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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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richtiger zu würdigen, als es dem von Leidenschaft getrübten Blicke der Be¬
teiligten und jedem Rechtsunkundigen möglich ist. Eine leichtfertige Kritik ist
aber auch gefährlich, indem sie die Achtung vor dem Gesetz und den Gerichten
zu erschüttern und Beunruhigung in weite Kreise hineinzutragen geeignet ist.
Das Vertrauen des Volkes in die Rechtspflege und in die Unbestechlichkeit und
Tüchtigkeit seiner Richter ist eine der wesentlichsten Bedingungen für die Wohl¬
fahrt des Staates und seiner Glieder. Jeder, der ein Interesse an der Aufrecht¬
erhaltung dieser staatlichen Ordnung hat, sollte sich deshalb hüten, ohne ganz
zuverlässige Grundlagen abfällige Urteile über gerichtliche Entscheidungen zu
fällen und zu verbreiten und die sozialdemokratische Sache dadurch zu fördern.
An der gesamten Presse aber ist es, Vorsicht und Beschränkung in der Auf¬
nahme von Berichten zu üben, nur sachliche Berichte ohne hämische Seitenhiebe
zu bringen, bei kritischen Bemerkungen nicht allein auf den einseitigen Aus¬
lassungen eines Beteiligten zu fußen und nur sachkundige Kritiker zu Wort
kommen zu lassen, wie es der vornehme Teil der Presse ja schon immer, der
Rechtspflege und der Volkswohlfahrt einen großen Dienst erweisend, zu tun
bestrebt gewesen ist.




Über den Brenner
Gelo Raeminel von

er die alte Straße in ihrer ganzen Ausdehnung kennen lernen
will, der muß seine Wanderung, eine höchst interessante Wanderung,
schon von der bayrisch-schwäbischen Hochebene antreten. Die alten
geraden Linien, die von Augsburg über das Gebirge nach dem
!Inntal führten, find seit dem Emporkommen Münchens und be¬
sonders seit der Erbauung der Eisenbahn nach Innsbruck verödet, und der ganze
große Verkehr ist auf den Umweg durch das Inntal abgelenkt worden; auf
der Strecke zwischen diesem und dem Bodensee führt noch heute keine Eisenbahn
über das Gebirge; nur mehrere Nebenlinien reichen bis an seinen Fuß oder
ein Stück hinein, nicht wegen der natürlichen Schwierigkeiten, die für die
moderne Technik keine wären, sondern weil München damit umgangen würde
zugunsten Augsburgs. Denn von hier gingen zwei Straßen aus. Dort, wo
der rasche Leck) im breiten, inselreichen Kiesbett aus dem Kalkgebirge heraus¬
tritt, bei Füssen, hütete einst die Burg der Bischöfe von Augsburg (aä tauizes,
an den Engen) den Eingang, nachdem sich hier schon 629 die Benediktiner zu
Se. Magnus (Se. Mang) angesiedelt hatten, und im Tale des Lech bleibt die
Straße bis Reutte (d. h. Rodung, vgl. nulli). Ganz in der Nähe erinnert
ein Denkmal an der Kirche des Dorfes Breitenwang an den Tod Kaiser


Über den Brenner

richtiger zu würdigen, als es dem von Leidenschaft getrübten Blicke der Be¬
teiligten und jedem Rechtsunkundigen möglich ist. Eine leichtfertige Kritik ist
aber auch gefährlich, indem sie die Achtung vor dem Gesetz und den Gerichten
zu erschüttern und Beunruhigung in weite Kreise hineinzutragen geeignet ist.
Das Vertrauen des Volkes in die Rechtspflege und in die Unbestechlichkeit und
Tüchtigkeit seiner Richter ist eine der wesentlichsten Bedingungen für die Wohl¬
fahrt des Staates und seiner Glieder. Jeder, der ein Interesse an der Aufrecht¬
erhaltung dieser staatlichen Ordnung hat, sollte sich deshalb hüten, ohne ganz
zuverlässige Grundlagen abfällige Urteile über gerichtliche Entscheidungen zu
fällen und zu verbreiten und die sozialdemokratische Sache dadurch zu fördern.
An der gesamten Presse aber ist es, Vorsicht und Beschränkung in der Auf¬
nahme von Berichten zu üben, nur sachliche Berichte ohne hämische Seitenhiebe
zu bringen, bei kritischen Bemerkungen nicht allein auf den einseitigen Aus¬
lassungen eines Beteiligten zu fußen und nur sachkundige Kritiker zu Wort
kommen zu lassen, wie es der vornehme Teil der Presse ja schon immer, der
Rechtspflege und der Volkswohlfahrt einen großen Dienst erweisend, zu tun
bestrebt gewesen ist.




