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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Auch eine Resolution.

Wohin die Sucht, bei jeder passenden und un¬
passenden Gelegenheit Resolutionen loszulassen, führt, zeigt der sonderbare Beschluß,
den nach den Mitteilungen der Tagespresse die Generalversammlung des Bundes
Deutscher Frauenvereine bei ihrer Tagung in Nürnberg am 4. Oktober gefaßt hat.
Diese Resolution lautet: "Der in Nürnberg versammelte Bund Deutscher Frauen¬
vereine gibt seiner tiefen Empörung Ausdruck über die jeder Gesittung Hohn
sprechenden Greueltaten, die in Rußland aus Rassenhaß und im Interesse der
Aufrechterhaltung der Autokratie fortgesetzt an wehrlosen Frauen und Kindern verübt
werden. Er gedenkt ferner mit hoher Bewunderung derjenigen russischen Frauen,
die an dem gewaltigen Ringen ihres Volkes um persönliche und bürgerliche
Freiheit so heldenhaft teilnehmen." Hat der "Bund Deutscher Frauenvereine", der
unsers Wissens statutengemäß jede politische Tätigkeit ausschließt, wirklich nichts
besseres zu tun, als mit papiernen Protesten gegen die angeblich zur Aufrecht¬
erhaltung der Autokratie in Rußland verübten Greueltaten einzuschreiten? Ver¬
spricht er sich von solchen Redensarten irgendeinen Erfolg? Die Damen, die so
kategorisch verlangen, daß Polizei und Soldaten, die bei ihrem Erscheinen von dem
mort- und raubgierigen Pöbel mit Revolverschüssen und Bomben empfangen werden,
gegen das "schwache" Geschlecht mit Schonung vorgehn sollten, scheinen keine Ahnung
davon zu haben, daß, wie bei alleu revolutionären Bewegungen, auch bei der
russischen Revolution die Weiber am fanatischsten Hetzen und kämpfen.
"

Noch bedenklicher aber ist, daß der "Bund den russischen Frauen, "die an
dem gewaltigen Ringen ihres Volkes um persönliche und bürgerliche Freiheit so
heldenhaft teilnehmen", seine "hohe Bewunderung" auszudrücken für nötig hält.
Es ist den Damen wohl gänzlich unbekannt, daß die Mehrzahl dieser "heldenhaft"
kämpfenden Frauen aus Dirnen und unreifen Mädchen -- Studentinnen und
Schülerinnen -- besteht, deren Begriffe von "Freiheit" ebensosehr und den ethischen
Anschauungen gebildeter Nationen kollidieren wie die Mittel, mit denen sie die
Verwirklichung ihrer "Ideale" durchzuführen suchen.
"

Jedenfalls beweist die "Resolution wieder einmal, wohin es führt, wenn
sich Frauen, anstatt in ihrem natürlichen Wirkungskreise zu bleiben, um Dinge be¬
kümmern, von denen sie nichts verstehn, und denen sie nicht mit verstandesmäßigen
^z. R. H Erwägungen, sondern mit Gefühlen gegenübertreten.




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Ärztlicherseits vielfach als ideales Schnupfenmittel bezeichnet.
Wirknnc, frappant.




Maßgebliches und Unmaßgebliches

Auch eine Resolution.

Wohin die Sucht, bei jeder passenden und un¬
passenden Gelegenheit Resolutionen loszulassen, führt, zeigt der sonderbare Beschluß,
den nach den Mitteilungen der Tagespresse die Generalversammlung des Bundes
Deutscher Frauenvereine bei ihrer Tagung in Nürnberg am 4. Oktober gefaßt hat.
Diese Resolution lautet: „Der in Nürnberg versammelte Bund Deutscher Frauen¬
vereine gibt seiner tiefen Empörung Ausdruck über die jeder Gesittung Hohn
sprechenden Greueltaten, die in Rußland aus Rassenhaß und im Interesse der
Aufrechterhaltung der Autokratie fortgesetzt an wehrlosen Frauen und Kindern verübt
werden. Er gedenkt ferner mit hoher Bewunderung derjenigen russischen Frauen,
die an dem gewaltigen Ringen ihres Volkes um persönliche und bürgerliche
Freiheit so heldenhaft teilnehmen." Hat der „Bund Deutscher Frauenvereine", der
unsers Wissens statutengemäß jede politische Tätigkeit ausschließt, wirklich nichts
besseres zu tun, als mit papiernen Protesten gegen die angeblich zur Aufrecht¬
erhaltung der Autokratie in Rußland verübten Greueltaten einzuschreiten? Ver¬
spricht er sich von solchen Redensarten irgendeinen Erfolg? Die Damen, die so
kategorisch verlangen, daß Polizei und Soldaten, die bei ihrem Erscheinen von dem
mort- und raubgierigen Pöbel mit Revolverschüssen und Bomben empfangen werden,
gegen das „schwache" Geschlecht mit Schonung vorgehn sollten, scheinen keine Ahnung
davon zu haben, daß, wie bei alleu revolutionären Bewegungen, auch bei der
russischen Revolution die Weiber am fanatischsten Hetzen und kämpfen.
"

