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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Uninaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches

, (Der Reichskanzler und die Angriffe der badischen liberalen
Reichsspiegel

Presse. Die Dotationen von 1870. Die Marokkokonfercnz, Orden in Sicht. Das
jüngste Pamphlet über Elsaß-Lothringen.)

Dem Reichskanzler hat seine im preußischen Herrenhause ausgesprochne Warnung
vor Wahlbündnissen mit der Sozialdemokratie, im Sinne eines Zusammenhaltens
der bürgerlichen Parteien gegen diese, das sehr laute Mißfallen der Badischen
Landeszeitung -- wenn wir nicht irren: Organ des Herrn Bassermann -- ein¬
getragen. Auch badische Stimmen in andern Blättern haben zu verstehn ge¬
geben, daß die süddeutsche Sozialdemokratie tatsächlich viel anders sei als die
preußische, und daß Fürst Bülow, soweit die badischen Verhältnisse in Betracht
kommen, über das Ziel hinausgeschossen habe. So die Straßburger Post vom
31. Januar, die sich auch gegen seine Worte wandte: "Pöbelexzesse und Revolution
werden wir in Preußen, in Deutschland nicht dulden." Die Straßburger Post be¬
merkt dazu: "Fürst Bülow vergaß dabei Wohl, daß die Unterdrückung von Exzessen
Sache der Polizei, allenfalls des Einzelstaates ist." Nach der Einleitung des
Artikels, der sich über die angeblich am Sonntag zuvor in Straßburg getroffneu
militärischen Maßnahmen beschwert, scheint nnter dem "Einzelstaat" Elsaß-Lothringen
verstanden zu sein. Gewiß käme für Exzesse in Straßburg zunächst die Stra߬
burger Schutzmannschaft in Betracht, aber der "Einzelstaat" Elsaß-Lothringen hat
keine eignen Truppen, sondern das dortige Militär steht unter "königlich preußischen
Generalkommandos." Nicht der Reichskanzler erteilt militärische Befehle, sondern
der Kaiser durch den Kriegsminister. Für Straßburg gelten also genau die An¬
ordnungen, die für alle unter der preußischen Militärverwaltung stehenden Garni¬
sonen gelten. Übrigens war die Aufregung umsonst, es ist schon halbamtlich aus¬
gesprochen worden, daß dergleichen Anordnungen für den 28. Januar in Straßburg
gar nicht gegeben worden waren. Wenn der Reichskanzler im Herrenhause von
"wir" und "Deutschland" gesprochen hat, so hat er eben im Namen der verbündeten
Regierungen gesprochen, denn es ist selbstverständlich, daß -- zumal nach den Ham¬
burger Plünderungen -- das Verhalten der einzelnen deutschen Regierungen im
gegebnen Falle völlig übereinstimmen wird.

Von jenen abwehrenden Stimmen wird sodann festgestellt, daß in Bayern zwischen
dem Zentrum und der Sozialdemokratie, in Baden zwischen den Liberalen und der
Sozialdemokratie solche Wahlbündnisse abgeschlossen worden seien, und die badischen
Sozialdemokraten haben seitdem auch noch die Fortsetzung dieser Bündnispolitik an¬
gekündigt. Die badischen Liberalen erklären, daß sie sich schweren Herzens zu diesem
Bündnis entschlossen hätten, um das Land nicht der Reaktion, d. h. dem Zentrum,
auszuliefern, also derselben "Reaktion." mit der sich die Sozialdemokraten in
Bayern verbünden, um die dortigen Liberalen an die Wand zu drücken. Wenn
nun des weitern behauptet wird, daß die badischen Sozialdemokraten wesentlich
bessere Menschen seien als die preußischen (und die Hamburger? und die Sachsen?),
so werden sie aber doch wohl zweifelsohne den bayrischen ziemlich gleichwertig sein,
ebenso das bayrische Zentrum dem badischen. Für den beschränkten norddeutschen
Uutertauenverstand, dem die Badener selbstverständlich weit "über" sind, ist und
bleibt es unauffindbar, weshalb der bayrische Sozialdemokrat, der sich mit dem
Zentrum verbündet, ein andrer sein soll als der badische, der in den dortigen
Wahlkämpfen bei andrer Rollenverteilung mit Vergnügen den terrin3 xancisus
abgibt. Und was den herausfordernden Ton gegen Preußen anlangt, so liegt die
Antwort sehr nahe: hat denn der badische Liberalismus das Jahr 1849 in Baden
schon vergessen, dessen Schändlichkeiten er, freilich auch wie jetzt in bester Absicht
und Kurzsichtigkeit, nach Möglichkeit vorgearbeitet hatte? Er wurde damals kaum
sehend, als die Verführung der Truppen zu Verrat und Eidbruch schon im vollen
Gange war. Glaubt der badische Liberalismus, daß sich die badische Sozialdemo-


Maßgebliches und Uninaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches

, (Der Reichskanzler und die Angriffe der badischen liberalen
Reichsspiegel

Presse. Die Dotationen von 1870. Die Marokkokonfercnz, Orden in Sicht. Das
jüngste Pamphlet über Elsaß-Lothringen.)

