Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Eine Verspottung der radikalen Demokratie im Altertum

Grund vorliege, mit der Ernennung der Regierungsreferendarien die betreffenden
Ressortminister zu beauftragen. Die Regierungsvorlage widerspreche in dieser
Hinsicht dem Grundsatze, daß die Zentralregierung im Staate von allen ihr
nicht notwendig zukommenden Geschäften möglichst zu entlasten sei. Bei den
spätern Verhandlungen wurden dann anstatt der Oberpräsidenten die Regierungs¬
präsidenten mit der Ernennung der Negierungsrcferendarien betraut, sodaß diesen
nunmehr nicht nur die Ausbildung, sondern auch die noch viel schwierigere Auf¬
gabe der Auswahl des Nachwuchses der Verwaltung obliegt.

(Fortsetzung folgt)




Eine Verspottung der radikalen Demokratie
im Altertum
(Schluß)

teor bediente sich mit Vorliebe technischer Ausdrücke aus der
Handwerkersprache, wie hier "zimmern" und "leimen," weil diese
der großen Menge immer am verständlichsten sind. Aber auch
der Wursthändler kann mit dergleichen dienen:


Ich weiß es wohl, was du mit den Spartanern
Geschmiedet; die gefangnen Spartiaten
Hast du gestrebt zu lösen, zu befreien
Und die Athener schnöde zu verraten.

Das sind die Vorspiele. Da der Pciphlcigonier in keinem Gange des Zwei-
kampfes einen Vorteil errungen hat, so eilt er hinweg, um seine Feinde vor
dem Rate der Fünfhundert zu verklagen. Der Wursthändler legt seine Messer
und Därme beiseite, verschluckt, als ob er ein Hahn wäre, der zu einem Hahnen¬
gefecht gefüttert wird, auf den Rat des Chors etwas Knoblauch, damit er hitziger
zum Kampfe werde, und folgt dann seinem Gegner. Die Bühne wird leer, der
Chor bleibt allein in der Orchestra zurück.

Es folgt die sogenannte Pcirabase, in der sich der Dichter durch den Mund
des Chorführers direkt an das Publikum wendet. Er setzt auseinander, weshalb
er jetzt zum erstenmal mit einer Komödie unter eignem Namen ausgetreten sei.
Daran schließt sich eine Anrufung der Götter, Preis der Vorfahren der Athener
und ihres uneigennützigen Patriotismus, sowie andres. Eine engere Beziehung
zwischen dem Gange der Handlung und der Pcirabase besteht nicht.

Nun kehrt der Wursthändler zurück und erzählt, wie er vor dem Rate den
Sieg errungen habe. Der Paphlagonier sei mit seinen Verleumdungen gegen
die Ritter zunächst freilich nicht ohne Eindruck geblieben. Er selbst habe in¬
dessen in der Stille alle die Götter der Gasse angerufen, ihm Unverschämtheit
zu verleihen, und sei dann, ohne auf die Anklage einzugehn, mit der Nachricht
herausgeplatzt, daß noch nie die Sardellen so wohlfeil gewesen wären. (Die


Grenzboten I 1906 48
Eine Verspottung der radikalen Demokratie im Altertum

Grund vorliege, mit der Ernennung der Regierungsreferendarien die betreffenden
Ressortminister zu beauftragen. Die Regierungsvorlage widerspreche in dieser
Hinsicht dem Grundsatze, daß die Zentralregierung im Staate von allen ihr
nicht notwendig zukommenden Geschäften möglichst zu entlasten sei. Bei den
spätern Verhandlungen wurden dann anstatt der Oberpräsidenten die Regierungs¬
präsidenten mit der Ernennung der Negierungsrcferendarien betraut, sodaß diesen
nunmehr nicht nur die Ausbildung, sondern auch die noch viel schwierigere Auf¬
gabe der Auswahl des Nachwuchses der Verwaltung obliegt.

(Fortsetzung folgt)




Eine Verspottung der radikalen Demokratie
im Altertum
(Schluß)

teor bediente sich mit Vorliebe technischer Ausdrücke aus der
Handwerkersprache, wie hier „zimmern" und „leimen," weil diese
der großen Menge immer am verständlichsten sind. Aber auch
der Wursthändler kann mit dergleichen dienen:


Ich weiß es wohl, was du mit den Spartanern
Geschmiedet; die gefangnen Spartiaten
Hast du gestrebt zu lösen, zu befreien
Und die Athener schnöde zu verraten.

