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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Eckermaun an Goethe

Hier endet der Bericht des zweiten Briefes, in dem nicht näher angegeben ist,
wann und wo er geschrieben ist, und zugleich verlieren wir Eckermanns Spur,
Wir werden ihn zunächst bei seiner Braut in Bleckede vermuten müssen, wo er
nicht lange verweilt haben kann. Er ist dann in Hamburg gewesen, darauf in
Stade. Daß er von hier aus einen Brief an Goethe abgeschickt hat, bemerkt
dieser in seinem Tagebuche am 28. Juni 1326: "Brief von Eckermann aus
Stade", und wenn er am 29. Juni hinzufügt: "Gestern war ein umständliches
Neisediarium von Eckermann angekommen", so weist schon diese Bezeichnung
ganz zweifellos auf die beiden folgenden Briefe hin, die sehr wohl als eine
einheitliche Sendung zu betrachten sind.

Am 2. Juli richtet Eckermann, auf der Rückreise nach Weimar begriffen,
von Hannover aus einen Brief an seine Braut. Am 14. Juli trifft er wieder
in Weimar ein. "Abends kam Dr. Eckermann," schreibt Goethe an diesem Tage.
"Erzählte von Hamburg, Stade und den dortigen Anschwemmungen, Einrichtungen,
Ansiedelungen." Und Eckermann berichtet bald darauf seinem Hmmchen: "Gegen
Abend in Weimar angekommen, war mein erster Weg zu Goethe. Zelter war
bei ihm, wir hatten große Freude uns wieder zu sehen. Ich blieb den ganzen
Abend bey Goethe und mußte ihm immer erzählen. Meine Briefe hatte er mit
großem Interesse gelesen und er machte mir zärtliche Vorwürfe daß ich mein
Tagebuch nicht fortgesetzt. ... Er sprach diese Tage noch oft von meinen er¬
lebten Späßen, und lobte gegen Zelter daß ich alles mit so freyem Geiste ge¬
sehen." Ottilie von Goethe hatte ebenfalls seine tagebuchartigen Briefe ge¬
lesen. Die Reise bot mich später Gesprächsstoff für Goethe und Eckermann, so
teilt dieser am 24. Juli (nach Goethes Tagebuch) "mancherlei Beobachtungen
mit, die er auf seiner Hamburger Reise gemacht".

Nunmehr mag der Text der beiden Briefe folgen, der, ans zehn Bogen
geschrieben, insgesamt siebenunddreißig Seiten umfaßt.

1.

An Goethe.

0as8s1 d. 8. ^unz- 182K.
Donnerstag.

Mein Herz treibt mich, Eure Excellenz schon heute mitzutheilen was ich bis
jetzt auf meiner heiteren Reise erlebt habe. Die Gegenstände aber drängen sich
übereinander, ich will von vorne anfangen und Alles nur flüchtig berühren.

Dienstag Morgen halb 8. von Weimar abgefahren, begleitete
mich zur Post. Preller stieg mit ein um wie Sie wissen nach Mailand zu
gehen. 12. Personen nahm der Eilwagen auf. 6. in der Mitte, 3. hinten im
Anhange worunter Preller; ich war so glücklich mit dem Conducteur und einer



*) Karl Laroche (1796 bis 1884), 1823 bis 1833 Schauspieler und Regisseur am Hoftheater
in Weimar, der erste Darsteller des Mephistopheles, war Eckermann befreundet. Ein ihm ge¬
widmetes Gedicht in Eckermanns Gedichten (1888, S. 1Z4).
Eckermaun an Goethe

Hier endet der Bericht des zweiten Briefes, in dem nicht näher angegeben ist,
wann und wo er geschrieben ist, und zugleich verlieren wir Eckermanns Spur,
Wir werden ihn zunächst bei seiner Braut in Bleckede vermuten müssen, wo er
nicht lange verweilt haben kann. Er ist dann in Hamburg gewesen, darauf in
Stade. Daß er von hier aus einen Brief an Goethe abgeschickt hat, bemerkt
dieser in seinem Tagebuche am 28. Juni 1326: „Brief von Eckermann aus
Stade", und wenn er am 29. Juni hinzufügt: „Gestern war ein umständliches
Neisediarium von Eckermann angekommen", so weist schon diese Bezeichnung
ganz zweifellos auf die beiden folgenden Briefe hin, die sehr wohl als eine
einheitliche Sendung zu betrachten sind.

Am 2. Juli richtet Eckermann, auf der Rückreise nach Weimar begriffen,
von Hannover aus einen Brief an seine Braut. Am 14. Juli trifft er wieder
in Weimar ein. „Abends kam Dr. Eckermann," schreibt Goethe an diesem Tage.
„Erzählte von Hamburg, Stade und den dortigen Anschwemmungen, Einrichtungen,
Ansiedelungen." Und Eckermann berichtet bald darauf seinem Hmmchen: „Gegen
Abend in Weimar angekommen, war mein erster Weg zu Goethe. Zelter war
bei ihm, wir hatten große Freude uns wieder zu sehen. Ich blieb den ganzen
Abend bey Goethe und mußte ihm immer erzählen. Meine Briefe hatte er mit
großem Interesse gelesen und er machte mir zärtliche Vorwürfe daß ich mein
Tagebuch nicht fortgesetzt. ... Er sprach diese Tage noch oft von meinen er¬
lebten Späßen, und lobte gegen Zelter daß ich alles mit so freyem Geiste ge¬
sehen." Ottilie von Goethe hatte ebenfalls seine tagebuchartigen Briefe ge¬
lesen. Die Reise bot mich später Gesprächsstoff für Goethe und Eckermann, so
teilt dieser am 24. Juli (nach Goethes Tagebuch) „mancherlei Beobachtungen
mit, die er auf seiner Hamburger Reise gemacht".

