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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr.

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Italiens Politik
Chi'' v. pflaum von

le materielle und die geistige Kultur der italienischen Nation ist hente
so bedeutend, daß Italien nicht mehr nnr diplomatisch, sondern in
jedem Betracht eine vollgiltige Großmacht ist. Seine militärische
Rüstung zu Lande und zur See erlaubt trotz allen begründeten
Einwänden gegen ihre Struktur und Funktionsfähigkeit und trotz
^, unaufhörlichen Beeinträchtigung der militärischen Einrichtungen durch gewissei -- ............^" "......^"7"' ^"".u'
Agitatoren und Sitten doch keinen Zweifel, daß es willens und stark genug M
seine politische Stellung in der Welt zu wahren.

.Die nationale Wohlfahrt und die militärische Rüstung sind andrerseits bei
weitem uoch nicht so, daß ein festes Vertrauen ans die eigne Kraft und ein
nachhaltiges Bedürfnis zur wirtschaftlichen und zur politischen, planmüßig und in
Kroßem Stile durchzuführenden Expansion in Italien hat entsteh" oder vielmehr
bestehn können. Ehrgeiz und ein Bewußtsein von politischem Sollen fehlen in
Italien nicht, aber ihre Wirkungskraft ist sehr gering, wie das am besten ano
dem sowohl die Diplomaten wie die weniger verantiiwrtlichen und die mit der
Volksmasse in engem Kontakt stehenden Politiker völlig behebenden Glanben
hervorgeht, daß eine Isolierung Italiens in dem Konzert der Machte unter allen
Umständen verhütet werdeu müsse. Dieser Glaube im Verein und einem un¬
ruhigen und unseeligen Streben nach Ehren und Vorteilen war es übrigens,
der der italienischen Politik während der letzten Jahre ihren nicht immer ein¬
deutigen und zuverlässigen Charakter gegeben hat.

Italiens Zugehörigkeit zum Dreibnnde ist erst vor kurzem durch den ^der Minister Giolitti und Tittoni bei dem deutschen Reichskanzler und durch
die Begegnungen des italienischen und des österreichisch-un^des Auswärtigen vor aller Welt besonders betont worden^ Es M e auch 'el
dem neusten Kabinettwechsel und bei den Sorgen um die Folgen des Marokko¬
streites nicht an ernsthaften Äußerungen sowohl der verantwortlichen Mimste
Wie der leitenden Presse, daß der Dreibund die Grundlage der italienischen Polit,
sein und bleiben müsse. Allerdings waren die Gründe, die hierfür geltend gemacht
wurden, recht mannigfaltig und sogar teilweise einander widersprechend; ,a man
Gre


nzboten 1 1906


Italiens Politik
Chi'' v. pflaum von

le materielle und die geistige Kultur der italienischen Nation ist hente
so bedeutend, daß Italien nicht mehr nnr diplomatisch, sondern in
jedem Betracht eine vollgiltige Großmacht ist. Seine militärische
Rüstung zu Lande und zur See erlaubt trotz allen begründeten
Einwänden gegen ihre Struktur und Funktionsfähigkeit und trotz
^, unaufhörlichen Beeinträchtigung der militärischen Einrichtungen durch gewissei — ............^" "......^"7"' ^"".u'
Agitatoren und Sitten doch keinen Zweifel, daß es willens und stark genug M
seine politische Stellung in der Welt zu wahren.

.Die nationale Wohlfahrt und die militärische Rüstung sind andrerseits bei
weitem uoch nicht so, daß ein festes Vertrauen ans die eigne Kraft und ein
nachhaltiges Bedürfnis zur wirtschaftlichen und zur politischen, planmüßig und in
Kroßem Stile durchzuführenden Expansion in Italien hat entsteh» oder vielmehr
bestehn können. Ehrgeiz und ein Bewußtsein von politischem Sollen fehlen in
Italien nicht, aber ihre Wirkungskraft ist sehr gering, wie das am besten ano
dem sowohl die Diplomaten wie die weniger verantiiwrtlichen und die mit der
Volksmasse in engem Kontakt stehenden Politiker völlig behebenden Glanben
hervorgeht, daß eine Isolierung Italiens in dem Konzert der Machte unter allen
Umständen verhütet werdeu müsse. Dieser Glaube im Verein und einem un¬
ruhigen und unseeligen Streben nach Ehren und Vorteilen war es übrigens,
der der italienischen Politik während der letzten Jahre ihren nicht immer ein¬
deutigen und zuverlässigen Charakter gegeben hat.