Das sind die Vorspiele. Da der Pciphlcigonier in keinem Gange des Zwei-
kampfes einen Vorteil errungen hat, so eilt er hinweg, um seine Feinde vor
dem Rate der Fünfhundert zu verklagen. Der Wursthändler legt seine Messer
und Därme beiseite, verschluckt, als ob er ein Hahn wäre, der zu einem Hahnen¬
gefecht gefüttert wird, auf den Rat des Chors etwas Knoblauch, damit er hitziger
zum Kampfe werde, und folgt dann seinem Gegner. Die Bühne wird leer, der
Chor bleibt allein in der Orchestra zurück.

Es folgt die sogenannte Pcirabase, in der sich der Dichter durch den Mund
des Chorführers direkt an das Publikum wendet. Er setzt auseinander, weshalb
er jetzt zum erstenmal mit einer Komödie unter eignem Namen ausgetreten sei.
Daran schließt sich eine Anrufung der Götter, Preis der Vorfahren der Athener
und ihres uneigennützigen Patriotismus, sowie andres. Eine engere Beziehung
zwischen dem Gange der Handlung und der Pcirabase besteht nicht.

Nun kehrt der Wursthändler zurück und erzählt, wie er vor dem Rate den
Sieg errungen habe. Der Paphlagonier sei mit seinen Verleumdungen gegen
die Ritter zunächst freilich nicht ohne Eindruck geblieben. Er selbst habe in¬
dessen in der Stille alle die Götter der Gasse angerufen, ihm Unverschämtheit
zu verleihen, und sei dann, ohne auf die Anklage einzugehn, mit der Nachricht
herausgeplatzt, daß noch nie die Sardellen so wohlfeil gewesen wären. (Die


