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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Der Bopparder Krieg

Literatur (geboren 87 v, Chr.), aber von Geburt und Art kein Römer, sondern
ein romcmisierter Gallier aus Verona, leichtlebig, erregbar und elegant wie ein
Franzose, und er hat den Reiz seines geliebten Sirmione so lebhaft empfunden
wie ein moderner Mensch. Wie jubelt er auf, als er im Jahre 56 v. Chr. aus
dem fernen Kleinasien wieder zurückkehrt auf eignem, schlankem Schnellsegler,
der ihn nach dem Wortlaute seines Gedichts auch noch den Po und den Mincio
herauf bis in den Gardasee getragen hatte, wie preist er seinen "glänzenden See"
und seine "klaren Wellen", und Sirmio nennt er den "Augapfel aller Inseln
und Halbinseln".

Wenn er hinaussah auf die weite Flut, da konnte er nicht ahnen, daß in
diesen See dereinst eine große Bölkerstraßc von Norden nach dem Süden münden
werde, und daß alljährlich die Nachkommen nordischer Barbaren, von denen er
kaum den Namen kannte, die ihm und seinen Zeitgenossen fürchterlichen Alpen
übersteigen würden, nur um das herrliche Bild in sich aufzunehmen, das er als
ein heimisches schaute.

Literatur:

Nissen, Jtalische Landeskunde I, 167; II, 2.208. I. Jung, Die ro¬
manischen Landschaften des römischen Reichs. H. I. Bidermann, Die Romanen in Öster¬
reich, 187S. S, Riezler, Geschichte Bayerns I. A. Jäger, Geschichte der landständischen
Verfassung Tirols I. Egger, Tirol und Vorarlberg. O. Wanka von Rodlow, Die Brenner¬
straße im Altertum und Mittelalter (Prager Studien aus dem Bereiche der Geschichtswissen¬
schaft VII, 1900). Oorx. ius-orivt. tat. V, 2. A. Meitzen, Siedelung und Agrarwesen der
Westgermanen und Ostgermanen I. III. L. Woltmann, Die Germanen und die Renaissance
in Italien. O. Redlich, Ein alter Bischofssitz im Hochgebirge (Zeitschrift des deutschen und
des deutsch-österreichischen Alpenvereins 1890). F. Krones, Land und Leute Westeuropas
am Schlüsse des Mittelalters (Zeitschrift für allgemeine Geschichte 1887). A. Schulte, Die
Fuggsr in Rom, 1904. L- Neumann, Die deutsche Sprachgrenze in den Alpen, 1886.
G. S o litro, Der Gardasee, deutsch von F. I. Bräuor (in der Sammlung I/ItiM -u'ti8lives, 190S.
I. R. Haarhaus, Auf Goethes Spuren in Italien I (in der Sammlung: Kennst du das
Land?), 1896."




Der Bopparder Krieg
Julius R. Haarhaus Eine rheinische Geschichte von
(Schluß) 6

! er auf die Orgelborner Kirmes folgende Tag hatte für die Bopparder
nie zu den Annehmlichkeiten des Lebens gehört, aber diesesmal lastete
ein Katzenjammer oder wie man es mit einem mildern Ausdruck nannte:
ein Hauptweh über der Stadt, woraus man ohne Schwierigkeit eine
Aschermittwochstimmung hätte bereiten können, die für das ganze Erzstift
! und für den Bedarf von sieben Jahren ausgereicht haben würde.MjMU
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Es war nicht nur der im Übermaß genossene Wein, dem man dieses Haupt-
weh verdankte, sondern auch die Reue darüber, daß man dem Kurfürsten einen
Possen gespielt hatte, für den er, wie auch der Streithandel schließlich enden mochte,


Der Bopparder Krieg

Literatur (geboren 87 v, Chr.), aber von Geburt und Art kein Römer, sondern
ein romcmisierter Gallier aus Verona, leichtlebig, erregbar und elegant wie ein
Franzose, und er hat den Reiz seines geliebten Sirmione so lebhaft empfunden
wie ein moderner Mensch. Wie jubelt er auf, als er im Jahre 56 v. Chr. aus
dem fernen Kleinasien wieder zurückkehrt auf eignem, schlankem Schnellsegler,
der ihn nach dem Wortlaute seines Gedichts auch noch den Po und den Mincio
herauf bis in den Gardasee getragen hatte, wie preist er seinen „glänzenden See"
und seine „klaren Wellen", und Sirmio nennt er den „Augapfel aller Inseln
und Halbinseln".

Wenn er hinaussah auf die weite Flut, da konnte er nicht ahnen, daß in
diesen See dereinst eine große Bölkerstraßc von Norden nach dem Süden münden
werde, und daß alljährlich die Nachkommen nordischer Barbaren, von denen er
kaum den Namen kannte, die ihm und seinen Zeitgenossen fürchterlichen Alpen
übersteigen würden, nur um das herrliche Bild in sich aufzunehmen, das er als
ein heimisches schaute.

