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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr.

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Wißmann
Gedächtnisrede, gehalten am,,, Saale des alten Rathauses zu München
Lügen Wolf vonin

ente, wo ein großer Teil unsers afrikanischen Besitzes in Flammen
steht, wo in Südwestafrika Tausende von Deutschlands Söhnen
für die Rückerwerbung und die Sicherung deutschen Kolonialbesitzes
ihr Leben oder ihre Gesundheit einbüßen, wo in Dcutschostafrika
die Negerstümme von der Seelüfte an gerechnet bis zu unsrer
westlichsten Grenze in Aufruhr geraten, liegt die Veranlassung, eines Hermami
von Wißmann zu gedenken, mehr als je nahe. Denn Wißmann ist es, dem
wir die Erforschung eines großen Teiles des zentralen Afrikas, die Erhaltung
einer unsrer wertvollsten Kolonien, die Ausrottung des Sklavenhandels und der
Menschenjägerci verdanken. Bei so großen Verdiensten des vor nicht langer
Zeit durch einen Jagdunfall aus dem Leben geschiednen Kämpfers für die
Menschheit, für die Wissenschaft und für Deutschlands Große darf wohl bei
allen Deutschen ein Interesse für seinen Entwicklungsgang vorausgesetzt werde".

Hermann Wißmann, der einem alten preußischen Adelsgeschlecht angehörte,
wurde als Sohn des Regierungsrath Wißmauu am 4. September 1853 zu
Frankfurt a. d. Oder gehöre". Sein Vater hatte den Adel abgelegt, seine Mutter,
eine geborne Schach von Wittenau, lebt noch in Lauterberg im Harz.

Schon als Gymnasiast zeigte er eine lebhafte Neigung für Naturwissen¬
schaften; dann besuchte er die Kriegsschule in Anklam, machte sein Offiziers-
cxamen und wurde 1874 Sekondeleutnant. Im Jahre 1870 bei Beginn des
Feldzugs meldete sich Wißmann, noch nicht siebzehn Jahre alt, als Freiwilliger
für Kriegsdauer zum Eintritt in die Armee, wurde aber, weil er noch zu jung
war, nicht angenommen. Im Herbst 1871 trat er in die oberste Klasse des
Kadettenkorps zu Berlin ein. Schon im Frühjahr bestand er glänzend das
Fähnrichsexamen und wurde dem Mecklenburgische" Füsilierregiment Ur. 90 in
Rostock zugeteilt. Während seiner Leutnantszeit rettete er mehrmals Menschen
vor dem Ertrinken, 1875 erhielt er seine erste Rettungsmedaille, und ein Jahr
darauf fiir die Rettung zweier Menschen den Kronenorden am schwarz-weißen
Bande.

In Rostock lernte er Pogge kennen. Diesem waren die mecklenburgische
Erde und sein Jagdgebiet im Heimatlande nicht mehr groß genug, und wenn
Pogge, von seiner erste" großen afrikanischen Jagdexpedition zurückgekehrt, am
runde" Honoratiorentisch bei Friemann in Rostock von Afrika und den vielen
Wunder" des unerschlossenen Landes, von der Unermeßlichkeit der Jagdgebiete,
von der goldnen Freiheit sprach, die man im dunkeln Afrika genieße, leuchteten
die Augen des "tollen Wißmann" -- so wurde er damals genannt -- auf.




Wißmann
Gedächtnisrede, gehalten am,,, Saale des alten Rathauses zu München
Lügen Wolf vonin

ente, wo ein großer Teil unsers afrikanischen Besitzes in Flammen
steht, wo in Südwestafrika Tausende von Deutschlands Söhnen
für die Rückerwerbung und die Sicherung deutschen Kolonialbesitzes
ihr Leben oder ihre Gesundheit einbüßen, wo in Dcutschostafrika
die Negerstümme von der Seelüfte an gerechnet bis zu unsrer
westlichsten Grenze in Aufruhr geraten, liegt die Veranlassung, eines Hermami
von Wißmann zu gedenken, mehr als je nahe. Denn Wißmann ist es, dem
wir die Erforschung eines großen Teiles des zentralen Afrikas, die Erhaltung
einer unsrer wertvollsten Kolonien, die Ausrottung des Sklavenhandels und der
Menschenjägerci verdanken. Bei so großen Verdiensten des vor nicht langer
Zeit durch einen Jagdunfall aus dem Leben geschiednen Kämpfers für die
Menschheit, für die Wissenschaft und für Deutschlands Große darf wohl bei
allen Deutschen ein Interesse für seinen Entwicklungsgang vorausgesetzt werde».

Hermann Wißmann, der einem alten preußischen Adelsgeschlecht angehörte,
wurde als Sohn des Regierungsrath Wißmauu am 4. September 1853 zu
Frankfurt a. d. Oder gehöre». Sein Vater hatte den Adel abgelegt, seine Mutter,
eine geborne Schach von Wittenau, lebt noch in Lauterberg im Harz.