Italiens Zugehörigkeit zum Dreibnnde ist erst vor kurzem durch den ^der Minister Giolitti und Tittoni bei dem deutschen Reichskanzler und durch
die Begegnungen des italienischen und des österreichisch-un^des Auswärtigen vor aller Welt besonders betont worden^ Es M e auch 'el
dem neusten Kabinettwechsel und bei den Sorgen um die Folgen des Marokko¬
streites nicht an ernsthaften Äußerungen sowohl der verantwortlichen Mimste
Wie der leitenden Presse, daß der Dreibund die Grundlage der italienischen Polit,
sein und bleiben müsse. Allerdings waren die Gründe, die hierfür geltend gemacht
wurden, recht mannigfaltig und sogar teilweise einander widersprechend; ,a man
Gre


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[0645] [Abbildung] Italiens Politik Chi'' v. pflaum von le materielle und die geistige Kultur der italienischen Nation ist hente so bedeutend, daß Italien nicht mehr nnr diplomatisch, sondern in jedem Betracht eine vollgiltige Großmacht ist. Seine militärische Rüstung zu Lande und zur See erlaubt trotz allen begründeten Einwänden gegen ihre Struktur und Funktionsfähigkeit und trotz ^, unaufhörlichen Beeinträchtigung der militärischen Einrichtungen durch gewissei — ............^" "......^"7"' ^"".u' Agitatoren und Sitten doch keinen Zweifel, daß es willens und stark genug M seine politische Stellung in der Welt zu wahren. .Die nationale Wohlfahrt und die militärische Rüstung sind andrerseits bei weitem uoch nicht so, daß ein festes Vertrauen ans die eigne Kraft und ein nachhaltiges Bedürfnis zur wirtschaftlichen und zur politischen, planmüßig und in Kroßem Stile durchzuführenden Expansion in Italien hat entsteh» oder vielmehr bestehn können. Ehrgeiz und ein Bewußtsein von politischem Sollen fehlen in Italien nicht, aber ihre Wirkungskraft ist sehr gering, wie das am besten ano dem sowohl die Diplomaten wie die weniger verantiiwrtlichen und die mit der Volksmasse in engem Kontakt stehenden Politiker völlig behebenden Glanben hervorgeht, daß eine Isolierung Italiens in dem Konzert der Machte unter allen Umständen verhütet werdeu müsse. Dieser Glaube im Verein und einem un¬ ruhigen und unseeligen Streben nach Ehren und Vorteilen war es übrigens, der der italienischen Politik während der letzten Jahre ihren nicht immer ein¬ deutigen und zuverlässigen Charakter gegeben hat. Italiens Zugehörigkeit zum Dreibnnde ist erst vor kurzem durch den ^der Minister Giolitti und Tittoni bei dem deutschen Reichskanzler und durch die Begegnungen des italienischen und des österreichisch-un^des Auswärtigen vor aller Welt besonders betont worden^ Es M e auch 'el dem neusten Kabinettwechsel und bei den Sorgen um die Folgen des Marokko¬ streites nicht an ernsthaften Äußerungen sowohl der verantwortlichen Mimste Wie der leitenden Presse, daß der Dreibund die Grundlage der italienischen Polit, sein und bleiben müsse. Allerdings waren die Gründe, die hierfür geltend gemacht wurden, recht mannigfaltig und sogar teilweise einander widersprechend; ,a man Gre nzboten 1 1906

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_298274/645>, abgerufen am 08.05.2024.