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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

ihrer Zeit gewesen. Völker wollen geführt sein, und sie werden diese Führung
immer viel lieber in der Hand eines machtvollen Staatsoberhauptes sehen, das
nicht nur von den Ideen seiner Zeit und seines Volkes durchdrungen ist, sondern
sie auch führend zu gestalten weiß, als in der Hand von Parlamenten mit
wechselnden Majoritäten, aber niemals aufhörenden Eifersüchteleien, Eitelkeiten
und Parteiinteressen. In jedem aufsteigenden Lande wird es immer das Königtum
sein, das im Wechsel der Dinge und der Mehrheiten das Bleibende des natio¬
H. I- nalen Gedankens und der staatlichen Zwecke repräsentiert.




Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

W
Meben allen Sorgen und Spannungen, die der Kriegsausbruch mit
sich brachte, wandte der Großherzog doch von Anfang an sein
Augenmerk den möglichen politischen Folgen zu. Ganz Deutsch¬
land stand vereint unter König Wilhelms Oberbefehl in Waffen,
^eine gewaltige nationale Bewegung durchzitterte die weiten Ge¬
biete von Memel bis zum Bodensee, die solange angestrebte einheitliche Zu¬
sammenfassung aller nationalen Kräfte, die Einigung in der Stimmung des
deutschen Volkes war urplötzlich vorhanden, im Sturm geboren. Entsprachen
die militärischen Ergebnisse des Krieges den berechtigten Erwartungen, so war
mit Sicherheit anzunehmen, daß die politischen nicht dahinter zurückbleiben
würden; der führende Staatsmann gehörte nicht zu denen, deren Feder verdarb,
was das Schwert gewann. Um so mehr hielt es Großherzog Friedrich für
seine Pflicht, an seinem Teile mitzuarbeiten, daß der nationale Strom recht¬
zeitig in ein entsprechend breites, festes und sicheres Bett geleitet würde, und
daß die politische Arbeit in der Heimat mit der kriegerischen im Felde gleichen
Schritt hielte. Um die Kriegsbegeisterung lebendig zu erhalten, mußten ihr
hohe Ziele jenseits des Schlachtfeldes gegeben, Bürgschaften geschaffen werden,
daß die elementare Kraft der aus den Wogen des bedrohten Rheinstroms über¬
raschend emporgesticgnen deutschen Einheit nicht mit dem letzten Kanonenschüsse
verrauschte.

Das Gefüge des Norddeutschen Bundes mußte in einem siegreichen Kriege
voraussichtlich eine Festigung gewinnen, die den innern Werdeprozeß um Jahr¬
zehnte beschleunigte; ganz anders als durch parlamentarische und politische Arbeit
mußte das Zusammenschweißen in der Glut der Schlachten gelingen. Es war
mithin vorauszusehen, daß der siegreiche, erzgepanzerte norddeutsche Bund
wenig geneigt sein werde, seine in solchen Stürmen erprobte Verfassung auf¬
zugeben oder auch nur zugunsten süddeutscher Wünsche erheblich zu modifizieren.
Eine künftige staatsrechtliche Zusammenfassung Gesamtdeutschlands mußte sich


Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

ihrer Zeit gewesen. Völker wollen geführt sein, und sie werden diese Führung
immer viel lieber in der Hand eines machtvollen Staatsoberhauptes sehen, das
nicht nur von den Ideen seiner Zeit und seines Volkes durchdrungen ist, sondern
sie auch führend zu gestalten weiß, als in der Hand von Parlamenten mit
wechselnden Majoritäten, aber niemals aufhörenden Eifersüchteleien, Eitelkeiten
und Parteiinteressen. In jedem aufsteigenden Lande wird es immer das Königtum
sein, das im Wechsel der Dinge und der Mehrheiten das Bleibende des natio¬
H. I- nalen Gedankens und der staatlichen Zwecke repräsentiert.




Großherzog Friedrich von Baden in Versailles

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Meben allen Sorgen und Spannungen, die der Kriegsausbruch mit
sich brachte, wandte der Großherzog doch von Anfang an sein
Augenmerk den möglichen politischen Folgen zu. Ganz Deutsch¬
land stand vereint unter König Wilhelms Oberbefehl in Waffen,
^eine gewaltige nationale Bewegung durchzitterte die weiten Ge¬
biete von Memel bis zum Bodensee, die solange angestrebte einheitliche Zu¬
sammenfassung aller nationalen Kräfte, die Einigung in der Stimmung des
deutschen Volkes war urplötzlich vorhanden, im Sturm geboren. Entsprachen
die militärischen Ergebnisse des Krieges den berechtigten Erwartungen, so war
mit Sicherheit anzunehmen, daß die politischen nicht dahinter zurückbleiben
würden; der führende Staatsmann gehörte nicht zu denen, deren Feder verdarb,
was das Schwert gewann. Um so mehr hielt es Großherzog Friedrich für
seine Pflicht, an seinem Teile mitzuarbeiten, daß der nationale Strom recht¬
zeitig in ein entsprechend breites, festes und sicheres Bett geleitet würde, und
daß die politische Arbeit in der Heimat mit der kriegerischen im Felde gleichen
Schritt hielte. Um die Kriegsbegeisterung lebendig zu erhalten, mußten ihr
hohe Ziele jenseits des Schlachtfeldes gegeben, Bürgschaften geschaffen werden,
daß die elementare Kraft der aus den Wogen des bedrohten Rheinstroms über¬
raschend emporgesticgnen deutschen Einheit nicht mit dem letzten Kanonenschüsse
verrauschte.

Das Gefüge des Norddeutschen Bundes mußte in einem siegreichen Kriege
voraussichtlich eine Festigung gewinnen, die den innern Werdeprozeß um Jahr¬
zehnte beschleunigte; ganz anders als durch parlamentarische und politische Arbeit
mußte das Zusammenschweißen in der Glut der Schlachten gelingen. Es war
mithin vorauszusehen, daß der siegreiche, erzgepanzerte norddeutsche Bund
wenig geneigt sein werde, seine in solchen Stürmen erprobte Verfassung auf¬
zugeben oder auch nur zugunsten süddeutscher Wünsche erheblich zu modifizieren.
Eine künftige staatsrechtliche Zusammenfassung Gesamtdeutschlands mußte sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/662>, abgerufen am 30.04.2024.