 der Kommissionen, deren Mitglied er nahezu ständig war, zu¬
grunde legte, ist vielfach rühmend anerkannt worden: auf das,
! was er als Militär leistete, wird weiterhin zu kommen sein, aber
auch für die Kunst war er unablässig besorgt und tütig, und der von ihm
zum Beispiel im Altertumsverein geführte Vorsitz war so wenig eine Sinekure,
daß nicht bloß seine Persönlichkeit, sondern auch seine Leistungen schmerzlich
vermißt wurden, als er infolge der Thronbesteigung den Vorsitz nicht länger
führen konnte.

La Molesse, diese Personifizierung des Müßigganges, die Boileau im
zweiten Gesänge des Lutrin ebenso treffend als komisch beschreibt, indem er von
den letzten Merowingern sagt:

mag sich am Hofe der königlichen Faulpelze lMs tÄnüg.Qt,s) breit gemacht
haben, im Palais auf der Langen Gasse war ihr kein Schlupfwinkel geblieben.
Im Gegensatz zu der köstlichen Schilderung, durch die der Satirist in den nächsten
Zeilen die Frühjahrspromenaden beschreibt, bei denen sich die Thierrys, Chlod¬
wige, Childcberts, Chilperiks und Childeriks ihrem Volke zeigten,

waren bei dem Prinzen und der Prinzessin das, was sie "faule Spazierfahrten"
nannten, und bei denen sie sich an schönen Frühjahrssonntagen gegen Abend
nur spazieren fahren ließen, ohne unterwegs auszusteigen und tüchtig zu
marschieren, große Seltenheiten, und der Prinz verfehlte nie von diesen Aus¬
wüchsen eines Sybaritismus, deu er als Licenz ansah, am andern Tage bei


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Zum Andenken
(Schluß)

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^»T^TMjie außerordentlich klar und zuverlässig die zahlreichen Referate
die der Prinz in der Ersten Kammer den Verhandlungen
^1 der Kommissionen, deren Mitglied er nahezu ständig war, zu¬
grunde legte, ist vielfach rühmend anerkannt worden: auf das,
! was er als Militär leistete, wird weiterhin zu kommen sein, aber
auch für die Kunst war er unablässig besorgt und tütig, und der von ihm
zum Beispiel im Altertumsverein geführte Vorsitz war so wenig eine Sinekure,
daß nicht bloß seine Persönlichkeit, sondern auch seine Leistungen schmerzlich
vermißt wurden, als er infolge der Thronbesteigung den Vorsitz nicht länger
führen konnte.

La Molesse, diese Personifizierung des Müßigganges, die Boileau im
zweiten Gesänge des Lutrin ebenso treffend als komisch beschreibt, indem er von
den letzten Merowingern sagt:

mag sich am Hofe der königlichen Faulpelze lMs tÄnüg.Qt,s) breit gemacht
haben, im Palais auf der Langen Gasse war ihr kein Schlupfwinkel geblieben.
Im Gegensatz zu der köstlichen Schilderung, durch die der Satirist in den nächsten
Zeilen die Frühjahrspromenaden beschreibt, bei denen sich die Thierrys, Chlod¬
wige, Childcberts, Chilperiks und Childeriks ihrem Volke zeigten,

waren bei dem Prinzen und der Prinzessin das, was sie „faule Spazierfahrten"
nannten, und bei denen sie sich an schönen Frühjahrssonntagen gegen Abend
nur spazieren fahren ließen, ohne unterwegs auszusteigen und tüchtig zu
marschieren, große Seltenheiten, und der Prinz verfehlte nie von diesen Aus¬
wüchsen eines Sybaritismus, deu er als Licenz ansah, am andern Tage bei


Grenzboten l 190S 69
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[0529] [Abbildung] Zum Andenken (Schluß) WS ^»T^TMjie außerordentlich klar und zuverlässig die zahlreichen Referate die der Prinz in der Ersten Kammer den Verhandlungen ^1 der Kommissionen, deren Mitglied er nahezu ständig war, zu¬ grunde legte, ist vielfach rühmend anerkannt worden: auf das, ! was er als Militär leistete, wird weiterhin zu kommen sein, aber auch für die Kunst war er unablässig besorgt und tütig, und der von ihm zum Beispiel im Altertumsverein geführte Vorsitz war so wenig eine Sinekure, daß nicht bloß seine Persönlichkeit, sondern auch seine Leistungen schmerzlich vermißt wurden, als er infolge der Thronbesteigung den Vorsitz nicht länger führen konnte. La Molesse, diese Personifizierung des Müßigganges, die Boileau im zweiten Gesänge des Lutrin ebenso treffend als komisch beschreibt, indem er von den letzten Merowingern sagt: mag sich am Hofe der königlichen Faulpelze lMs tÄnüg.Qt,s) breit gemacht haben, im Palais auf der Langen Gasse war ihr kein Schlupfwinkel geblieben. Im Gegensatz zu der köstlichen Schilderung, durch die der Satirist in den nächsten Zeilen die Frühjahrspromenaden beschreibt, bei denen sich die Thierrys, Chlod¬ wige, Childcberts, Chilperiks und Childeriks ihrem Volke zeigten, waren bei dem Prinzen und der Prinzessin das, was sie „faule Spazierfahrten" nannten, und bei denen sie sich an schönen Frühjahrssonntagen gegen Abend nur spazieren fahren ließen, ohne unterwegs auszusteigen und tüchtig zu marschieren, große Seltenheiten, und der Prinz verfehlte nie von diesen Aus¬ wüchsen eines Sybaritismus, deu er als Licenz ansah, am andern Tage bei Grenzboten l 190S 69

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_87477/529>, abgerufen am 03.05.2024.