Literatur:

Nissen, Jtalische Landeskunde I, 167; II, 2.208. I. Jung, Die ro¬
manischen Landschaften des römischen Reichs. H. I. Bidermann, Die Romanen in Öster¬
reich, 187S. S, Riezler, Geschichte Bayerns I. A. Jäger, Geschichte der landständischen
Verfassung Tirols I. Egger, Tirol und Vorarlberg. O. Wanka von Rodlow, Die Brenner¬
straße im Altertum und Mittelalter (Prager Studien aus dem Bereiche der Geschichtswissen¬
schaft VII, 1900). Oorx. ius-orivt. tat. V, 2. A. Meitzen, Siedelung und Agrarwesen der
Westgermanen und Ostgermanen I. III. L. Woltmann, Die Germanen und die Renaissance
in Italien. O. Redlich, Ein alter Bischofssitz im Hochgebirge (Zeitschrift des deutschen und
des deutsch-österreichischen Alpenvereins 1890). F. Krones, Land und Leute Westeuropas
am Schlüsse des Mittelalters (Zeitschrift für allgemeine Geschichte 1887). A. Schulte, Die
Fuggsr in Rom, 1904. L- Neumann, Die deutsche Sprachgrenze in den Alpen, 1886.
G. S o litro, Der Gardasee, deutsch von F. I. Bräuor (in der Sammlung I/ItiM -u'ti8lives, 190S.
I. R. Haarhaus, Auf Goethes Spuren in Italien I (in der Sammlung: Kennst du das
Land?), 1896."




Der Bopparder Krieg
Julius R. Haarhaus Eine rheinische Geschichte von
(Schluß) 6

! er auf die Orgelborner Kirmes folgende Tag hatte für die Bopparder
nie zu den Annehmlichkeiten des Lebens gehört, aber diesesmal lastete
ein Katzenjammer oder wie man es mit einem mildern Ausdruck nannte:
ein Hauptweh über der Stadt, woraus man ohne Schwierigkeit eine
Aschermittwochstimmung hätte bereiten können, die für das ganze Erzstift
! und für den Bedarf von sieben Jahren ausgereicht haben würde.MjMU
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Es war nicht nur der im Übermaß genossene Wein, dem man dieses Haupt-
weh verdankte, sondern auch die Reue darüber, daß man dem Kurfürsten einen
Possen gespielt hatte, für den er, wie auch der Streithandel schließlich enden mochte,


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[0164] Der Bopparder Krieg Literatur (geboren 87 v, Chr.), aber von Geburt und Art kein Römer, sondern ein romcmisierter Gallier aus Verona, leichtlebig, erregbar und elegant wie ein Franzose, und er hat den Reiz seines geliebten Sirmione so lebhaft empfunden wie ein moderner Mensch. Wie jubelt er auf, als er im Jahre 56 v. Chr. aus dem fernen Kleinasien wieder zurückkehrt auf eignem, schlankem Schnellsegler, der ihn nach dem Wortlaute seines Gedichts auch noch den Po und den Mincio herauf bis in den Gardasee getragen hatte, wie preist er seinen „glänzenden See" und seine „klaren Wellen", und Sirmio nennt er den „Augapfel aller Inseln und Halbinseln". Wenn er hinaussah auf die weite Flut, da konnte er nicht ahnen, daß in diesen See dereinst eine große Bölkerstraßc von Norden nach dem Süden münden werde, und daß alljährlich die Nachkommen nordischer Barbaren, von denen er kaum den Namen kannte, die ihm und seinen Zeitgenossen fürchterlichen Alpen übersteigen würden, nur um das herrliche Bild in sich aufzunehmen, das er als ein heimisches schaute. Literatur: Nissen, Jtalische Landeskunde I, 167; II, 2.208. I. Jung, Die ro¬ manischen Landschaften des römischen Reichs. H. I. Bidermann, Die Romanen in Öster¬ reich, 187S. S, Riezler, Geschichte Bayerns I. A. Jäger, Geschichte der landständischen Verfassung Tirols I. Egger, Tirol und Vorarlberg. O. Wanka von Rodlow, Die Brenner¬ straße im Altertum und Mittelalter (Prager Studien aus dem Bereiche der Geschichtswissen¬ schaft VII, 1900). Oorx. ius-orivt. tat. V, 2. A. Meitzen, Siedelung und Agrarwesen der Westgermanen und Ostgermanen I. III. L. Woltmann, Die Germanen und die Renaissance in Italien. O. Redlich, Ein alter Bischofssitz im Hochgebirge (Zeitschrift des deutschen und des deutsch-österreichischen Alpenvereins 1890). F. Krones, Land und Leute Westeuropas am Schlüsse des Mittelalters (Zeitschrift für allgemeine Geschichte 1887). A. Schulte, Die Fuggsr in Rom, 1904. L- Neumann, Die deutsche Sprachgrenze in den Alpen, 1886. G. S o litro, Der Gardasee, deutsch von F. I. Bräuor (in der Sammlung I/ItiM -u'ti8lives, 190S. I. R. Haarhaus, Auf Goethes Spuren in Italien I (in der Sammlung: Kennst du das Land?), 1896." Der Bopparder Krieg Julius R. Haarhaus Eine rheinische Geschichte von (Schluß) 6 ! er auf die Orgelborner Kirmes folgende Tag hatte für die Bopparder nie zu den Annehmlichkeiten des Lebens gehört, aber diesesmal lastete ein Katzenjammer oder wie man es mit einem mildern Ausdruck nannte: ein Hauptweh über der Stadt, woraus man ohne Schwierigkeit eine Aschermittwochstimmung hätte bereiten können, die für das ganze Erzstift ! und für den Bedarf von sieben Jahren ausgereicht haben würde.MjMU He^WH ^e^- Es war nicht nur der im Übermaß genossene Wein, dem man dieses Haupt- weh verdankte, sondern auch die Reue darüber, daß man dem Kurfürsten einen Possen gespielt hatte, für den er, wie auch der Streithandel schließlich enden mochte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/164>, abgerufen am 30.04.2024.