Grenzboten I 1906 48
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0377" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/298652"/>
          <fw type="header" place="top"> Eine Verspottung der radikalen Demokratie im Altertum</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1831" prev="#ID_1830"> Grund vorliege, mit der Ernennung der Regierungsreferendarien die betreffenden<lb/>
Ressortminister zu beauftragen. Die Regierungsvorlage widerspreche in dieser<lb/>
Hinsicht dem Grundsatze, daß die Zentralregierung im Staate von allen ihr<lb/>
nicht notwendig zukommenden Geschäften möglichst zu entlasten sei. Bei den<lb/>
spätern Verhandlungen wurden dann anstatt der Oberpräsidenten die Regierungs¬<lb/>
präsidenten mit der Ernennung der Negierungsrcferendarien betraut, sodaß diesen<lb/>
nunmehr nicht nur die Ausbildung, sondern auch die noch viel schwierigere Auf¬<lb/>
gabe der Auswahl des Nachwuchses der Verwaltung obliegt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1832"> (Fortsetzung folgt)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Eine Verspottung der radikalen Demokratie<lb/>
im Altertum<lb/>
(Schluß) </head><lb/>
          <p xml:id="ID_1833"> teor bediente sich mit Vorliebe technischer Ausdrücke aus der<lb/>
Handwerkersprache, wie hier &#x201E;zimmern" und &#x201E;leimen," weil diese<lb/>
der großen Menge immer am verständlichsten sind. Aber auch<lb/>
der Wursthändler kann mit dergleichen dienen:</p><lb/>
          <quote> Ich weiß es wohl, was du mit den Spartanern<lb/>
Geschmiedet; die gefangnen Spartiaten<lb/>
Hast du gestrebt zu lösen, zu befreien<lb/>
Und die Athener schnöde zu verraten.</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_1834"> Das sind die Vorspiele. Da der Pciphlcigonier in keinem Gange des Zwei-<lb/>
kampfes einen Vorteil errungen hat, so eilt er hinweg, um seine Feinde vor<lb/>
dem Rate der Fünfhundert zu verklagen. Der Wursthändler legt seine Messer<lb/>
und Därme beiseite, verschluckt, als ob er ein Hahn wäre, der zu einem Hahnen¬<lb/>
gefecht gefüttert wird, auf den Rat des Chors etwas Knoblauch, damit er hitziger<lb/>
zum Kampfe werde, und folgt dann seinem Gegner. Die Bühne wird leer, der<lb/>
Chor bleibt allein in der Orchestra zurück.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1835"> Es folgt die sogenannte Pcirabase, in der sich der Dichter durch den Mund<lb/>
des Chorführers direkt an das Publikum wendet. Er setzt auseinander, weshalb<lb/>
er jetzt zum erstenmal mit einer Komödie unter eignem Namen ausgetreten sei.<lb/>
Daran schließt sich eine Anrufung der Götter, Preis der Vorfahren der Athener<lb/>
und ihres uneigennützigen Patriotismus, sowie andres. Eine engere Beziehung<lb/>
zwischen dem Gange der Handlung und der Pcirabase besteht nicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1836" next="#ID_1837"> Nun kehrt der Wursthändler zurück und erzählt, wie er vor dem Rate den<lb/>
Sieg errungen habe. Der Paphlagonier sei mit seinen Verleumdungen gegen<lb/>
die Ritter zunächst freilich nicht ohne Eindruck geblieben. Er selbst habe in¬<lb/>
dessen in der Stille alle die Götter der Gasse angerufen, ihm Unverschämtheit<lb/>
zu verleihen, und sei dann, ohne auf die Anklage einzugehn, mit der Nachricht<lb/>
herausgeplatzt, daß noch nie die Sardellen so wohlfeil gewesen wären. (Die</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1906 48</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0377] Eine Verspottung der radikalen Demokratie im Altertum Grund vorliege, mit der Ernennung der Regierungsreferendarien die betreffenden Ressortminister zu beauftragen. Die Regierungsvorlage widerspreche in dieser Hinsicht dem Grundsatze, daß die Zentralregierung im Staate von allen ihr nicht notwendig zukommenden Geschäften möglichst zu entlasten sei. Bei den spätern Verhandlungen wurden dann anstatt der Oberpräsidenten die Regierungs¬ präsidenten mit der Ernennung der Negierungsrcferendarien betraut, sodaß diesen nunmehr nicht nur die Ausbildung, sondern auch die noch viel schwierigere Auf¬ gabe der Auswahl des Nachwuchses der Verwaltung obliegt. (Fortsetzung folgt) Eine Verspottung der radikalen Demokratie im Altertum (Schluß) teor bediente sich mit Vorliebe technischer Ausdrücke aus der Handwerkersprache, wie hier „zimmern" und „leimen," weil diese der großen Menge immer am verständlichsten sind. Aber auch der Wursthändler kann mit dergleichen dienen: Ich weiß es wohl, was du mit den Spartanern Geschmiedet; die gefangnen Spartiaten Hast du gestrebt zu lösen, zu befreien Und die Athener schnöde zu verraten. Das sind die Vorspiele. Da der Pciphlcigonier in keinem Gange des Zwei- kampfes einen Vorteil errungen hat, so eilt er hinweg, um seine Feinde vor dem Rate der Fünfhundert zu verklagen. Der Wursthändler legt seine Messer und Därme beiseite, verschluckt, als ob er ein Hahn wäre, der zu einem Hahnen¬ gefecht gefüttert wird, auf den Rat des Chors etwas Knoblauch, damit er hitziger zum Kampfe werde, und folgt dann seinem Gegner. Die Bühne wird leer, der Chor bleibt allein in der Orchestra zurück. Es folgt die sogenannte Pcirabase, in der sich der Dichter durch den Mund des Chorführers direkt an das Publikum wendet. Er setzt auseinander, weshalb er jetzt zum erstenmal mit einer Komödie unter eignem Namen ausgetreten sei. Daran schließt sich eine Anrufung der Götter, Preis der Vorfahren der Athener und ihres uneigennützigen Patriotismus, sowie andres. Eine engere Beziehung zwischen dem Gange der Handlung und der Pcirabase besteht nicht. Nun kehrt der Wursthändler zurück und erzählt, wie er vor dem Rate den Sieg errungen habe. Der Paphlagonier sei mit seinen Verleumdungen gegen die Ritter zunächst freilich nicht ohne Eindruck geblieben. Er selbst habe in¬ dessen in der Stille alle die Götter der Gasse angerufen, ihm Unverschämtheit zu verleihen, und sei dann, ohne auf die Anklage einzugehn, mit der Nachricht herausgeplatzt, daß noch nie die Sardellen so wohlfeil gewesen wären. (Die Grenzboten I 1906 48

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_298274
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_298274/377
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_298274/377>, abgerufen am 08.05.2024.