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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr.

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Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen

zu bearbeiten hat, ist es keine Seltenheit, daß drei oder gar vier solcher Prozesse
in einer Sitzung verhandelt werden. Eile tut not, sollen nicht noch mehr brave
und fleißige Staatsbürger dem Paragraphen 833 zum Opfer fallen, oder wird
sich auch hier der alte Satz bewähren, daß der Mensch das Unglück seiner Mit¬
menschen mit wahrhaft christlicher Geduld zu ertragen pflegt?




Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen
(Fortsetzung)

le Weiterentwicklung nach 1806 bis zur Gegenwart ist äußerlich
bezeichnet durch die noch von Stein beeinflußten Organisations¬
gesetze der Jahre 1808 und 1810, namentlich die Geschäfts¬
instruktion für die Regierungen vom 26. Dezember 1808, die
Regierungsinstruktion von 1817, die dazu erlassene Kabinetts¬
order vom 31. Dezember 1825, das Regulativ über die Befähigung zu den
höhern Ämtern der Verwaltung vom 14. (27.) Februar 1846 und schließlich das
noch geltende Gesetz über die Befähigung für den höhern Verwaltungsdienst
vom 11. März 1879. Für die Landräte kommen noch hinzu verschiedne einzelne
Erlasse, das Regulativ über die Prüfungen der Landratsamtskcmdidaten vom
13. Mai (10. Juli) 1838 und die Kreisordnungen der siebziger und der
achtziger Jahre.

Innerlich bedeutet diese Entwicklung ein allmähliches Hinabgleiten von
ewer stolzen Höhe. Das einzige Erfreuliche an ihr ist, daß wenigstens eine
besondre Verwaltungslaufbahn erhalten blieb; anscheinend ist das Stein zu
verdanken.

Die Verschlechterung gegen den frühern Zustand zeigt sich in verschiednen
Richtungen.

Zunächst änderte sich die Zuständigkeit für die Personalsachen. Zwar
blieb der Anteil der Krone an der Erledigung dieser Angelegenheiten wenigstens
M dem Umfang erhalten, den er 1786 angenommen hatte. Aber es traten
UUn an die Stelle des großen Kollegiums des Generaldirektoriums die
beiden neu geschaffnen Minister des Innern und der Finanzen, in deren
Ministerien, abgesehen von der Militär- und der Justizverwaltung, die ganze
Uwere Staatsverwaltung zusammengefaßt worden war. Es bestand jedoch an¬
scheinend eine Teilung der Geschäfte dahin, daß für die Personalien der Land¬
ete der Minister des Innern, für die der andern Beamten der Finanzminister
ausschließlich zuständig war. Erst später -- wenn ich recht unterrichtet bin,
unter dem Minister von Puttkamer -- wurden wohl aus politischen Gründen
sämtliche Personalsachen im Ministerium des Innern vereinigt. Nur bei der
Setzung der Stellen der Domänen- und der Steuerdepartementsräte sind das
^andwirtschaftsmiuisterium und das Finanzministerium als solches beteiligt,
südlich hat das gesamte Staatsministerium die Vorschläge für die Besetzung


Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen

zu bearbeiten hat, ist es keine Seltenheit, daß drei oder gar vier solcher Prozesse
in einer Sitzung verhandelt werden. Eile tut not, sollen nicht noch mehr brave
und fleißige Staatsbürger dem Paragraphen 833 zum Opfer fallen, oder wird
sich auch hier der alte Satz bewähren, daß der Mensch das Unglück seiner Mit¬
menschen mit wahrhaft christlicher Geduld zu ertragen pflegt?




Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen
(Fortsetzung)

le Weiterentwicklung nach 1806 bis zur Gegenwart ist äußerlich
bezeichnet durch die noch von Stein beeinflußten Organisations¬
gesetze der Jahre 1808 und 1810, namentlich die Geschäfts¬
instruktion für die Regierungen vom 26. Dezember 1808, die
Regierungsinstruktion von 1817, die dazu erlassene Kabinetts¬
order vom 31. Dezember 1825, das Regulativ über die Befähigung zu den
höhern Ämtern der Verwaltung vom 14. (27.) Februar 1846 und schließlich das
noch geltende Gesetz über die Befähigung für den höhern Verwaltungsdienst
vom 11. März 1879. Für die Landräte kommen noch hinzu verschiedne einzelne
Erlasse, das Regulativ über die Prüfungen der Landratsamtskcmdidaten vom
13. Mai (10. Juli) 1838 und die Kreisordnungen der siebziger und der
achtziger Jahre.

