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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliche" und Unmaßgebliches

fern geblieben sind, und weiterhin dafür, daß vielleicht mancher ernsthaft (durch
Krankheit, Reisen) verhindert gewesen ist, sein Wahlrecht auszuüben. Auf die zuletzt
genannten Fälle kommen wir übrigens noch zurück.

Drittens soll die halbe Wertung noch einer Gefahr entgegentreten, die bei
voller Zählung wegen der dabei möglichen Säumigkeit der Wähler des Regierungs¬
kandidaten eintreten könnte. Es würde vielleicht bis zu einem gewissen Grade das
Wahlgeheimnis gefährdet werden können; es könnte nämlich die Vorstellung ent¬
steh!,, daß jeder, der die Wahl ausübt, der Opposition angehört; man könnte sich
sogar denken, daß die Partei des Regierungskcmdidateu die Parole aufgäbe, nicht
zu wählen, um die geheime Wahl illusorisch zu machen. Wird die nichtabgegebne
Stimme nur halb gerechnet, so ist diese Gefahr wohl beseitigt.

Das sind die Gründe, die uns zu dem Vorschlag veranlassen, die nichtab¬
gegebnen Stimmen nicht ganz, sondern nur halb zu zählen. Bemerken wollen wir
noch, daß auch hierbei eine absichtliche Wahlenthaltung möglich ist durch Abgabe
eines weißen Zettels. Weiter würde man den Wählern das Recht zugestehn können,
schriftlich zu erklären, daß sie durch Krankheit, Reisen oder dergleichen verhindert
seien, die Wahl auszuüben: dann würden diese Stimmen natürlich nicht gezählt.
Im ganzen wird aber die Zahl der so Verhinderten nicht so groß sein, daß man
wegen des dadurch entstehenden Fehlers den Gedanken verwerfen müßte, auch wird,
wie schon gesagt worden ist, die hier etwa mögliche Ungerechtigkeit schon durch die
halbe Zählung korrigiert.

Alles in allem glauben wir den Gedanken einer ernsten, nicht voreingenommnen
Erwägung empfehlen zu dürfen. Er bewirkt, daß wirklich alle Wähler bei dem
Wahlergebnis gezählt werden, und führt damit tatsächlich zu einer allgemeinen Aus¬
übung des Wahlrechts, also praktisch zu dem, was die Wahlpflicht erreichen will.
Ein andres leicht ausführbares Mittel aber, diese Wahlpflicht einzuführen, ist uns
bisher nicht bekannt geworden: wird es angegeben, so lassen wir uns gern belehren.
Bis dahin gilt auch hier der Satz: Wer das Ziel will, muß auch die Mittel wollen.
Wir sehen in unserm Vorschlag auch eine sehr gute Korrektur des allgemeinen
gleichen Wahlrechts und glauben, daß er geeignet ist. dort wo eine Wahlrechts¬
änderung notwendig erscheint, manche Bedenken gegen eine weitherzige Wahlrechts¬
gewährung zu zerstreuen. Interessant wäre es, wenn einmal berechnet würde, wie
der Reichstag jetzt zusammengesetzt sein würde, wenn bei der letzten Wahl nach
A. B. unserm Vorschlag verfahren worden wäre.


Volkswirtschaftliches aus der Gegenwart.

Eine Schülerin Adolf Wagners,
Frau Marie Schwab, hat (bei Gustav Fischer in Jena, 1905) eine Studie über
Chamberlains Handelspolitik veröffentlicht. Wagner erklärt in einem langen
einleitenden Borwort die Schrift für einen guten Beitrag zur Beantwortung der
großen Frage, der sein Buch: Agrar- und Industriestaat, gewidmet ist. Er findet,
daß das reiche, der allerneuesten Zeit entnommne Material, das die Verfasserin
verarbeitet hat, sein pessimistisches Urteil über den reinen Industriestaat rechtfertige.
Dessen Übeln einigermaßen zu steuern, ist ja eben Chamberlains Bestreben. Die
Verfasserin gelangt zu dem Ergebnis, daß die Verwirklichung von Chamberlains
Handelspolitik für England überwiegend nützlich, für die Konkurrenzländer, nament¬
lich für Nordamerika und Deutschland, schädlich sein würde. Nachdem das Buch
erschienen war, ist ja das Kabinett, das Chamberlains Plänen zuneigte, unterlegen.
Aber da die jetzige liberale Parlamentsmehrheit wahrscheinlich die hochgespannter
Erwartungen ihrer Wählerschaft nicht wird erfüllen können, dürfte in nicht gar
langer Zeit wieder ein konservatives Kabinett mit Chcimberlain an der Spitze
einziehn. -- Calwer und Max Schippel sind bekanntlich zwei Genossen, die mit
achtungswerten volkswirtschaftlichen Kenntnissen vernünftige Ansichten verbinden, und
da sie sich nicht scheuen, diese zu äußern, beständig von der größern oder der kleinern
Exkommunikation bedroht leben. Der zweite behandelt in seiner neuesten Schrift
Amerika und die Handelsvertragspolitik (Berlin, Verlag der sozialistischen


Grenzboten I 1906 gg
Maßgebliche» und Unmaßgebliches

fern geblieben sind, und weiterhin dafür, daß vielleicht mancher ernsthaft (durch
Krankheit, Reisen) verhindert gewesen ist, sein Wahlrecht auszuüben. Auf die zuletzt
genannten Fälle kommen wir übrigens noch zurück.

