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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr.

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Sind wir kriegsbereit?

Montagne und Maizieres auf Metz zu vorschiebt. Um Zahlen reden zu lassen,
so stellte in den 83 Gemeinden Lothringens, die nach 1871 noch einige Zeit
vom Gebrauch der deutscheu Geschäftssprache befreit waren, die Volkszählung
von 1900 nur noch 42 541 französisch, aber schon 64002 deutsch redende Ein¬
wohner fest. Und sogar in den 286 Gemeinden, wo bis jetzt das Französische
Geschäftssprache ist. 95629 und 46907. Von einem rein französischen Sprach¬
gebiet kann demnach in Lothringen keine Rede mehr sein, sondern nur noch von
einem durch einen starken deutschen Einwandrerstrom geschaffnen Mischgcbict.
Hält der deutsche Zuzug an. so wird sich das Mischgebiet mit Naturnotwendigkeit
M rein deutsches Sprachgebiet umwandeln. Um inzwischen einer Verwischung
der in französischer Umgebung gebornen und aufwachsenden jüngern deutschen
Generation entgegenzuarbeiten, müßte eine stetig fortschreitende Ausbreitung
des Deutschen als örtliche Schul-, Kirchen- und Geschäftssprache durchgeführt
werden. Zur Verstärkung des deutschen Zuzugs würde sich hier vielleicht ein
Versuch mit der neuerdings mehrfach angeregten Ansiedlung ausgedienter Unter¬
offiziere empfehlen.

Als Gesamtzahl der französisch Sprechenden, die gleich nach der Einver-
leibung auf 230000, neuerdings sogar auf 250000 geschützt worden waren,
hat die Zählung von 1900 für das ganze Reichsland nur 198173 ergeben.




Hind wir kriegsbereit?

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ZMs ist wieder ein Prophet unter uns aufgestanden und hat in
einem Buche von 310 Seiten an die Regierenden die "Frage
aus dem Volke" gerichtet: "Sind wir kriegsbereit?" Natürlich
sind wir es nicht nach der Ansicht des ungenannten Verfassers.
_ Dem Buche liegt ein Zettel bei mit zwei Äußerungen der Generale
^af von Haeseler und Freiherr von Falkenhausen, aus denen hervorgeht, daß
Ach der Verfasser in der Schrift mit Dingen beschäftigt, die seinem Berufe fern
^gen, daß er also kein Soldat ist. Die beiden hohen Offiziere, deren sach¬
verständiges Urteil auf militärischem Gebiete keinem Zweifel unterliegt, erkennen
wie wohlwollenden Worten an, daß sich der Verfasser in ungewöhnlicher und
ewundcrnswerter Weise in dem ihm fernliegenden Stoffe zurechtgefunden habe,
ermelter aber durchaus, eine Übereinstimmung ihrer eignen Anschauungen mit
denen des Verfassers auszusprechen. Und das wohl nicht ohne Absicht.

Es liegt mir fern, Schreiten zu wollen, daß jemand, der nicht Offizier ist,
"und über viele Angelegenheiten des Militärwesens ein richtiges und treffendes
^teil abgeben könne. Es kommt dabei wesentlich auf das Gebiet an, worin
^ sich kritisch bewegt. Das deutsche Heer hat keinen tiefern Bewundrer ge¬
sunden als Heinrich von Treitschke. Man kann wohl sagen, daß die sittlichen
graste, die in dem preußischen Heere leben, von niemand feiner gefühlt und
schöner dargestellt worden seien als von diesem Historiker. Aber er würde sich


Sind wir kriegsbereit?

Montagne und Maizieres auf Metz zu vorschiebt. Um Zahlen reden zu lassen,
so stellte in den 83 Gemeinden Lothringens, die nach 1871 noch einige Zeit
vom Gebrauch der deutscheu Geschäftssprache befreit waren, die Volkszählung
von 1900 nur noch 42 541 französisch, aber schon 64002 deutsch redende Ein¬
wohner fest. Und sogar in den 286 Gemeinden, wo bis jetzt das Französische
Geschäftssprache ist. 95629 und 46907. Von einem rein französischen Sprach¬
gebiet kann demnach in Lothringen keine Rede mehr sein, sondern nur noch von
einem durch einen starken deutschen Einwandrerstrom geschaffnen Mischgcbict.
Hält der deutsche Zuzug an. so wird sich das Mischgebiet mit Naturnotwendigkeit
M rein deutsches Sprachgebiet umwandeln. Um inzwischen einer Verwischung
der in französischer Umgebung gebornen und aufwachsenden jüngern deutschen
Generation entgegenzuarbeiten, müßte eine stetig fortschreitende Ausbreitung
des Deutschen als örtliche Schul-, Kirchen- und Geschäftssprache durchgeführt
werden. Zur Verstärkung des deutschen Zuzugs würde sich hier vielleicht ein
Versuch mit der neuerdings mehrfach angeregten Ansiedlung ausgedienter Unter¬
offiziere empfehlen.

Als Gesamtzahl der französisch Sprechenden, die gleich nach der Einver-
leibung auf 230000, neuerdings sogar auf 250000 geschützt worden waren,
hat die Zählung von 1900 für das ganze Reichsland nur 198173 ergeben.




Hind wir kriegsbereit?

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ZMs ist wieder ein Prophet unter uns aufgestanden und hat in
einem Buche von 310 Seiten an die Regierenden die „Frage
aus dem Volke" gerichtet: „Sind wir kriegsbereit?" Natürlich
sind wir es nicht nach der Ansicht des ungenannten Verfassers.
_ Dem Buche liegt ein Zettel bei mit zwei Äußerungen der Generale
^af von Haeseler und Freiherr von Falkenhausen, aus denen hervorgeht, daß
Ach der Verfasser in der Schrift mit Dingen beschäftigt, die seinem Berufe fern
^gen, daß er also kein Soldat ist. Die beiden hohen Offiziere, deren sach¬
verständiges Urteil auf militärischem Gebiete keinem Zweifel unterliegt, erkennen
wie wohlwollenden Worten an, daß sich der Verfasser in ungewöhnlicher und
ewundcrnswerter Weise in dem ihm fernliegenden Stoffe zurechtgefunden habe,
ermelter aber durchaus, eine Übereinstimmung ihrer eignen Anschauungen mit
denen des Verfassers auszusprechen. Und das wohl nicht ohne Absicht.

Es liegt mir fern, Schreiten zu wollen, daß jemand, der nicht Offizier ist,
"und über viele Angelegenheiten des Militärwesens ein richtiges und treffendes
^teil abgeben könne. Es kommt dabei wesentlich auf das Gebiet an, worin
^ sich kritisch bewegt. Das deutsche Heer hat keinen tiefern Bewundrer ge¬
sunden als Heinrich von Treitschke. Man kann wohl sagen, daß die sittlichen
graste, die in dem preußischen Heere leben, von niemand feiner gefühlt und
schöner dargestellt worden seien als von diesem Historiker. Aber er würde sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_298274/537>, abgerufen am 08.05.2024.