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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Die Ursachen des Zusammenbruchs Preußens im Zähre ^306

nationale Arbeit durch das Anziehn der Diskontschraube ausgesetzt werde,
während der Satz in London und in Paris immer niedriger bleibe als in
Berlin. Ganz verschwiegen wird aber in der Regel, daß ein Vergleich mit
diesen so viel kapitalkräftigern Ländern nicht so ohne weiteres angängig ist,
und daß außerdem in ihnen zurzeit nicht entfernt von einem so starken wirt¬
schaftlichen Aufschwünge wie bei uns, der ohne weiteres einen starken Geld¬
bedarf mit sich bringt, die Rede sein kann. Gerade jetzt ist also in der Diskont¬
politik doppelte Vorsicht geboten. Der sogenannte "Goldpunkt," das heißt der
Wechselkurs, bei dem der Gvldexport aus Deutschland ein lohnendes Geschäft
wird, beträgt hier augenblicklich:

für Wechsel auf London .... 8 Tage (für 1 Pfd. Sterling) 20 Mark 50 Pfennig
" Paris.....8 " ( " 100 Franken) 81 " 40 "
" Se. Petersburg 8 " (" S00 Rubelnoten) 216 " S0 "

Sowie sich die Kurse diesen Grenzen nähern oder sie gar überschreiten, ist
also eine Diskonterhöhung unter Umständen auch dann notwendig, wenn sie
sonst in andern Tatsachen nicht begründet ist.

Wenn ich das Gesagte zum Schluß kurz zuscimmeufassen darf, so sind
meiner Ansicht nach der Schutz und die Vermehrung des heimischen Goldvor¬
rats wichtige Aufgaben der Reichsbank, aber einen direkten Einfluß auf die
Kurse unsrer Reichs- und Staatsanleihen hat der Goldvorrat nicht. Deren Kurse
hängen vielmehr von den vorhin geschilderten Verhältnissen ab, und diese günstig
zu gestalten muß darum das Ziel der Regierungen und der Parlamente sein.
Unser unvergleichliches Heer, unsre jugendfrische Marine, unser einzig da¬
stehender Beamtenstand sind starke Garantien für eine schöne Zukunft unsers
Vaterlandes. Geben wir darum Germania zu den körperlichen und den
geistigen Waffen auch die finanzielle Rüstung, damit wir nicht länger das be¬
schämende Schauspiel erleben, daß, wie der preußische Finanzminister erklärte,
"unsre Staatsanleihe,!, die ihrem innern Werte nach die besten der Welt
sind, viel tiefer stehn als die englischen und die französischen und sogar hinter
denen von vielen Staaten untergeordneter Bedeutung zurückbleiben."




Die Ursachen des Zusammenbruchs Preußens
im Jahre ^806
v G. von Lismarck i onn
(Schluß)

ach dem sechsundvierzig Jahre langen harten Regiment des
Königs, das dein Volke notgedrungen schwere Opfer auferlegen
mußte, atmeten die weitesten Kreise erleichtert auf, als man
sich von dem Drucke des überlegnen, alle Verhältnisse be¬
herrschenden Geistes Friedrichs endlich befreit sah. Schon wegen
der ungewöhnlichen Länge der Negierung wünschten die Menschen eine Ver¬
änderung herbei. Man hoffte von dein Nachfolger ein milderes Regiment,W


Die Ursachen des Zusammenbruchs Preußens im Zähre ^306

nationale Arbeit durch das Anziehn der Diskontschraube ausgesetzt werde,
während der Satz in London und in Paris immer niedriger bleibe als in
Berlin. Ganz verschwiegen wird aber in der Regel, daß ein Vergleich mit
diesen so viel kapitalkräftigern Ländern nicht so ohne weiteres angängig ist,
und daß außerdem in ihnen zurzeit nicht entfernt von einem so starken wirt¬
schaftlichen Aufschwünge wie bei uns, der ohne weiteres einen starken Geld¬
bedarf mit sich bringt, die Rede sein kann. Gerade jetzt ist also in der Diskont¬
politik doppelte Vorsicht geboten. Der sogenannte „Goldpunkt," das heißt der
Wechselkurs, bei dem der Gvldexport aus Deutschland ein lohnendes Geschäft
wird, beträgt hier augenblicklich:

für Wechsel auf London .... 8 Tage (für 1 Pfd. Sterling) 20 Mark 50 Pfennig
„ Paris.....8 „ ( „ 100 Franken) 81 „ 40 „
„ Se. Petersburg 8 „ („ S00 Rubelnoten) 216 „ S0 „

Sowie sich die Kurse diesen Grenzen nähern oder sie gar überschreiten, ist
also eine Diskonterhöhung unter Umständen auch dann notwendig, wenn sie
sonst in andern Tatsachen nicht begründet ist.