Drittens soll die halbe Wertung noch einer Gefahr entgegentreten, die bei
voller Zählung wegen der dabei möglichen Säumigkeit der Wähler des Regierungs¬
kandidaten eintreten könnte. Es würde vielleicht bis zu einem gewissen Grade das
Wahlgeheimnis gefährdet werden können; es könnte nämlich die Vorstellung ent¬
steh!,, daß jeder, der die Wahl ausübt, der Opposition angehört; man könnte sich
sogar denken, daß die Partei des Regierungskcmdidateu die Parole aufgäbe, nicht
zu wählen, um die geheime Wahl illusorisch zu machen. Wird die nichtabgegebne
Stimme nur halb gerechnet, so ist diese Gefahr wohl beseitigt.

Das sind die Gründe, die uns zu dem Vorschlag veranlassen, die nichtab¬
gegebnen Stimmen nicht ganz, sondern nur halb zu zählen. Bemerken wollen wir
noch, daß auch hierbei eine absichtliche Wahlenthaltung möglich ist durch Abgabe
eines weißen Zettels. Weiter würde man den Wählern das Recht zugestehn können,
schriftlich zu erklären, daß sie durch Krankheit, Reisen oder dergleichen verhindert
seien, die Wahl auszuüben: dann würden diese Stimmen natürlich nicht gezählt.
Im ganzen wird aber die Zahl der so Verhinderten nicht so groß sein, daß man
wegen des dadurch entstehenden Fehlers den Gedanken verwerfen müßte, auch wird,
wie schon gesagt worden ist, die hier etwa mögliche Ungerechtigkeit schon durch die
halbe Zählung korrigiert.

Alles in allem glauben wir den Gedanken einer ernsten, nicht voreingenommnen
Erwägung empfehlen zu dürfen. Er bewirkt, daß wirklich alle Wähler bei dem
Wahlergebnis gezählt werden, und führt damit tatsächlich zu einer allgemeinen Aus¬
übung des Wahlrechts, also praktisch zu dem, was die Wahlpflicht erreichen will.
Ein andres leicht ausführbares Mittel aber, diese Wahlpflicht einzuführen, ist uns
bisher nicht bekannt geworden: wird es angegeben, so lassen wir uns gern belehren.
Bis dahin gilt auch hier der Satz: Wer das Ziel will, muß auch die Mittel wollen.
Wir sehen in unserm Vorschlag auch eine sehr gute Korrektur des allgemeinen
gleichen Wahlrechts und glauben, daß er geeignet ist. dort wo eine Wahlrechts¬
änderung notwendig erscheint, manche Bedenken gegen eine weitherzige Wahlrechts¬
gewährung zu zerstreuen. Interessant wäre es, wenn einmal berechnet würde, wie
der Reichstag jetzt zusammengesetzt sein würde, wenn bei der letzten Wahl nach
A. B. unserm Vorschlag verfahren worden wäre.


Volkswirtschaftliches aus der Gegenwart.

Eine Schülerin Adolf Wagners,
Frau Marie Schwab, hat (bei Gustav Fischer in Jena, 1905) eine Studie über
Chamberlains Handelspolitik veröffentlicht. Wagner erklärt in einem langen
einleitenden Borwort die Schrift für einen guten Beitrag zur Beantwortung der
großen Frage, der sein Buch: Agrar- und Industriestaat, gewidmet ist. Er findet,
daß das reiche, der allerneuesten Zeit entnommne Material, das die Verfasserin
verarbeitet hat, sein pessimistisches Urteil über den reinen Industriestaat rechtfertige.
Dessen Übeln einigermaßen zu steuern, ist ja eben Chamberlains Bestreben. Die
Verfasserin gelangt zu dem Ergebnis, daß die Verwirklichung von Chamberlains
Handelspolitik für England überwiegend nützlich, für die Konkurrenzländer, nament¬
lich für Nordamerika und Deutschland, schädlich sein würde. Nachdem das Buch
erschienen war, ist ja das Kabinett, das Chamberlains Plänen zuneigte, unterlegen.
Aber da die jetzige liberale Parlamentsmehrheit wahrscheinlich die hochgespannter
Erwartungen ihrer Wählerschaft nicht wird erfüllen können, dürfte in nicht gar
langer Zeit wieder ein konservatives Kabinett mit Chcimberlain an der Spitze
einziehn. — Calwer und Max Schippel sind bekanntlich zwei Genossen, die mit
achtungswerten volkswirtschaftlichen Kenntnissen vernünftige Ansichten verbinden, und
da sie sich nicht scheuen, diese zu äußern, beständig von der größern oder der kleinern
Exkommunikation bedroht leben. Der zweite behandelt in seiner neuesten Schrift
Amerika und die Handelsvertragspolitik (Berlin, Verlag der sozialistischen