Dem Reichskanzler hat seine im preußischen Herrenhause ausgesprochne Warnung
vor Wahlbündnissen mit der Sozialdemokratie, im Sinne eines Zusammenhaltens
der bürgerlichen Parteien gegen diese, das sehr laute Mißfallen der Badischen
Landeszeitung — wenn wir nicht irren: Organ des Herrn Bassermann — ein¬
getragen. Auch badische Stimmen in andern Blättern haben zu verstehn ge¬
geben, daß die süddeutsche Sozialdemokratie tatsächlich viel anders sei als die
preußische, und daß Fürst Bülow, soweit die badischen Verhältnisse in Betracht
kommen, über das Ziel hinausgeschossen habe. So die Straßburger Post vom
31. Januar, die sich auch gegen seine Worte wandte: „Pöbelexzesse und Revolution
werden wir in Preußen, in Deutschland nicht dulden." Die Straßburger Post be¬
merkt dazu: „Fürst Bülow vergaß dabei Wohl, daß die Unterdrückung von Exzessen
Sache der Polizei, allenfalls des Einzelstaates ist." Nach der Einleitung des
Artikels, der sich über die angeblich am Sonntag zuvor in Straßburg getroffneu
militärischen Maßnahmen beschwert, scheint nnter dem „Einzelstaat" Elsaß-Lothringen
verstanden zu sein. Gewiß käme für Exzesse in Straßburg zunächst die Stra߬
burger Schutzmannschaft in Betracht, aber der „Einzelstaat" Elsaß-Lothringen hat
keine eignen Truppen, sondern das dortige Militär steht unter „königlich preußischen
Generalkommandos." Nicht der Reichskanzler erteilt militärische Befehle, sondern
der Kaiser durch den Kriegsminister. Für Straßburg gelten also genau die An¬
ordnungen, die für alle unter der preußischen Militärverwaltung stehenden Garni¬
sonen gelten. Übrigens war die Aufregung umsonst, es ist schon halbamtlich aus¬
gesprochen worden, daß dergleichen Anordnungen für den 28. Januar in Straßburg
gar nicht gegeben worden waren. Wenn der Reichskanzler im Herrenhause von
„wir" und „Deutschland" gesprochen hat, so hat er eben im Namen der verbündeten
Regierungen gesprochen, denn es ist selbstverständlich, daß — zumal nach den Ham¬
burger Plünderungen — das Verhalten der einzelnen deutschen Regierungen im
gegebnen Falle völlig übereinstimmen wird.

Von jenen abwehrenden Stimmen wird sodann festgestellt, daß in Bayern zwischen
dem Zentrum und der Sozialdemokratie, in Baden zwischen den Liberalen und der
Sozialdemokratie solche Wahlbündnisse abgeschlossen worden seien, und die badischen
Sozialdemokraten haben seitdem auch noch die Fortsetzung dieser Bündnispolitik an¬
gekündigt. Die badischen Liberalen erklären, daß sie sich schweren Herzens zu diesem
Bündnis entschlossen hätten, um das Land nicht der Reaktion, d. h. dem Zentrum,
auszuliefern, also derselben „Reaktion." mit der sich die Sozialdemokraten in
Bayern verbünden, um die dortigen Liberalen an die Wand zu drücken. Wenn
nun des weitern behauptet wird, daß die badischen Sozialdemokraten wesentlich
bessere Menschen seien als die preußischen (und die Hamburger? und die Sachsen?),
so werden sie aber doch wohl zweifelsohne den bayrischen ziemlich gleichwertig sein,
ebenso das bayrische Zentrum dem badischen. Für den beschränkten norddeutschen
Uutertauenverstand, dem die Badener selbstverständlich weit „über" sind, ist und
bleibt es unauffindbar, weshalb der bayrische Sozialdemokrat, der sich mit dem
Zentrum verbündet, ein andrer sein soll als der badische, der in den dortigen
Wahlkämpfen bei andrer Rollenverteilung mit Vergnügen den terrin3 xancisus
abgibt. Und was den herausfordernden Ton gegen Preußen anlangt, so liegt die
Antwort sehr nahe: hat denn der badische Liberalismus das Jahr 1849 in Baden
schon vergessen, dessen Schändlichkeiten er, freilich auch wie jetzt in bester Absicht
und Kurzsichtigkeit, nach Möglichkeit vorgearbeitet hatte? Er wurde damals kaum
sehend, als die Verführung der Truppen zu Verrat und Eidbruch schon im vollen
Gange war. Glaubt der badische Liberalismus, daß sich die badische Sozialdemo-


