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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr.

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Wißmann
(Schluß)

> auptmann Wißmann ging, nachdem er den für den Feldzug nötigen
Etat im Reichstage vertreten hatte, nach Ägypten, um dort die
nötigen Sudanesen zu werben. Seine damalige Antrittsbegrün¬
dungsrede als kaiserlicher Kommissar im Reichstag war so glänzend,
! daß sie ihm sofort die Sympathien aller Reichstagsmitglieder mit
Ausnahme einiger damals prinzipiell kolonialfeindlichcr verschaffte. Der große
Zcntrumsführer Windthorst war ganz von Wißmann begeistert und sagte: Dem
Wißmann bewilligen wir alles.

Die "Wißmanntruppe," wie sie genannt wurde, denn sie war nur Wi߬
mann verpflichtet hat gewissermaßen für alle unsre spätern Kolonialtruppen zum
Vorbilde gedient.

Der Rebellenführer Buschiri wurde gefangen und gehängt, der zweite
Rebellcnführer, Bwana Heri, wurde ebenfalls glänzend geschlagen, und in nicht
weniger als zwanzig größern und kleinern Gefechten, die jedesmal siegreich
für die Wißmanntruppe waren, wurde der sehr wohl vorbereitete Aufstand
glänzend niedergekämpft. Schon Mitte Mai 1890 war der Aufstand in allen
seinen Teilen niedergeworfen. Man kann wohl sagen, daß bis vor ganz kurzer
Zeit Ostafrika die ruhigste deutsche Kolonie geblieben war. An der Küste und
im Innern des Landes wurde Wißmann bald als der große Mann, der Bwana
Mkuba, gefürchtet und geachtet, gleichviel ob von Eingebornen oder von Arabern.
Man nannte ihn den Mann mit den zwanzig Hirnen, weil man in ihm die
Verkörperung der Macht, der Kraft und der Gerechtigkeit sah. Seine damaligen
größten Feinde, die vornehmen Araber, ehrten ihn ob seiner Freundlichkeit, Leut¬
seligkeit, Worttreue und Gerechtigkeit. Wo sie glaubten ihm eine Ehre erweisen
zu können, taten sie es, nicht aus Unterwürfigkeit, denn eine solche ist bei vor¬
nehmen Arabern unbekannt, sondern aus wirklicher Hochachtung für Wißmann.

Im Verkehr mit ihnen kannte Wißmann deren gesellschaftliches Zeremoniell
sehr genau und vergab sich nie etwas. Langsam, feierlich, gemessenen Schrittes
ging er Araberdeputationen entgegen, grüßte mit arabischem Gruß, wies jedem
nach seiner Würde und seinem Rang den rechten Platz in der Barciza an, ließ
erst Kaffee und Scherbet servieren, ferner Betel zum Kauen sowie für die nicht
ganz strenggläubigen Araber Zigaretten, und erst, wie es orientalische Taktik
will, nach einigen Erkundigungen über Gesundheit, Alter usw. (wobei die Frage
nach dem Harem, nach den Frauen, ausgeschlossen war) ging Wißmauu lang¬
sam, würdevoll und ernst auf das Thema über, auch dann, wenn er Besiegte
vor sich hatte. Das hat ihm bei allen Arabern, auch bei seinen größten Feinden,


Grenzboten I 1906 18


Wißmann
(Schluß)

> auptmann Wißmann ging, nachdem er den für den Feldzug nötigen
Etat im Reichstage vertreten hatte, nach Ägypten, um dort die
nötigen Sudanesen zu werben. Seine damalige Antrittsbegrün¬
dungsrede als kaiserlicher Kommissar im Reichstag war so glänzend,
! daß sie ihm sofort die Sympathien aller Reichstagsmitglieder mit
Ausnahme einiger damals prinzipiell kolonialfeindlichcr verschaffte. Der große
Zcntrumsführer Windthorst war ganz von Wißmann begeistert und sagte: Dem
Wißmann bewilligen wir alles.

Die „Wißmanntruppe," wie sie genannt wurde, denn sie war nur Wi߬
mann verpflichtet hat gewissermaßen für alle unsre spätern Kolonialtruppen zum
Vorbilde gedient.

Der Rebellenführer Buschiri wurde gefangen und gehängt, der zweite
Rebellcnführer, Bwana Heri, wurde ebenfalls glänzend geschlagen, und in nicht
weniger als zwanzig größern und kleinern Gefechten, die jedesmal siegreich
für die Wißmanntruppe waren, wurde der sehr wohl vorbereitete Aufstand
glänzend niedergekämpft. Schon Mitte Mai 1890 war der Aufstand in allen
seinen Teilen niedergeworfen. Man kann wohl sagen, daß bis vor ganz kurzer
Zeit Ostafrika die ruhigste deutsche Kolonie geblieben war. An der Küste und
im Innern des Landes wurde Wißmann bald als der große Mann, der Bwana
Mkuba, gefürchtet und geachtet, gleichviel ob von Eingebornen oder von Arabern.
Man nannte ihn den Mann mit den zwanzig Hirnen, weil man in ihm die
Verkörperung der Macht, der Kraft und der Gerechtigkeit sah. Seine damaligen
größten Feinde, die vornehmen Araber, ehrten ihn ob seiner Freundlichkeit, Leut¬
seligkeit, Worttreue und Gerechtigkeit. Wo sie glaubten ihm eine Ehre erweisen
zu können, taten sie es, nicht aus Unterwürfigkeit, denn eine solche ist bei vor¬
nehmen Arabern unbekannt, sondern aus wirklicher Hochachtung für Wißmann.

