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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Eckermann an Goethe
H, Gerstenberg Zwei ""gedruckte Briefe, mitgeteilt von

D
M>nde Ma des Jahres 1823 trat Eckermann in Hannover die für
!ihn so bedeutsame Wanderung nach Weimar an. Goethe einmal
einige Augenblicke persönlich nahe zu sein, war der Wunsch, der
I ihn beseelte. Als Quartiermacher war ihm, dessen Gedichte schon
I eine günstige Beurteilung durch Goethe gefunden hatten, die Hand¬
schrift seiner "Beiträge zur Poesie" vorausgegangen, und diese taten ihre Schuldig¬
keit: sie öffneten ihrem Verfasser das Haus am Frauenplan. Die ersten Besuche
dort wurden für seine Zukunft entscheidend. Goethes Einladung, den Winter
hindurch in Weimar zu bleiben, wurde freudig angenommen. Bot sich doch die
beglückende Aussicht, daß aus den Augenblicken, die Eckermann dem Meister
nahe zu sein gewünscht hatte, Jahre werden könnten. In der Tat blieb seil?
Leben und Wirken dauernd mit Goethe und Weimar verbunden.

Bei allem Glück, um den Dichter weiten, seine Arbeiten unterstützen, seinen
Gesprächen lauschen, sich seiner Gunst erfreuen zu dürfen -- bei allem diesen
Glück brachte Eckermann doch auch ein Opfer. Als er nach Weimar wanderte,
ließ er in Hannover eine geliebte Braut, Johanne Bertram, zurück. Eine ge¬
sicherte Lebensstellung zu gewinnen, um sein Hannchen heimführen zu können,
war sein sehnlichster Wunsch. Aber dessen Erfüllung mußte er von Jahr zu
Jahr hinausschieben, da er sich nicht entschließen konnte, fern von Goethe sein
Glück zu suchen, und da er in Weimar nicht so schnell ein festes Amt fand.
Endlich, 1831, war die Zeit des Wartens vorüber. Aber Eckermann führte
sein Hannchen nur zu kurzem Glück in sein Heim; denn nach kaum zweiundein-
halbjähriger Ehe mußte er seine geliebte Frau dein Allbezwinger Tod hingeben.

Während des laugen Brautstandes waren die Verlobten hauptsächlich auf
brieflichen Verkehr angewiesen, von dem der Bearbeiter des Eckermannschen Nach¬
lasses, Friedrich Tewes. kürzlich reichhaltige Zeugnisse veröffentlicht hat.") Doch
schon ein Jahr nach seinem ersten Eintritt in Weimar, im Mai 1824, verlebte
Eckermann einige Wochen bei der Braut in Hannover. Da er im nächsten
Jahre ans verschiednen Gründen ans eine Reise verzichten mußte, hoffte er um
so mehr auf das folgende, und am 26. Mai 1826 konnte er dem jüngern Bruder
seiner Braut, seinem Freunde Wilhelm Bertram in Hannover, melden, daß er



*) Aus Goethes Lebenskreise. I. P. Eckermanns Nachlaß. Band I. Berlin, 1905.
Grenzboten III 1906 4


Eckermann an Goethe
H, Gerstenberg Zwei »«gedruckte Briefe, mitgeteilt von

D
M>nde Ma des Jahres 1823 trat Eckermann in Hannover die für
!ihn so bedeutsame Wanderung nach Weimar an. Goethe einmal
einige Augenblicke persönlich nahe zu sein, war der Wunsch, der
I ihn beseelte. Als Quartiermacher war ihm, dessen Gedichte schon
I eine günstige Beurteilung durch Goethe gefunden hatten, die Hand¬
schrift seiner „Beiträge zur Poesie" vorausgegangen, und diese taten ihre Schuldig¬
keit: sie öffneten ihrem Verfasser das Haus am Frauenplan. Die ersten Besuche
dort wurden für seine Zukunft entscheidend. Goethes Einladung, den Winter
hindurch in Weimar zu bleiben, wurde freudig angenommen. Bot sich doch die
beglückende Aussicht, daß aus den Augenblicken, die Eckermann dem Meister
nahe zu sein gewünscht hatte, Jahre werden könnten. In der Tat blieb seil?
Leben und Wirken dauernd mit Goethe und Weimar verbunden.

Bei allem Glück, um den Dichter weiten, seine Arbeiten unterstützen, seinen
Gesprächen lauschen, sich seiner Gunst erfreuen zu dürfen — bei allem diesen
Glück brachte Eckermann doch auch ein Opfer. Als er nach Weimar wanderte,
ließ er in Hannover eine geliebte Braut, Johanne Bertram, zurück. Eine ge¬
sicherte Lebensstellung zu gewinnen, um sein Hannchen heimführen zu können,
war sein sehnlichster Wunsch. Aber dessen Erfüllung mußte er von Jahr zu
Jahr hinausschieben, da er sich nicht entschließen konnte, fern von Goethe sein
Glück zu suchen, und da er in Weimar nicht so schnell ein festes Amt fand.
Endlich, 1831, war die Zeit des Wartens vorüber. Aber Eckermann führte
sein Hannchen nur zu kurzem Glück in sein Heim; denn nach kaum zweiundein-
halbjähriger Ehe mußte er seine geliebte Frau dein Allbezwinger Tod hingeben.

Während des laugen Brautstandes waren die Verlobten hauptsächlich auf
brieflichen Verkehr angewiesen, von dem der Bearbeiter des Eckermannschen Nach¬
lasses, Friedrich Tewes. kürzlich reichhaltige Zeugnisse veröffentlicht hat.") Doch
schon ein Jahr nach seinem ersten Eintritt in Weimar, im Mai 1824, verlebte
Eckermann einige Wochen bei der Braut in Hannover. Da er im nächsten
Jahre ans verschiednen Gründen ans eine Reise verzichten mußte, hoffte er um
so mehr auf das folgende, und am 26. Mai 1826 konnte er dem jüngern Bruder
seiner Braut, seinem Freunde Wilhelm Bertram in Hannover, melden, daß er



*) Aus Goethes Lebenskreise. I. P. Eckermanns Nachlaß. Band I. Berlin, 1905.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/33>, abgerufen am 30.04.2024.