Nunmehr mag der Text der beiden Briefe folgen, der, ans zehn Bogen
geschrieben, insgesamt siebenunddreißig Seiten umfaßt.

1.

An Goethe.

0as8s1 d. 8. ^unz- 182K.
Donnerstag.

Mein Herz treibt mich, Eure Excellenz schon heute mitzutheilen was ich bis
jetzt auf meiner heiteren Reise erlebt habe. Die Gegenstände aber drängen sich
übereinander, ich will von vorne anfangen und Alles nur flüchtig berühren.

Dienstag Morgen halb 8. von Weimar abgefahren, begleitete
mich zur Post. Preller stieg mit ein um wie Sie wissen nach Mailand zu
gehen. 12. Personen nahm der Eilwagen auf. 6. in der Mitte, 3. hinten im
Anhange worunter Preller; ich war so glücklich mit dem Conducteur und einer



*) Karl Laroche (1796 bis 1884), 1823 bis 1833 Schauspieler und Regisseur am Hoftheater
in Weimar, der erste Darsteller des Mephistopheles, war Eckermann befreundet. Ein ihm ge¬
widmetes Gedicht in Eckermanns Gedichten (1888, S. 1Z4).
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[0035] Eckermaun an Goethe Hier endet der Bericht des zweiten Briefes, in dem nicht näher angegeben ist, wann und wo er geschrieben ist, und zugleich verlieren wir Eckermanns Spur, Wir werden ihn zunächst bei seiner Braut in Bleckede vermuten müssen, wo er nicht lange verweilt haben kann. Er ist dann in Hamburg gewesen, darauf in Stade. Daß er von hier aus einen Brief an Goethe abgeschickt hat, bemerkt dieser in seinem Tagebuche am 28. Juni 1326: „Brief von Eckermann aus Stade", und wenn er am 29. Juni hinzufügt: „Gestern war ein umständliches Neisediarium von Eckermann angekommen", so weist schon diese Bezeichnung ganz zweifellos auf die beiden folgenden Briefe hin, die sehr wohl als eine einheitliche Sendung zu betrachten sind. Am 2. Juli richtet Eckermann, auf der Rückreise nach Weimar begriffen, von Hannover aus einen Brief an seine Braut. Am 14. Juli trifft er wieder in Weimar ein. „Abends kam Dr. Eckermann," schreibt Goethe an diesem Tage. „Erzählte von Hamburg, Stade und den dortigen Anschwemmungen, Einrichtungen, Ansiedelungen." Und Eckermann berichtet bald darauf seinem Hmmchen: „Gegen Abend in Weimar angekommen, war mein erster Weg zu Goethe. Zelter war bei ihm, wir hatten große Freude uns wieder zu sehen. Ich blieb den ganzen Abend bey Goethe und mußte ihm immer erzählen. Meine Briefe hatte er mit großem Interesse gelesen und er machte mir zärtliche Vorwürfe daß ich mein Tagebuch nicht fortgesetzt. ... Er sprach diese Tage noch oft von meinen er¬ lebten Späßen, und lobte gegen Zelter daß ich alles mit so freyem Geiste ge¬ sehen." Ottilie von Goethe hatte ebenfalls seine tagebuchartigen Briefe ge¬ lesen. Die Reise bot mich später Gesprächsstoff für Goethe und Eckermann, so teilt dieser am 24. Juli (nach Goethes Tagebuch) „mancherlei Beobachtungen mit, die er auf seiner Hamburger Reise gemacht". Nunmehr mag der Text der beiden Briefe folgen, der, ans zehn Bogen geschrieben, insgesamt siebenunddreißig Seiten umfaßt. 1. An Goethe. 0as8s1 d. 8. ^unz- 182K. Donnerstag. Mein Herz treibt mich, Eure Excellenz schon heute mitzutheilen was ich bis jetzt auf meiner heiteren Reise erlebt habe. Die Gegenstände aber drängen sich übereinander, ich will von vorne anfangen und Alles nur flüchtig berühren. Dienstag Morgen halb 8. von Weimar abgefahren, begleitete mich zur Post. Preller stieg mit ein um wie Sie wissen nach Mailand zu gehen. 12. Personen nahm der Eilwagen auf. 6. in der Mitte, 3. hinten im Anhange worunter Preller; ich war so glücklich mit dem Conducteur und einer *) Karl Laroche (1796 bis 1884), 1823 bis 1833 Schauspieler und Regisseur am Hoftheater in Weimar, der erste Darsteller des Mephistopheles, war Eckermann befreundet. Ein ihm ge¬ widmetes Gedicht in Eckermanns Gedichten (1888, S. 1Z4).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/35>, abgerufen am 30.04.2024.