Im Verkehr mit ihnen kannte Wißmann deren gesellschaftliches Zeremoniell
sehr genau und vergab sich nie etwas. Langsam, feierlich, gemessenen Schrittes
ging er Araberdeputationen entgegen, grüßte mit arabischem Gruß, wies jedem
nach seiner Würde und seinem Rang den rechten Platz in der Barciza an, ließ
erst Kaffee und Scherbet servieren, ferner Betel zum Kauen sowie für die nicht
ganz strenggläubigen Araber Zigaretten, und erst, wie es orientalische Taktik
will, nach einigen Erkundigungen über Gesundheit, Alter usw. (wobei die Frage
nach dem Harem, nach den Frauen, ausgeschlossen war) ging Wißmauu lang¬
sam, würdevoll und ernst auf das Thema über, auch dann, wenn er Besiegte
vor sich hatte. Das hat ihm bei allen Arabern, auch bei seinen größten Feinden,


Grenzboten I 1906 18
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[0145] [Abbildung] Wißmann (Schluß) > auptmann Wißmann ging, nachdem er den für den Feldzug nötigen Etat im Reichstage vertreten hatte, nach Ägypten, um dort die nötigen Sudanesen zu werben. Seine damalige Antrittsbegrün¬ dungsrede als kaiserlicher Kommissar im Reichstag war so glänzend, ! daß sie ihm sofort die Sympathien aller Reichstagsmitglieder mit Ausnahme einiger damals prinzipiell kolonialfeindlichcr verschaffte. Der große Zcntrumsführer Windthorst war ganz von Wißmann begeistert und sagte: Dem Wißmann bewilligen wir alles. Die „Wißmanntruppe," wie sie genannt wurde, denn sie war nur Wi߬ mann verpflichtet hat gewissermaßen für alle unsre spätern Kolonialtruppen zum Vorbilde gedient. Der Rebellenführer Buschiri wurde gefangen und gehängt, der zweite Rebellcnführer, Bwana Heri, wurde ebenfalls glänzend geschlagen, und in nicht weniger als zwanzig größern und kleinern Gefechten, die jedesmal siegreich für die Wißmanntruppe waren, wurde der sehr wohl vorbereitete Aufstand glänzend niedergekämpft. Schon Mitte Mai 1890 war der Aufstand in allen seinen Teilen niedergeworfen. Man kann wohl sagen, daß bis vor ganz kurzer Zeit Ostafrika die ruhigste deutsche Kolonie geblieben war. An der Küste und im Innern des Landes wurde Wißmann bald als der große Mann, der Bwana Mkuba, gefürchtet und geachtet, gleichviel ob von Eingebornen oder von Arabern. Man nannte ihn den Mann mit den zwanzig Hirnen, weil man in ihm die Verkörperung der Macht, der Kraft und der Gerechtigkeit sah. Seine damaligen größten Feinde, die vornehmen Araber, ehrten ihn ob seiner Freundlichkeit, Leut¬ seligkeit, Worttreue und Gerechtigkeit. Wo sie glaubten ihm eine Ehre erweisen zu können, taten sie es, nicht aus Unterwürfigkeit, denn eine solche ist bei vor¬ nehmen Arabern unbekannt, sondern aus wirklicher Hochachtung für Wißmann. Im Verkehr mit ihnen kannte Wißmann deren gesellschaftliches Zeremoniell sehr genau und vergab sich nie etwas. Langsam, feierlich, gemessenen Schrittes ging er Araberdeputationen entgegen, grüßte mit arabischem Gruß, wies jedem nach seiner Würde und seinem Rang den rechten Platz in der Barciza an, ließ erst Kaffee und Scherbet servieren, ferner Betel zum Kauen sowie für die nicht ganz strenggläubigen Araber Zigaretten, und erst, wie es orientalische Taktik will, nach einigen Erkundigungen über Gesundheit, Alter usw. (wobei die Frage nach dem Harem, nach den Frauen, ausgeschlossen war) ging Wißmauu lang¬ sam, würdevoll und ernst auf das Thema über, auch dann, wenn er Besiegte vor sich hatte. Das hat ihm bei allen Arabern, auch bei seinen größten Feinden, Grenzboten I 1906 18

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_298274/145>, abgerufen am 08.05.2024.