Wenn ich das Gesagte zum Schluß kurz zuscimmeufassen darf, so sind
meiner Ansicht nach der Schutz und die Vermehrung des heimischen Goldvor¬
rats wichtige Aufgaben der Reichsbank, aber einen direkten Einfluß auf die
Kurse unsrer Reichs- und Staatsanleihen hat der Goldvorrat nicht. Deren Kurse
hängen vielmehr von den vorhin geschilderten Verhältnissen ab, und diese günstig
zu gestalten muß darum das Ziel der Regierungen und der Parlamente sein.
Unser unvergleichliches Heer, unsre jugendfrische Marine, unser einzig da¬
stehender Beamtenstand sind starke Garantien für eine schöne Zukunft unsers
Vaterlandes. Geben wir darum Germania zu den körperlichen und den
geistigen Waffen auch die finanzielle Rüstung, damit wir nicht länger das be¬
schämende Schauspiel erleben, daß, wie der preußische Finanzminister erklärte,
„unsre Staatsanleihe,!, die ihrem innern Werte nach die besten der Welt
sind, viel tiefer stehn als die englischen und die französischen und sogar hinter
denen von vielen Staaten untergeordneter Bedeutung zurückbleiben."




Die Ursachen des Zusammenbruchs Preußens
im Jahre ^806
v G. von Lismarck i onn
(Schluß)

ach dem sechsundvierzig Jahre langen harten Regiment des
Königs, das dein Volke notgedrungen schwere Opfer auferlegen
mußte, atmeten die weitesten Kreise erleichtert auf, als man
sich von dem Drucke des überlegnen, alle Verhältnisse be¬
herrschenden Geistes Friedrichs endlich befreit sah. Schon wegen
der ungewöhnlichen Länge der Negierung wünschten die Menschen eine Ver¬
änderung herbei. Man hoffte von dein Nachfolger ein milderes Regiment,W


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[0074] Die Ursachen des Zusammenbruchs Preußens im Zähre ^306 nationale Arbeit durch das Anziehn der Diskontschraube ausgesetzt werde, während der Satz in London und in Paris immer niedriger bleibe als in Berlin. Ganz verschwiegen wird aber in der Regel, daß ein Vergleich mit diesen so viel kapitalkräftigern Ländern nicht so ohne weiteres angängig ist, und daß außerdem in ihnen zurzeit nicht entfernt von einem so starken wirt¬ schaftlichen Aufschwünge wie bei uns, der ohne weiteres einen starken Geld¬ bedarf mit sich bringt, die Rede sein kann. Gerade jetzt ist also in der Diskont¬ politik doppelte Vorsicht geboten. Der sogenannte „Goldpunkt," das heißt der Wechselkurs, bei dem der Gvldexport aus Deutschland ein lohnendes Geschäft wird, beträgt hier augenblicklich: für Wechsel auf London .... 8 Tage (für 1 Pfd. Sterling) 20 Mark 50 Pfennig „ Paris.....8 „ ( „ 100 Franken) 81 „ 40 „ „ Se. Petersburg 8 „ („ S00 Rubelnoten) 216 „ S0 „ Sowie sich die Kurse diesen Grenzen nähern oder sie gar überschreiten, ist also eine Diskonterhöhung unter Umständen auch dann notwendig, wenn sie sonst in andern Tatsachen nicht begründet ist. Wenn ich das Gesagte zum Schluß kurz zuscimmeufassen darf, so sind meiner Ansicht nach der Schutz und die Vermehrung des heimischen Goldvor¬ rats wichtige Aufgaben der Reichsbank, aber einen direkten Einfluß auf die Kurse unsrer Reichs- und Staatsanleihen hat der Goldvorrat nicht. Deren Kurse hängen vielmehr von den vorhin geschilderten Verhältnissen ab, und diese günstig zu gestalten muß darum das Ziel der Regierungen und der Parlamente sein. Unser unvergleichliches Heer, unsre jugendfrische Marine, unser einzig da¬ stehender Beamtenstand sind starke Garantien für eine schöne Zukunft unsers Vaterlandes. Geben wir darum Germania zu den körperlichen und den geistigen Waffen auch die finanzielle Rüstung, damit wir nicht länger das be¬ schämende Schauspiel erleben, daß, wie der preußische Finanzminister erklärte, „unsre Staatsanleihe,!, die ihrem innern Werte nach die besten der Welt sind, viel tiefer stehn als die englischen und die französischen und sogar hinter denen von vielen Staaten untergeordneter Bedeutung zurückbleiben." Die Ursachen des Zusammenbruchs Preußens im Jahre ^806 v G. von Lismarck i onn (Schluß) ach dem sechsundvierzig Jahre langen harten Regiment des Königs, das dein Volke notgedrungen schwere Opfer auferlegen mußte, atmeten die weitesten Kreise erleichtert auf, als man sich von dem Drucke des überlegnen, alle Verhältnisse be¬ herrschenden Geistes Friedrichs endlich befreit sah. Schon wegen der ungewöhnlichen Länge der Negierung wünschten die Menschen eine Ver¬ änderung herbei. Man hoffte von dein Nachfolger ein milderes Regiment,W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/74>, abgerufen am 04.05.2024.