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[0350] Maßgebliches und Uninaßgebliches Maßgebliches und Unmaßgebliches , (Der Reichskanzler und die Angriffe der badischen liberalen Reichsspiegel Presse. Die Dotationen von 1870. Die Marokkokonfercnz, Orden in Sicht. Das jüngste Pamphlet über Elsaß-Lothringen.) Dem Reichskanzler hat seine im preußischen Herrenhause ausgesprochne Warnung vor Wahlbündnissen mit der Sozialdemokratie, im Sinne eines Zusammenhaltens der bürgerlichen Parteien gegen diese, das sehr laute Mißfallen der Badischen Landeszeitung — wenn wir nicht irren: Organ des Herrn Bassermann — ein¬ getragen. Auch badische Stimmen in andern Blättern haben zu verstehn ge¬ geben, daß die süddeutsche Sozialdemokratie tatsächlich viel anders sei als die preußische, und daß Fürst Bülow, soweit die badischen Verhältnisse in Betracht kommen, über das Ziel hinausgeschossen habe. So die Straßburger Post vom 31. Januar, die sich auch gegen seine Worte wandte: „Pöbelexzesse und Revolution werden wir in Preußen, in Deutschland nicht dulden." Die Straßburger Post be¬ merkt dazu: „Fürst Bülow vergaß dabei Wohl, daß die Unterdrückung von Exzessen Sache der Polizei, allenfalls des Einzelstaates ist." Nach der Einleitung des Artikels, der sich über die angeblich am Sonntag zuvor in Straßburg getroffneu militärischen Maßnahmen beschwert, scheint nnter dem „Einzelstaat" Elsaß-Lothringen verstanden zu sein. Gewiß käme für Exzesse in Straßburg zunächst die Stra߬ burger Schutzmannschaft in Betracht, aber der „Einzelstaat" Elsaß-Lothringen hat keine eignen Truppen, sondern das dortige Militär steht unter „königlich preußischen Generalkommandos." Nicht der Reichskanzler erteilt militärische Befehle, sondern der Kaiser durch den Kriegsminister. Für Straßburg gelten also genau die An¬ ordnungen, die für alle unter der preußischen Militärverwaltung stehenden Garni¬ sonen gelten. Übrigens war die Aufregung umsonst, es ist schon halbamtlich aus¬ gesprochen worden, daß dergleichen Anordnungen für den 28. Januar in Straßburg gar nicht gegeben worden waren. Wenn der Reichskanzler im Herrenhause von „wir" und „Deutschland" gesprochen hat, so hat er eben im Namen der verbündeten Regierungen gesprochen, denn es ist selbstverständlich, daß — zumal nach den Ham¬ burger Plünderungen — das Verhalten der einzelnen deutschen Regierungen im gegebnen Falle völlig übereinstimmen wird. Von jenen abwehrenden Stimmen wird sodann festgestellt, daß in Bayern zwischen dem Zentrum und der Sozialdemokratie, in Baden zwischen den Liberalen und der Sozialdemokratie solche Wahlbündnisse abgeschlossen worden seien, und die badischen Sozialdemokraten haben seitdem auch noch die Fortsetzung dieser Bündnispolitik an¬ gekündigt. Die badischen Liberalen erklären, daß sie sich schweren Herzens zu diesem Bündnis entschlossen hätten, um das Land nicht der Reaktion, d. h. dem Zentrum, auszuliefern, also derselben „Reaktion." mit der sich die Sozialdemokraten in Bayern verbünden, um die dortigen Liberalen an die Wand zu drücken. Wenn nun des weitern behauptet wird, daß die badischen Sozialdemokraten wesentlich bessere Menschen seien als die preußischen (und die Hamburger? und die Sachsen?), so werden sie aber doch wohl zweifelsohne den bayrischen ziemlich gleichwertig sein, ebenso das bayrische Zentrum dem badischen. Für den beschränkten norddeutschen Uutertauenverstand, dem die Badener selbstverständlich weit „über" sind, ist und bleibt es unauffindbar, weshalb der bayrische Sozialdemokrat, der sich mit dem Zentrum verbündet, ein andrer sein soll als der badische, der in den dortigen Wahlkämpfen bei andrer Rollenverteilung mit Vergnügen den terrin3 xancisus abgibt. Und was den herausfordernden Ton gegen Preußen anlangt, so liegt die Antwort sehr nahe: hat denn der badische Liberalismus das Jahr 1849 in Baden schon vergessen, dessen Schändlichkeiten er, freilich auch wie jetzt in bester Absicht und Kurzsichtigkeit, nach Möglichkeit vorgearbeitet hatte? Er wurde damals kaum sehend, als die Verführung der Truppen zu Verrat und Eidbruch schon im vollen Gange war. Glaubt der badische Liberalismus, daß sich die badische Sozialdemo-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_298274/350>, abgerufen am 08.05.2024.