Schon als Gymnasiast zeigte er eine lebhafte Neigung für Naturwissen¬
schaften; dann besuchte er die Kriegsschule in Anklam, machte sein Offiziers-
cxamen und wurde 1874 Sekondeleutnant. Im Jahre 1870 bei Beginn des
Feldzugs meldete sich Wißmann, noch nicht siebzehn Jahre alt, als Freiwilliger
für Kriegsdauer zum Eintritt in die Armee, wurde aber, weil er noch zu jung
war, nicht angenommen. Im Herbst 1871 trat er in die oberste Klasse des
Kadettenkorps zu Berlin ein. Schon im Frühjahr bestand er glänzend das
Fähnrichsexamen und wurde dem Mecklenburgische» Füsilierregiment Ur. 90 in
Rostock zugeteilt. Während seiner Leutnantszeit rettete er mehrmals Menschen
vor dem Ertrinken, 1875 erhielt er seine erste Rettungsmedaille, und ein Jahr
darauf fiir die Rettung zweier Menschen den Kronenorden am schwarz-weißen
Bande.

In Rostock lernte er Pogge kennen. Diesem waren die mecklenburgische
Erde und sein Jagdgebiet im Heimatlande nicht mehr groß genug, und wenn
Pogge, von seiner erste» großen afrikanischen Jagdexpedition zurückgekehrt, am
runde» Honoratiorentisch bei Friemann in Rostock von Afrika und den vielen
Wunder» des unerschlossenen Landes, von der Unermeßlichkeit der Jagdgebiete,
von der goldnen Freiheit sprach, die man im dunkeln Afrika genieße, leuchteten
die Augen des „tollen Wißmann" — so wurde er damals genannt — auf.


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[0090] [Abbildung] Wißmann Gedächtnisrede, gehalten am,,, Saale des alten Rathauses zu München Lügen Wolf vonin ente, wo ein großer Teil unsers afrikanischen Besitzes in Flammen steht, wo in Südwestafrika Tausende von Deutschlands Söhnen für die Rückerwerbung und die Sicherung deutschen Kolonialbesitzes ihr Leben oder ihre Gesundheit einbüßen, wo in Dcutschostafrika die Negerstümme von der Seelüfte an gerechnet bis zu unsrer westlichsten Grenze in Aufruhr geraten, liegt die Veranlassung, eines Hermami von Wißmann zu gedenken, mehr als je nahe. Denn Wißmann ist es, dem wir die Erforschung eines großen Teiles des zentralen Afrikas, die Erhaltung einer unsrer wertvollsten Kolonien, die Ausrottung des Sklavenhandels und der Menschenjägerci verdanken. Bei so großen Verdiensten des vor nicht langer Zeit durch einen Jagdunfall aus dem Leben geschiednen Kämpfers für die Menschheit, für die Wissenschaft und für Deutschlands Große darf wohl bei allen Deutschen ein Interesse für seinen Entwicklungsgang vorausgesetzt werde». Hermann Wißmann, der einem alten preußischen Adelsgeschlecht angehörte, wurde als Sohn des Regierungsrath Wißmauu am 4. September 1853 zu Frankfurt a. d. Oder gehöre». Sein Vater hatte den Adel abgelegt, seine Mutter, eine geborne Schach von Wittenau, lebt noch in Lauterberg im Harz. Schon als Gymnasiast zeigte er eine lebhafte Neigung für Naturwissen¬ schaften; dann besuchte er die Kriegsschule in Anklam, machte sein Offiziers- cxamen und wurde 1874 Sekondeleutnant. Im Jahre 1870 bei Beginn des Feldzugs meldete sich Wißmann, noch nicht siebzehn Jahre alt, als Freiwilliger für Kriegsdauer zum Eintritt in die Armee, wurde aber, weil er noch zu jung war, nicht angenommen. Im Herbst 1871 trat er in die oberste Klasse des Kadettenkorps zu Berlin ein. Schon im Frühjahr bestand er glänzend das Fähnrichsexamen und wurde dem Mecklenburgische» Füsilierregiment Ur. 90 in Rostock zugeteilt. Während seiner Leutnantszeit rettete er mehrmals Menschen vor dem Ertrinken, 1875 erhielt er seine erste Rettungsmedaille, und ein Jahr darauf fiir die Rettung zweier Menschen den Kronenorden am schwarz-weißen Bande. In Rostock lernte er Pogge kennen. Diesem waren die mecklenburgische Erde und sein Jagdgebiet im Heimatlande nicht mehr groß genug, und wenn Pogge, von seiner erste» großen afrikanischen Jagdexpedition zurückgekehrt, am runde» Honoratiorentisch bei Friemann in Rostock von Afrika und den vielen Wunder» des unerschlossenen Landes, von der Unermeßlichkeit der Jagdgebiete, von der goldnen Freiheit sprach, die man im dunkeln Afrika genieße, leuchteten die Augen des „tollen Wißmann" — so wurde er damals genannt — auf.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_298274/90>, abgerufen am 08.05.2024.