Grenzboten I 1906 gg
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[0757] Maßgebliche» und Unmaßgebliches fern geblieben sind, und weiterhin dafür, daß vielleicht mancher ernsthaft (durch Krankheit, Reisen) verhindert gewesen ist, sein Wahlrecht auszuüben. Auf die zuletzt genannten Fälle kommen wir übrigens noch zurück. Drittens soll die halbe Wertung noch einer Gefahr entgegentreten, die bei voller Zählung wegen der dabei möglichen Säumigkeit der Wähler des Regierungs¬ kandidaten eintreten könnte. Es würde vielleicht bis zu einem gewissen Grade das Wahlgeheimnis gefährdet werden können; es könnte nämlich die Vorstellung ent¬ steh!,, daß jeder, der die Wahl ausübt, der Opposition angehört; man könnte sich sogar denken, daß die Partei des Regierungskcmdidateu die Parole aufgäbe, nicht zu wählen, um die geheime Wahl illusorisch zu machen. Wird die nichtabgegebne Stimme nur halb gerechnet, so ist diese Gefahr wohl beseitigt. Das sind die Gründe, die uns zu dem Vorschlag veranlassen, die nichtab¬ gegebnen Stimmen nicht ganz, sondern nur halb zu zählen. Bemerken wollen wir noch, daß auch hierbei eine absichtliche Wahlenthaltung möglich ist durch Abgabe eines weißen Zettels. Weiter würde man den Wählern das Recht zugestehn können, schriftlich zu erklären, daß sie durch Krankheit, Reisen oder dergleichen verhindert seien, die Wahl auszuüben: dann würden diese Stimmen natürlich nicht gezählt. Im ganzen wird aber die Zahl der so Verhinderten nicht so groß sein, daß man wegen des dadurch entstehenden Fehlers den Gedanken verwerfen müßte, auch wird, wie schon gesagt worden ist, die hier etwa mögliche Ungerechtigkeit schon durch die halbe Zählung korrigiert. Alles in allem glauben wir den Gedanken einer ernsten, nicht voreingenommnen Erwägung empfehlen zu dürfen. Er bewirkt, daß wirklich alle Wähler bei dem Wahlergebnis gezählt werden, und führt damit tatsächlich zu einer allgemeinen Aus¬ übung des Wahlrechts, also praktisch zu dem, was die Wahlpflicht erreichen will. Ein andres leicht ausführbares Mittel aber, diese Wahlpflicht einzuführen, ist uns bisher nicht bekannt geworden: wird es angegeben, so lassen wir uns gern belehren. Bis dahin gilt auch hier der Satz: Wer das Ziel will, muß auch die Mittel wollen. Wir sehen in unserm Vorschlag auch eine sehr gute Korrektur des allgemeinen gleichen Wahlrechts und glauben, daß er geeignet ist. dort wo eine Wahlrechts¬ änderung notwendig erscheint, manche Bedenken gegen eine weitherzige Wahlrechts¬ gewährung zu zerstreuen. Interessant wäre es, wenn einmal berechnet würde, wie der Reichstag jetzt zusammengesetzt sein würde, wenn bei der letzten Wahl nach A. B. unserm Vorschlag verfahren worden wäre. Volkswirtschaftliches aus der Gegenwart. Eine Schülerin Adolf Wagners, Frau Marie Schwab, hat (bei Gustav Fischer in Jena, 1905) eine Studie über Chamberlains Handelspolitik veröffentlicht. Wagner erklärt in einem langen einleitenden Borwort die Schrift für einen guten Beitrag zur Beantwortung der großen Frage, der sein Buch: Agrar- und Industriestaat, gewidmet ist. Er findet, daß das reiche, der allerneuesten Zeit entnommne Material, das die Verfasserin verarbeitet hat, sein pessimistisches Urteil über den reinen Industriestaat rechtfertige. Dessen Übeln einigermaßen zu steuern, ist ja eben Chamberlains Bestreben. Die Verfasserin gelangt zu dem Ergebnis, daß die Verwirklichung von Chamberlains Handelspolitik für England überwiegend nützlich, für die Konkurrenzländer, nament¬ lich für Nordamerika und Deutschland, schädlich sein würde. Nachdem das Buch erschienen war, ist ja das Kabinett, das Chamberlains Plänen zuneigte, unterlegen. Aber da die jetzige liberale Parlamentsmehrheit wahrscheinlich die hochgespannter Erwartungen ihrer Wählerschaft nicht wird erfüllen können, dürfte in nicht gar langer Zeit wieder ein konservatives Kabinett mit Chcimberlain an der Spitze einziehn. — Calwer und Max Schippel sind bekanntlich zwei Genossen, die mit achtungswerten volkswirtschaftlichen Kenntnissen vernünftige Ansichten verbinden, und da sie sich nicht scheuen, diese zu äußern, beständig von der größern oder der kleinern Exkommunikation bedroht leben. Der zweite behandelt in seiner neuesten Schrift Amerika und die Handelsvertragspolitik (Berlin, Verlag der sozialistischen Grenzboten I 1906 gg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_298274/757>, abgerufen am 08.05.2024.