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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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erregende Südamerikas ist. Natürlich wird es immer selbstherrliche Gouverneure
geben, und ob es bei den Wahlen je ehrlich hergehn wird, mag der Himmel
wissen, aber das Land ist doch schon zu zivilisiert, als daß gelegentliche
Revolutionsversuche nicht sofort unterdrückt werden könnten, und Handel und
Industrie sind weder durch die unvermeidlichen Wahlmachenschaften noch durch
gelegentliche Selbstherrlichkeitsgelüste irgendwelcher Provinzialgouverneure em¬
pfindlich geschädigt worden, dafür spricht wohl am besten der enorme Auf¬
schwung, den das Land in den letzten zehn Jahren genommen hat.

Die Erhaltung der Nationalität wird uns in Argentinien schon dadurch
leicht gemacht, daß wir uns in so großen zusammenhängenden Kolonien an¬
siedeln können wie vielleicht sonst nirgendwo. Auch sind schon zahlreiche große
deutsche Siedlungen in allen Teilen des Landes vorhanden. Die meisten dieser
Kolonien haben eine rein deutsche Bevölkerung, einige von ihnen sind heute
schon blühende Ortschaften, fast alle aber sind Mittelpunkte segensreicher land¬
wirtschaftlicher Tätigkeit geworden.

Argentinien entspricht unsers Erachtens allen Anforderungen, die man
billigerweise an ein Land stellen kann, das den Überschuß unsrer Bevölkerung
aufnehmen will, und hat auch eine große und sichere Zukunft. Von uns wird
es abhängen, wie weit wir an dieser Zukunft teilnehmen wollen.




(Line neue Arbeiterpartei

> mer der meistgenannten Männer in Frankreich ist heute der Uhr¬
macher Pierre Bietry. Er ist in der durch revolutionäre Aus¬
schreitungen bekannten Stadt Brest zum Deputierten gewählt
worden und wird in den Parteilisten als Antisozialist geführt.
! Er selbst unterzeichnet sich als Präsident der ^öävraticm NÄtionills
ass ^auvsL as Kranes. Die Gelben! Man hatte ja schon viel gelesen und
gesprochen von diesen Leuten mit dem nicht gerade sehr gewinnenden Namen,
man wußte, daß es fast bei allen Streiks Raufereien zwischen den Roten und
den Gelben, den Gewerkschaftssozialisten und den Arbeitswilligen, gegeben hat,
und daß das Militär in der Regel zum Schutze dieser Gelben eingreifen mußte.
Was sonst hinter dieser neuen Parteibezeichnung eigentlich stecke, wußte man
aber nicht, und so wurde denn das erste Auftreten Bietrys in der Kammer¬
sitzung vom 15. Juni mit einiger Neugierde erwartet. Er war an dem Tage
ein kranker Mann; um so höher schätzte man seinen Mut und die Ruhe ein,
mit der er sich den vor Wut halb unzurechnungsfähigen und tobenden Ge¬
nossen gegenüberstellte. Er sprach klar und trotz den unaufhörlichen Zwischen-


Line neue Arbeiterpartei

erregende Südamerikas ist. Natürlich wird es immer selbstherrliche Gouverneure
geben, und ob es bei den Wahlen je ehrlich hergehn wird, mag der Himmel
wissen, aber das Land ist doch schon zu zivilisiert, als daß gelegentliche
Revolutionsversuche nicht sofort unterdrückt werden könnten, und Handel und
Industrie sind weder durch die unvermeidlichen Wahlmachenschaften noch durch
gelegentliche Selbstherrlichkeitsgelüste irgendwelcher Provinzialgouverneure em¬
pfindlich geschädigt worden, dafür spricht wohl am besten der enorme Auf¬
schwung, den das Land in den letzten zehn Jahren genommen hat.

Die Erhaltung der Nationalität wird uns in Argentinien schon dadurch
leicht gemacht, daß wir uns in so großen zusammenhängenden Kolonien an¬
siedeln können wie vielleicht sonst nirgendwo. Auch sind schon zahlreiche große
deutsche Siedlungen in allen Teilen des Landes vorhanden. Die meisten dieser
Kolonien haben eine rein deutsche Bevölkerung, einige von ihnen sind heute
schon blühende Ortschaften, fast alle aber sind Mittelpunkte segensreicher land¬
wirtschaftlicher Tätigkeit geworden.

Argentinien entspricht unsers Erachtens allen Anforderungen, die man
billigerweise an ein Land stellen kann, das den Überschuß unsrer Bevölkerung
aufnehmen will, und hat auch eine große und sichere Zukunft. Von uns wird
es abhängen, wie weit wir an dieser Zukunft teilnehmen wollen.




