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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Llizabeth percy
Matilda Mailing von(Fortsetzung)

in nächsten Morgen auf dem Wege nach Aork ritt nicht Kapitän Percy
an Lady Elizabeths Seite, sondern der schwedische Graf. Und er
war wirklich ein viel muntrerer und lustigerer Kavalier als der schwer¬
mütige und mißtrauische Harry. Sein Englisch, das er auf die
flotteste Weise mit Französisch und Italienisch vermischte, war so
amüsant und dabei so unwiderstehlich graziös, daß Lady Elizabeth
allmählich zu der Ansicht gelangte, seine Sprache sei die bezauberndste, die sie jemals
gehört hatte. Und wie er erzählen konnte! Nicht plump und grob sich in alle
möglichen geschmacklosen Details vertiefend wie Mylady Sophia, sondern fein und
überlegen das Zweideutige streifend, ohne es jemals zu nennen. Er ließ einen
die Pointe erraten, und man fand, daß man in seiner Gesellschaft selbst witziger
und klüger wurde. Und wie er aussah! Schlank und groß -- ebenso groß wie
Harry, aber viel schmächtiger und feiner, mit einer Haltung wie ein junger Prinz,
der gewöhnt ist, überall nur gebeugte Nacken zu treffen; reich gekleidet in Spitzen,
goldnen Geschmeiden und Galons vom Hut bis hinab zu den Stiefeln. Große
und fremde Namen: Venedig, Malta, Cadiz, Madrid, der Kaiser, König Ludwig,
Fürst Morosiin, Monsieur, die Königin von Spanien, der Prinz von Conto --
Namen, die einen Duft vom Mittelmeer, von Rosen, von güldnen Weinranken, von
Hofparsüm, von dem Blut der Arena und der Schlachtfelder allein auf ihren
Schallwellen hertrugen, nannte er ruhig, flüchtig, ohne Prahlerei. Seinen eignen
Namen nannte er selten direkt -- aus Lady Sophias Schilderung hätte man den
Eindruck erhalten können, daß er ein faber und affektierter Prahlhans sei -- keines¬
wegs! Er war ein wandernder Ritter, ein Märchenprinz, dessen Gürtel, Stiefel-
schaft und Sattelfutteral angefüllt waren mit Heldentaten, die er ausgeführt hatte
"der hatte ausführen sehen, man ahnte sie, sah sie von weitem, doch wurden sie
")ehe zur Betrachtung herbeigezogen. Ebensowenig wie der Rubin -- "so groß wie
ein Kiebitzei!" -- und die goldne Dose mit König Ludwigs leicht erkennbaren Profil,
die er bei sich trug und benutzte, von der er aber nicht sprach.

Er war blond und frisch, seine Haut war fein, brünett, gleichsam vergoldet
vom Sonnenbrand. Wie Harry Percy trug er sein eignes Haar -- lang und hell
und gelockt, und seidenweich fiel es ihm über den Rücken und auf die Brust hinab --
fast bis an den Gürtel. Die Augen waren blau, ungewöhnlich strahlend und warm,
°le Nase gebogen und hoch, der Mund schelmisch und ein wenig spöttisch. Mitten
U dem langen Kinn lächelte ein tiefes Grübchen. Und das Eigentümliche an seinem
äußern war. daß man es nicht vergessen konnte, wenn man es einmal gesehen hatte.

Er hatte die schöne Singstimme seiner Landsleute. Am Morgen, als sie vor
der Abreise aus dem Wirtshause die Hymne für Reisende sangen, hatten sie alle




Llizabeth percy
Matilda Mailing von(Fortsetzung)

in nächsten Morgen auf dem Wege nach Aork ritt nicht Kapitän Percy
an Lady Elizabeths Seite, sondern der schwedische Graf. Und er
war wirklich ein viel muntrerer und lustigerer Kavalier als der schwer¬
mütige und mißtrauische Harry. Sein Englisch, das er auf die
flotteste Weise mit Französisch und Italienisch vermischte, war so
amüsant und dabei so unwiderstehlich graziös, daß Lady Elizabeth
allmählich zu der Ansicht gelangte, seine Sprache sei die bezauberndste, die sie jemals
gehört hatte. Und wie er erzählen konnte! Nicht plump und grob sich in alle
möglichen geschmacklosen Details vertiefend wie Mylady Sophia, sondern fein und
überlegen das Zweideutige streifend, ohne es jemals zu nennen. Er ließ einen
die Pointe erraten, und man fand, daß man in seiner Gesellschaft selbst witziger
und klüger wurde. Und wie er aussah! Schlank und groß — ebenso groß wie
Harry, aber viel schmächtiger und feiner, mit einer Haltung wie ein junger Prinz,
der gewöhnt ist, überall nur gebeugte Nacken zu treffen; reich gekleidet in Spitzen,
goldnen Geschmeiden und Galons vom Hut bis hinab zu den Stiefeln. Große
und fremde Namen: Venedig, Malta, Cadiz, Madrid, der Kaiser, König Ludwig,
Fürst Morosiin, Monsieur, die Königin von Spanien, der Prinz von Conto —
Namen, die einen Duft vom Mittelmeer, von Rosen, von güldnen Weinranken, von
Hofparsüm, von dem Blut der Arena und der Schlachtfelder allein auf ihren
Schallwellen hertrugen, nannte er ruhig, flüchtig, ohne Prahlerei. Seinen eignen
Namen nannte er selten direkt — aus Lady Sophias Schilderung hätte man den
Eindruck erhalten können, daß er ein faber und affektierter Prahlhans sei — keines¬
wegs! Er war ein wandernder Ritter, ein Märchenprinz, dessen Gürtel, Stiefel-
schaft und Sattelfutteral angefüllt waren mit Heldentaten, die er ausgeführt hatte
"der hatte ausführen sehen, man ahnte sie, sah sie von weitem, doch wurden sie
")ehe zur Betrachtung herbeigezogen. Ebensowenig wie der Rubin — „so groß wie
ein Kiebitzei!" — und die goldne Dose mit König Ludwigs leicht erkennbaren Profil,
die er bei sich trug und benutzte, von der er aber nicht sprach.