Über den Brenner
Gelo Raeminel von

er die alte Straße in ihrer ganzen Ausdehnung kennen lernen
will, der muß seine Wanderung, eine höchst interessante Wanderung,
schon von der bayrisch-schwäbischen Hochebene antreten. Die alten
geraden Linien, die von Augsburg über das Gebirge nach dem
!Inntal führten, find seit dem Emporkommen Münchens und be¬
sonders seit der Erbauung der Eisenbahn nach Innsbruck verödet, und der ganze
große Verkehr ist auf den Umweg durch das Inntal abgelenkt worden; auf
der Strecke zwischen diesem und dem Bodensee führt noch heute keine Eisenbahn
über das Gebirge; nur mehrere Nebenlinien reichen bis an seinen Fuß oder
ein Stück hinein, nicht wegen der natürlichen Schwierigkeiten, die für die
moderne Technik keine wären, sondern weil München damit umgangen würde
zugunsten Augsburgs. Denn von hier gingen zwei Straßen aus. Dort, wo
der rasche Leck) im breiten, inselreichen Kiesbett aus dem Kalkgebirge heraus¬
tritt, bei Füssen, hütete einst die Burg der Bischöfe von Augsburg (aä tauizes,
an den Engen) den Eingang, nachdem sich hier schon 629 die Benediktiner zu
Se. Magnus (Se. Mang) angesiedelt hatten, und im Tale des Lech bleibt die
Straße bis Reutte (d. h. Rodung, vgl. nulli). Ganz in der Nähe erinnert
ein Denkmal an der Kirche des Dorfes Breitenwang an den Tod Kaiser


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[0076] Über den Brenner richtiger zu würdigen, als es dem von Leidenschaft getrübten Blicke der Be¬ teiligten und jedem Rechtsunkundigen möglich ist. Eine leichtfertige Kritik ist aber auch gefährlich, indem sie die Achtung vor dem Gesetz und den Gerichten zu erschüttern und Beunruhigung in weite Kreise hineinzutragen geeignet ist. Das Vertrauen des Volkes in die Rechtspflege und in die Unbestechlichkeit und Tüchtigkeit seiner Richter ist eine der wesentlichsten Bedingungen für die Wohl¬ fahrt des Staates und seiner Glieder. Jeder, der ein Interesse an der Aufrecht¬ erhaltung dieser staatlichen Ordnung hat, sollte sich deshalb hüten, ohne ganz zuverlässige Grundlagen abfällige Urteile über gerichtliche Entscheidungen zu fällen und zu verbreiten und die sozialdemokratische Sache dadurch zu fördern. An der gesamten Presse aber ist es, Vorsicht und Beschränkung in der Auf¬ nahme von Berichten zu üben, nur sachliche Berichte ohne hämische Seitenhiebe zu bringen, bei kritischen Bemerkungen nicht allein auf den einseitigen Aus¬ lassungen eines Beteiligten zu fußen und nur sachkundige Kritiker zu Wort kommen zu lassen, wie es der vornehme Teil der Presse ja schon immer, der Rechtspflege und der Volkswohlfahrt einen großen Dienst erweisend, zu tun bestrebt gewesen ist. Über den Brenner Gelo Raeminel von er die alte Straße in ihrer ganzen Ausdehnung kennen lernen will, der muß seine Wanderung, eine höchst interessante Wanderung, schon von der bayrisch-schwäbischen Hochebene antreten. Die alten geraden Linien, die von Augsburg über das Gebirge nach dem !Inntal führten, find seit dem Emporkommen Münchens und be¬ sonders seit der Erbauung der Eisenbahn nach Innsbruck verödet, und der ganze große Verkehr ist auf den Umweg durch das Inntal abgelenkt worden; auf der Strecke zwischen diesem und dem Bodensee führt noch heute keine Eisenbahn über das Gebirge; nur mehrere Nebenlinien reichen bis an seinen Fuß oder ein Stück hinein, nicht wegen der natürlichen Schwierigkeiten, die für die moderne Technik keine wären, sondern weil München damit umgangen würde zugunsten Augsburgs. Denn von hier gingen zwei Straßen aus. Dort, wo der rasche Leck) im breiten, inselreichen Kiesbett aus dem Kalkgebirge heraus¬ tritt, bei Füssen, hütete einst die Burg der Bischöfe von Augsburg (aä tauizes, an den Engen) den Eingang, nachdem sich hier schon 629 die Benediktiner zu Se. Magnus (Se. Mang) angesiedelt hatten, und im Tale des Lech bleibt die Straße bis Reutte (d. h. Rodung, vgl. nulli). Ganz in der Nähe erinnert ein Denkmal an der Kirche des Dorfes Breitenwang an den Tod Kaiser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/76>, abgerufen am 30.04.2024.