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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Die Schule der Welt

wirst wohl ein Musikant sein oder ein Hufschmied." Da sprach der König:
"Ich bin der König." -- "O weh, verzeih mir, Herr König, und halte mir den
Rettich, damit ich dich grüßen kann."




Die schule der Welt
Ein preußisches Lustspiel Friedrichs des Großen
Georg Peiser von

> u Anfang des Jahres 1745 herrschte unter den Professoren der
Universität Halle eine nicht geringe Erregung. Aus Berlin war
ein sehr ungnädiges Reskript des jungen Königs Friedrich des
Zweiten eingetroffen, das den Gehorsam der gelehrten Herren auf
eine sehr harte Probe stellte. Am 24. Dezember des verflossenen
Jahres hatte sich das Generalkonzil der Universität mit einer Eingabe
nach Berlin gewandt, in der es auf die Unordnung hinwies, wozu die Aufführung
von Komödien die Studenten verleite, und um Ausweisung der Schauspieltruppe
bat, die sich damals in Halle aufhielt. Die Universität konnte sich darauf be¬
rufen, daß auch König Friedrich Wilhelm der Erste wiederholt das Auftreten
von Komödianten, Harlekinen und Marktschreiern in Halle untersagt hatte.
Aber Friedrich der Große schien zunächst durchaus nicht gewillt, das Beispiel
seines Vaters nachzuahmen. Er glaubte in der Eingabe einen dreisten Vorstoß
des Hallischen Pietismus und insbesondre die Einwirkung des jüngern Francke
zu erkennen, gegen den er seit dessen Besuch am Hofe seines Vaters in Wuster-
Hausen im Jahre 1727*) eine ganz persönliche Abneigung hatte. Zornig schrieb
er an den Rand der Eingabe: "Das ist das geistliche Muckerpack Schuld daran.
Sie sollen Spillen und Herr Franke oder wie der Schurke heißet soll dabei
seindt, um die Studenten wegen seiner närrischen Vorstellung eine öffentliche
Reparation zu thun und mihr sol der Attest vom Komödianten geschicket werden,
daß er da gewesen ist." Das Generaldirektorium, dem die Ausführung des
königlichen Befehls oblag, geriet in große Verlegenheit. Denn gerade die
Unterschrift Frcmckes fehlte unter der Eingabe, die im übrigen von den hervor¬
ragendsten Männern der Universität, insbesondre auch von dem Geheimen Rat
und Kanzler Christian von Wolff unterzeichnet war. Erst als Friedrich wieder¬
holt daran erinnerte, daß das verlangte Attest noch nicht eingereicht sei, fand
das Generaldirektorium den Mut zu submissester Erklärung des Sachverhalts,
und der König präzisieren seinen Befehl nunmehr dahin, daß alle, die die Ein¬
gabe wirklich unterzeichnet Hütten, der nächsten Theatervorstellung beiwohnen
sollten. Francke aber, "so darinnen die meisten motus gemacht haben soll",
habe "ohne Widerrede" zwanzig Taler an die Armenkasse zu zahlen.

Was bei diesem Konflikt am meisten auffällt, ist nicht sowohl die Ab¬
neigung des Königs gegen den Hallischen Pietismus, die bei dem Charakter



Zu dieser Abhandlung sind die einschlügigen Werks von Koser, Schröder, Rödenbeck,
Zeller, Posner, Preuß, Mangold u. a. benutzt worden.
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wirst wohl ein Musikant sein oder ein Hufschmied." Da sprach der König:
„Ich bin der König." — „O weh, verzeih mir, Herr König, und halte mir den
Rettich, damit ich dich grüßen kann."




Die schule der Welt
Ein preußisches Lustspiel Friedrichs des Großen
Georg Peiser von

> u Anfang des Jahres 1745 herrschte unter den Professoren der
Universität Halle eine nicht geringe Erregung. Aus Berlin war
ein sehr ungnädiges Reskript des jungen Königs Friedrich des
Zweiten eingetroffen, das den Gehorsam der gelehrten Herren auf
eine sehr harte Probe stellte. Am 24. Dezember des verflossenen
Jahres hatte sich das Generalkonzil der Universität mit einer Eingabe
nach Berlin gewandt, in der es auf die Unordnung hinwies, wozu die Aufführung
von Komödien die Studenten verleite, und um Ausweisung der Schauspieltruppe
bat, die sich damals in Halle aufhielt. Die Universität konnte sich darauf be¬
rufen, daß auch König Friedrich Wilhelm der Erste wiederholt das Auftreten
von Komödianten, Harlekinen und Marktschreiern in Halle untersagt hatte.
Aber Friedrich der Große schien zunächst durchaus nicht gewillt, das Beispiel
seines Vaters nachzuahmen. Er glaubte in der Eingabe einen dreisten Vorstoß
des Hallischen Pietismus und insbesondre die Einwirkung des jüngern Francke
zu erkennen, gegen den er seit dessen Besuch am Hofe seines Vaters in Wuster-
Hausen im Jahre 1727*) eine ganz persönliche Abneigung hatte. Zornig schrieb
er an den Rand der Eingabe: „Das ist das geistliche Muckerpack Schuld daran.
Sie sollen Spillen und Herr Franke oder wie der Schurke heißet soll dabei
seindt, um die Studenten wegen seiner närrischen Vorstellung eine öffentliche
Reparation zu thun und mihr sol der Attest vom Komödianten geschicket werden,
daß er da gewesen ist." Das Generaldirektorium, dem die Ausführung des
königlichen Befehls oblag, geriet in große Verlegenheit. Denn gerade die
Unterschrift Frcmckes fehlte unter der Eingabe, die im übrigen von den hervor¬
ragendsten Männern der Universität, insbesondre auch von dem Geheimen Rat
und Kanzler Christian von Wolff unterzeichnet war. Erst als Friedrich wieder¬
holt daran erinnerte, daß das verlangte Attest noch nicht eingereicht sei, fand
das Generaldirektorium den Mut zu submissester Erklärung des Sachverhalts,
und der König präzisieren seinen Befehl nunmehr dahin, daß alle, die die Ein¬
gabe wirklich unterzeichnet Hütten, der nächsten Theatervorstellung beiwohnen
sollten. Francke aber, „so darinnen die meisten motus gemacht haben soll",
habe „ohne Widerrede" zwanzig Taler an die Armenkasse zu zahlen.

Was bei diesem Konflikt am meisten auffällt, ist nicht sowohl die Ab¬
neigung des Königs gegen den Hallischen Pietismus, die bei dem Charakter



Zu dieser Abhandlung sind die einschlügigen Werks von Koser, Schröder, Rödenbeck,
Zeller, Posner, Preuß, Mangold u. a. benutzt worden.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/106>, abgerufen am 29.04.2024.