Er war blond und frisch, seine Haut war fein, brünett, gleichsam vergoldet
vom Sonnenbrand. Wie Harry Percy trug er sein eignes Haar — lang und hell
und gelockt, und seidenweich fiel es ihm über den Rücken und auf die Brust hinab —
fast bis an den Gürtel. Die Augen waren blau, ungewöhnlich strahlend und warm,
°le Nase gebogen und hoch, der Mund schelmisch und ein wenig spöttisch. Mitten
U dem langen Kinn lächelte ein tiefes Grübchen. Und das Eigentümliche an seinem
äußern war. daß man es nicht vergessen konnte, wenn man es einmal gesehen hatte.

Er hatte die schöne Singstimme seiner Landsleute. Am Morgen, als sie vor
der Abreise aus dem Wirtshause die Hymne für Reisende sangen, hatten sie alle


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[0427] [Abbildung] Llizabeth percy Matilda Mailing von(Fortsetzung) in nächsten Morgen auf dem Wege nach Aork ritt nicht Kapitän Percy an Lady Elizabeths Seite, sondern der schwedische Graf. Und er war wirklich ein viel muntrerer und lustigerer Kavalier als der schwer¬ mütige und mißtrauische Harry. Sein Englisch, das er auf die flotteste Weise mit Französisch und Italienisch vermischte, war so amüsant und dabei so unwiderstehlich graziös, daß Lady Elizabeth allmählich zu der Ansicht gelangte, seine Sprache sei die bezauberndste, die sie jemals gehört hatte. Und wie er erzählen konnte! Nicht plump und grob sich in alle möglichen geschmacklosen Details vertiefend wie Mylady Sophia, sondern fein und überlegen das Zweideutige streifend, ohne es jemals zu nennen. Er ließ einen die Pointe erraten, und man fand, daß man in seiner Gesellschaft selbst witziger und klüger wurde. Und wie er aussah! Schlank und groß — ebenso groß wie Harry, aber viel schmächtiger und feiner, mit einer Haltung wie ein junger Prinz, der gewöhnt ist, überall nur gebeugte Nacken zu treffen; reich gekleidet in Spitzen, goldnen Geschmeiden und Galons vom Hut bis hinab zu den Stiefeln. Große und fremde Namen: Venedig, Malta, Cadiz, Madrid, der Kaiser, König Ludwig, Fürst Morosiin, Monsieur, die Königin von Spanien, der Prinz von Conto — Namen, die einen Duft vom Mittelmeer, von Rosen, von güldnen Weinranken, von Hofparsüm, von dem Blut der Arena und der Schlachtfelder allein auf ihren Schallwellen hertrugen, nannte er ruhig, flüchtig, ohne Prahlerei. Seinen eignen Namen nannte er selten direkt — aus Lady Sophias Schilderung hätte man den Eindruck erhalten können, daß er ein faber und affektierter Prahlhans sei — keines¬ wegs! Er war ein wandernder Ritter, ein Märchenprinz, dessen Gürtel, Stiefel- schaft und Sattelfutteral angefüllt waren mit Heldentaten, die er ausgeführt hatte "der hatte ausführen sehen, man ahnte sie, sah sie von weitem, doch wurden sie ")ehe zur Betrachtung herbeigezogen. Ebensowenig wie der Rubin — „so groß wie ein Kiebitzei!" — und die goldne Dose mit König Ludwigs leicht erkennbaren Profil, die er bei sich trug und benutzte, von der er aber nicht sprach. Er war blond und frisch, seine Haut war fein, brünett, gleichsam vergoldet vom Sonnenbrand. Wie Harry Percy trug er sein eignes Haar — lang und hell und gelockt, und seidenweich fiel es ihm über den Rücken und auf die Brust hinab — fast bis an den Gürtel. Die Augen waren blau, ungewöhnlich strahlend und warm, °le Nase gebogen und hoch, der Mund schelmisch und ein wenig spöttisch. Mitten U dem langen Kinn lächelte ein tiefes Grübchen. Und das Eigentümliche an seinem äußern war. daß man es nicht vergessen konnte, wenn man es einmal gesehen hatte. Er hatte die schöne Singstimme seiner Landsleute. Am Morgen, als sie vor der Abreise aus dem Wirtshause die Hymne für Reisende sangen, hatten sie alle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/427>, abgerufen am 30.04.2024.