(Line neue Arbeiterpartei

> mer der meistgenannten Männer in Frankreich ist heute der Uhr¬
macher Pierre Bietry. Er ist in der durch revolutionäre Aus¬
schreitungen bekannten Stadt Brest zum Deputierten gewählt
worden und wird in den Parteilisten als Antisozialist geführt.
! Er selbst unterzeichnet sich als Präsident der ^öävraticm NÄtionills
ass ^auvsL as Kranes. Die Gelben! Man hatte ja schon viel gelesen und
gesprochen von diesen Leuten mit dem nicht gerade sehr gewinnenden Namen,
man wußte, daß es fast bei allen Streiks Raufereien zwischen den Roten und
den Gelben, den Gewerkschaftssozialisten und den Arbeitswilligen, gegeben hat,
und daß das Militär in der Regel zum Schutze dieser Gelben eingreifen mußte.
Was sonst hinter dieser neuen Parteibezeichnung eigentlich stecke, wußte man
aber nicht, und so wurde denn das erste Auftreten Bietrys in der Kammer¬
sitzung vom 15. Juni mit einiger Neugierde erwartet. Er war an dem Tage
ein kranker Mann; um so höher schätzte man seinen Mut und die Ruhe ein,
mit der er sich den vor Wut halb unzurechnungsfähigen und tobenden Ge¬
nossen gegenüberstellte. Er sprach klar und trotz den unaufhörlichen Zwischen-


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[0186] Line neue Arbeiterpartei erregende Südamerikas ist. Natürlich wird es immer selbstherrliche Gouverneure geben, und ob es bei den Wahlen je ehrlich hergehn wird, mag der Himmel wissen, aber das Land ist doch schon zu zivilisiert, als daß gelegentliche Revolutionsversuche nicht sofort unterdrückt werden könnten, und Handel und Industrie sind weder durch die unvermeidlichen Wahlmachenschaften noch durch gelegentliche Selbstherrlichkeitsgelüste irgendwelcher Provinzialgouverneure em¬ pfindlich geschädigt worden, dafür spricht wohl am besten der enorme Auf¬ schwung, den das Land in den letzten zehn Jahren genommen hat. Die Erhaltung der Nationalität wird uns in Argentinien schon dadurch leicht gemacht, daß wir uns in so großen zusammenhängenden Kolonien an¬ siedeln können wie vielleicht sonst nirgendwo. Auch sind schon zahlreiche große deutsche Siedlungen in allen Teilen des Landes vorhanden. Die meisten dieser Kolonien haben eine rein deutsche Bevölkerung, einige von ihnen sind heute schon blühende Ortschaften, fast alle aber sind Mittelpunkte segensreicher land¬ wirtschaftlicher Tätigkeit geworden. Argentinien entspricht unsers Erachtens allen Anforderungen, die man billigerweise an ein Land stellen kann, das den Überschuß unsrer Bevölkerung aufnehmen will, und hat auch eine große und sichere Zukunft. Von uns wird es abhängen, wie weit wir an dieser Zukunft teilnehmen wollen. (Line neue Arbeiterpartei > mer der meistgenannten Männer in Frankreich ist heute der Uhr¬ macher Pierre Bietry. Er ist in der durch revolutionäre Aus¬ schreitungen bekannten Stadt Brest zum Deputierten gewählt worden und wird in den Parteilisten als Antisozialist geführt. ! Er selbst unterzeichnet sich als Präsident der ^öävraticm NÄtionills ass ^auvsL as Kranes. Die Gelben! Man hatte ja schon viel gelesen und gesprochen von diesen Leuten mit dem nicht gerade sehr gewinnenden Namen, man wußte, daß es fast bei allen Streiks Raufereien zwischen den Roten und den Gelben, den Gewerkschaftssozialisten und den Arbeitswilligen, gegeben hat, und daß das Militär in der Regel zum Schutze dieser Gelben eingreifen mußte. Was sonst hinter dieser neuen Parteibezeichnung eigentlich stecke, wußte man aber nicht, und so wurde denn das erste Auftreten Bietrys in der Kammer¬ sitzung vom 15. Juni mit einiger Neugierde erwartet. Er war an dem Tage ein kranker Mann; um so höher schätzte man seinen Mut und die Ruhe ein, mit der er sich den vor Wut halb unzurechnungsfähigen und tobenden Ge¬ nossen gegenüberstellte. Er sprach klar und trotz den unaufhörlichen Zwischen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/186>, abgerufen am 30.04.2024.