Innerlich bedeutet diese Entwicklung ein allmähliches Hinabgleiten von
ewer stolzen Höhe. Das einzige Erfreuliche an ihr ist, daß wenigstens eine
besondre Verwaltungslaufbahn erhalten blieb; anscheinend ist das Stein zu
verdanken.

Die Verschlechterung gegen den frühern Zustand zeigt sich in verschiednen
Richtungen.

Zunächst änderte sich die Zuständigkeit für die Personalsachen. Zwar
blieb der Anteil der Krone an der Erledigung dieser Angelegenheiten wenigstens
M dem Umfang erhalten, den er 1786 angenommen hatte. Aber es traten
UUn an die Stelle des großen Kollegiums des Generaldirektoriums die
beiden neu geschaffnen Minister des Innern und der Finanzen, in deren
Ministerien, abgesehen von der Militär- und der Justizverwaltung, die ganze
Uwere Staatsverwaltung zusammengefaßt worden war. Es bestand jedoch an¬
scheinend eine Teilung der Geschäfte dahin, daß für die Personalien der Land¬
ete der Minister des Innern, für die der andern Beamten der Finanzminister
ausschließlich zuständig war. Erst später — wenn ich recht unterrichtet bin,
unter dem Minister von Puttkamer — wurden wohl aus politischen Gründen
sämtliche Personalsachen im Ministerium des Innern vereinigt. Nur bei der
Setzung der Stellen der Domänen- und der Steuerdepartementsräte sind das
^andwirtschaftsmiuisterium und das Finanzministerium als solches beteiligt,
südlich hat das gesamte Staatsministerium die Vorschläge für die Besetzung


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[0367] Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen zu bearbeiten hat, ist es keine Seltenheit, daß drei oder gar vier solcher Prozesse in einer Sitzung verhandelt werden. Eile tut not, sollen nicht noch mehr brave und fleißige Staatsbürger dem Paragraphen 833 zum Opfer fallen, oder wird sich auch hier der alte Satz bewähren, daß der Mensch das Unglück seiner Mit¬ menschen mit wahrhaft christlicher Geduld zu ertragen pflegt? Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen (Fortsetzung) le Weiterentwicklung nach 1806 bis zur Gegenwart ist äußerlich bezeichnet durch die noch von Stein beeinflußten Organisations¬ gesetze der Jahre 1808 und 1810, namentlich die Geschäfts¬ instruktion für die Regierungen vom 26. Dezember 1808, die Regierungsinstruktion von 1817, die dazu erlassene Kabinetts¬ order vom 31. Dezember 1825, das Regulativ über die Befähigung zu den höhern Ämtern der Verwaltung vom 14. (27.) Februar 1846 und schließlich das noch geltende Gesetz über die Befähigung für den höhern Verwaltungsdienst vom 11. März 1879. Für die Landräte kommen noch hinzu verschiedne einzelne Erlasse, das Regulativ über die Prüfungen der Landratsamtskcmdidaten vom 13. Mai (10. Juli) 1838 und die Kreisordnungen der siebziger und der achtziger Jahre. Innerlich bedeutet diese Entwicklung ein allmähliches Hinabgleiten von ewer stolzen Höhe. Das einzige Erfreuliche an ihr ist, daß wenigstens eine besondre Verwaltungslaufbahn erhalten blieb; anscheinend ist das Stein zu verdanken. Die Verschlechterung gegen den frühern Zustand zeigt sich in verschiednen Richtungen. Zunächst änderte sich die Zuständigkeit für die Personalsachen. Zwar blieb der Anteil der Krone an der Erledigung dieser Angelegenheiten wenigstens M dem Umfang erhalten, den er 1786 angenommen hatte. Aber es traten UUn an die Stelle des großen Kollegiums des Generaldirektoriums die beiden neu geschaffnen Minister des Innern und der Finanzen, in deren Ministerien, abgesehen von der Militär- und der Justizverwaltung, die ganze Uwere Staatsverwaltung zusammengefaßt worden war. Es bestand jedoch an¬ scheinend eine Teilung der Geschäfte dahin, daß für die Personalien der Land¬ ete der Minister des Innern, für die der andern Beamten der Finanzminister ausschließlich zuständig war. Erst später — wenn ich recht unterrichtet bin, unter dem Minister von Puttkamer — wurden wohl aus politischen Gründen sämtliche Personalsachen im Ministerium des Innern vereinigt. Nur bei der Setzung der Stellen der Domänen- und der Steuerdepartementsräte sind das ^andwirtschaftsmiuisterium und das Finanzministerium als solches beteiligt, südlich hat das gesamte Staatsministerium die Vorschläge für die Besetzung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_298274/367>, abgerufen am 08.05.2024.