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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr.

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Zwei neue Romane

Anforderungen des Dienstes nehmen ihre ganze Zeit in Anspruch, und zwar
sind das Schlimmste die Reinigkeiten und die Nebendinge, die neben dem eigent¬
lichen Dienste hergehn, die Bekleiduugswirtschaft, alle die kleinen Nebeudienst-
zweige, wie Ausbildung von Radfahrern, Entfernungsmessern nud Signal¬
mannschaften, theoretischer Unterricht an Einjährigfreiwillige und Unteroffiziere
und tausenderlei andre Dinge. Alles das läßt sich aber leisten, und es wird
auch geleistet. Das Gefährlichste aber ist, daß sich eine öffentliche Meinung
und öffentliche Kritik breit macht, die dem Offizier die Lösung seiner Arbeit
ungemein erschwert. Unser Buch ist keineswegs einer von den vielen niedrigen
und gemeinen Angriffen, die leider im deutscheu Volke immer gläubige Hörer
finden, es ist im Gegenteil mit einem anerkennenswerten Streben nach sach¬
licher Ruhe geschrieben, und trotzdem schleudert es den schwersten Vorwurf
gegen das Heer, der überhaupt deutbar ist, indem es behauptet, das Heer sei
uicht kriegsbereit, erfülle also die Aufgabe nicht, derentwegen das Heer einzig
und allein gehalten wird.

Diese höchste und letzte Aufgabe kaun das Heer nur dann lösen, wenn es
von dem Vertrauen des ganzen Volkes getragen wird. Im Kriege entscheiden
nicht nur Gewehr- und Geschützkonstrnktionen und auch nicht die Zahl, sondern
hauptsächlich sittliche Kräfte, der Glaube an die gute eigne Sache, der Wille
zu siegen und das feste unerschütterliche Vertrauen des Soldaten, d. h. bei dem
Volk in Waffen jedes deutschen Mannes, zu seineu Führern.

Leider sind bei uns sehr viele Kräfte an der Arbeit, die dem deutschen
Volke dieses Vertrauen nehmen, und die Heer und Volk, zwei Begriffe, die
bei uns identisch sein sollten, voneinander trennen wollen. So ist das Heer,
d. h. seine Vertreter in Friedenszeiten, der Offizier- und der Unterofsizier-
stand, das Ziel aller möglichen Augriffe und Verdächtigungen. Der Deutsche
ist nun einmal so angelegt, daß sich bei ihm jeder Ärger sogleich in der inten¬
sivsten Form äußert. Wer sich einmal über seinen Hauptmann geärgert hat,
fühlt den Posa in seiner Brust und schreibt Zeitungsartikel und Bücher, wenn
er nicht gar bei der Dreimillionenpartei einen Stimmzettel abgibt. Die fort¬
währende Hetzarbeit erzeugt eine wenig frohe Stimmung im Offizierkorps; sie
kann schließlich auch im Volke nicht ohne Wirkung bleiben.




Zwei neue Romane

!wei neue Romane haben auf meinem Weihnachtstisch gelegen,
und ich möchte sie nnn gern weiter empfehlen. Der eine ist das
Werk eines jungen, sich kräftig entfaltenden Talents, das andre
Buch hat ein alter Freund geschrieben, den ich seit meiner Jugend
I verehre und liebe, Paul Heyse. Seine Romane sind mir zuletzt
bekannt geworden, an den Novellen erfreue ich mich seit vielen Jahren, und
wenn ich diese wundervollen, feingegliederten und in die edelste Form ge-


Zwei neue Romane

Anforderungen des Dienstes nehmen ihre ganze Zeit in Anspruch, und zwar
sind das Schlimmste die Reinigkeiten und die Nebendinge, die neben dem eigent¬
lichen Dienste hergehn, die Bekleiduugswirtschaft, alle die kleinen Nebeudienst-
zweige, wie Ausbildung von Radfahrern, Entfernungsmessern nud Signal¬
mannschaften, theoretischer Unterricht an Einjährigfreiwillige und Unteroffiziere
und tausenderlei andre Dinge. Alles das läßt sich aber leisten, und es wird
auch geleistet. Das Gefährlichste aber ist, daß sich eine öffentliche Meinung
und öffentliche Kritik breit macht, die dem Offizier die Lösung seiner Arbeit
ungemein erschwert. Unser Buch ist keineswegs einer von den vielen niedrigen
und gemeinen Angriffen, die leider im deutscheu Volke immer gläubige Hörer
finden, es ist im Gegenteil mit einem anerkennenswerten Streben nach sach¬
licher Ruhe geschrieben, und trotzdem schleudert es den schwersten Vorwurf
gegen das Heer, der überhaupt deutbar ist, indem es behauptet, das Heer sei
uicht kriegsbereit, erfülle also die Aufgabe nicht, derentwegen das Heer einzig
und allein gehalten wird.

Diese höchste und letzte Aufgabe kaun das Heer nur dann lösen, wenn es
von dem Vertrauen des ganzen Volkes getragen wird. Im Kriege entscheiden
nicht nur Gewehr- und Geschützkonstrnktionen und auch nicht die Zahl, sondern
hauptsächlich sittliche Kräfte, der Glaube an die gute eigne Sache, der Wille
zu siegen und das feste unerschütterliche Vertrauen des Soldaten, d. h. bei dem
Volk in Waffen jedes deutschen Mannes, zu seineu Führern.

Leider sind bei uns sehr viele Kräfte an der Arbeit, die dem deutschen
Volke dieses Vertrauen nehmen, und die Heer und Volk, zwei Begriffe, die
bei uns identisch sein sollten, voneinander trennen wollen. So ist das Heer,
d. h. seine Vertreter in Friedenszeiten, der Offizier- und der Unterofsizier-
stand, das Ziel aller möglichen Augriffe und Verdächtigungen. Der Deutsche
ist nun einmal so angelegt, daß sich bei ihm jeder Ärger sogleich in der inten¬
sivsten Form äußert. Wer sich einmal über seinen Hauptmann geärgert hat,
fühlt den Posa in seiner Brust und schreibt Zeitungsartikel und Bücher, wenn
er nicht gar bei der Dreimillionenpartei einen Stimmzettel abgibt. Die fort¬
währende Hetzarbeit erzeugt eine wenig frohe Stimmung im Offizierkorps; sie
kann schließlich auch im Volke nicht ohne Wirkung bleiben.




Zwei neue Romane

!wei neue Romane haben auf meinem Weihnachtstisch gelegen,
und ich möchte sie nnn gern weiter empfehlen. Der eine ist das
Werk eines jungen, sich kräftig entfaltenden Talents, das andre
Buch hat ein alter Freund geschrieben, den ich seit meiner Jugend
I verehre und liebe, Paul Heyse. Seine Romane sind mir zuletzt
bekannt geworden, an den Novellen erfreue ich mich seit vielen Jahren, und
wenn ich diese wundervollen, feingegliederten und in die edelste Form ge-


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[0550] Zwei neue Romane Anforderungen des Dienstes nehmen ihre ganze Zeit in Anspruch, und zwar sind das Schlimmste die Reinigkeiten und die Nebendinge, die neben dem eigent¬ lichen Dienste hergehn, die Bekleiduugswirtschaft, alle die kleinen Nebeudienst- zweige, wie Ausbildung von Radfahrern, Entfernungsmessern nud Signal¬ mannschaften, theoretischer Unterricht an Einjährigfreiwillige und Unteroffiziere und tausenderlei andre Dinge. Alles das läßt sich aber leisten, und es wird auch geleistet. Das Gefährlichste aber ist, daß sich eine öffentliche Meinung und öffentliche Kritik breit macht, die dem Offizier die Lösung seiner Arbeit ungemein erschwert. Unser Buch ist keineswegs einer von den vielen niedrigen und gemeinen Angriffen, die leider im deutscheu Volke immer gläubige Hörer finden, es ist im Gegenteil mit einem anerkennenswerten Streben nach sach¬ licher Ruhe geschrieben, und trotzdem schleudert es den schwersten Vorwurf gegen das Heer, der überhaupt deutbar ist, indem es behauptet, das Heer sei uicht kriegsbereit, erfülle also die Aufgabe nicht, derentwegen das Heer einzig und allein gehalten wird. Diese höchste und letzte Aufgabe kaun das Heer nur dann lösen, wenn es von dem Vertrauen des ganzen Volkes getragen wird. Im Kriege entscheiden nicht nur Gewehr- und Geschützkonstrnktionen und auch nicht die Zahl, sondern hauptsächlich sittliche Kräfte, der Glaube an die gute eigne Sache, der Wille zu siegen und das feste unerschütterliche Vertrauen des Soldaten, d. h. bei dem Volk in Waffen jedes deutschen Mannes, zu seineu Führern. Leider sind bei uns sehr viele Kräfte an der Arbeit, die dem deutschen Volke dieses Vertrauen nehmen, und die Heer und Volk, zwei Begriffe, die bei uns identisch sein sollten, voneinander trennen wollen. So ist das Heer, d. h. seine Vertreter in Friedenszeiten, der Offizier- und der Unterofsizier- stand, das Ziel aller möglichen Augriffe und Verdächtigungen. Der Deutsche ist nun einmal so angelegt, daß sich bei ihm jeder Ärger sogleich in der inten¬ sivsten Form äußert. Wer sich einmal über seinen Hauptmann geärgert hat, fühlt den Posa in seiner Brust und schreibt Zeitungsartikel und Bücher, wenn er nicht gar bei der Dreimillionenpartei einen Stimmzettel abgibt. Die fort¬ währende Hetzarbeit erzeugt eine wenig frohe Stimmung im Offizierkorps; sie kann schließlich auch im Volke nicht ohne Wirkung bleiben. Zwei neue Romane !wei neue Romane haben auf meinem Weihnachtstisch gelegen, und ich möchte sie nnn gern weiter empfehlen. Der eine ist das Werk eines jungen, sich kräftig entfaltenden Talents, das andre Buch hat ein alter Freund geschrieben, den ich seit meiner Jugend I verehre und liebe, Paul Heyse. Seine Romane sind mir zuletzt bekannt geworden, an den Novellen erfreue ich mich seit vielen Jahren, und wenn ich diese wundervollen, feingegliederten und in die edelste Form ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_298274/550>, abgerufen am 08.05.2024.