Noch bedenklicher aber ist, daß der „Bund den russischen Frauen, „die an
dem gewaltigen Ringen ihres Volkes um persönliche und bürgerliche Freiheit so
heldenhaft teilnehmen", seine „hohe Bewunderung" auszudrücken für nötig hält.
Es ist den Damen wohl gänzlich unbekannt, daß die Mehrzahl dieser „heldenhaft"
kämpfenden Frauen aus Dirnen und unreifen Mädchen — Studentinnen und
Schülerinnen — besteht, deren Begriffe von „Freiheit" ebensosehr und den ethischen
Anschauungen gebildeter Nationen kollidieren wie die Mittel, mit denen sie die
Verwirklichung ihrer „Ideale" durchzuführen suchen.
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Jedenfalls beweist die „Resolution wieder einmal, wohin es führt, wenn
sich Frauen, anstatt in ihrem natürlichen Wirkungskreise zu bleiben, um Dinge be¬
kümmern, von denen sie nichts verstehn, und denen sie nicht mit verstandesmäßigen
^z. R. H Erwägungen, sondern mit Gefühlen gegenübertreten.




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Ärztlicherseits vielfach als ideales Schnupfenmittel bezeichnet.
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[0128] Maßgebliches und Unmaßgebliches Auch eine Resolution. Wohin die Sucht, bei jeder passenden und un¬ passenden Gelegenheit Resolutionen loszulassen, führt, zeigt der sonderbare Beschluß, den nach den Mitteilungen der Tagespresse die Generalversammlung des Bundes Deutscher Frauenvereine bei ihrer Tagung in Nürnberg am 4. Oktober gefaßt hat. Diese Resolution lautet: „Der in Nürnberg versammelte Bund Deutscher Frauen¬ vereine gibt seiner tiefen Empörung Ausdruck über die jeder Gesittung Hohn sprechenden Greueltaten, die in Rußland aus Rassenhaß und im Interesse der Aufrechterhaltung der Autokratie fortgesetzt an wehrlosen Frauen und Kindern verübt werden. Er gedenkt ferner mit hoher Bewunderung derjenigen russischen Frauen, die an dem gewaltigen Ringen ihres Volkes um persönliche und bürgerliche Freiheit so heldenhaft teilnehmen." Hat der „Bund Deutscher Frauenvereine", der unsers Wissens statutengemäß jede politische Tätigkeit ausschließt, wirklich nichts besseres zu tun, als mit papiernen Protesten gegen die angeblich zur Aufrecht¬ erhaltung der Autokratie in Rußland verübten Greueltaten einzuschreiten? Ver¬ spricht er sich von solchen Redensarten irgendeinen Erfolg? Die Damen, die so kategorisch verlangen, daß Polizei und Soldaten, die bei ihrem Erscheinen von dem mort- und raubgierigen Pöbel mit Revolverschüssen und Bomben empfangen werden, gegen das „schwache" Geschlecht mit Schonung vorgehn sollten, scheinen keine Ahnung davon zu haben, daß, wie bei alleu revolutionären Bewegungen, auch bei der russischen Revolution die Weiber am fanatischsten Hetzen und kämpfen. " Noch bedenklicher aber ist, daß der „Bund den russischen Frauen, „die an dem gewaltigen Ringen ihres Volkes um persönliche und bürgerliche Freiheit so heldenhaft teilnehmen", seine „hohe Bewunderung" auszudrücken für nötig hält. Es ist den Damen wohl gänzlich unbekannt, daß die Mehrzahl dieser „heldenhaft" kämpfenden Frauen aus Dirnen und unreifen Mädchen — Studentinnen und Schülerinnen — besteht, deren Begriffe von „Freiheit" ebensosehr und den ethischen Anschauungen gebildeter Nationen kollidieren wie die Mittel, mit denen sie die Verwirklichung ihrer „Ideale" durchzuführen suchen. " Jedenfalls beweist die „Resolution wieder einmal, wohin es führt, wenn sich Frauen, anstatt in ihrem natürlichen Wirkungskreise zu bleiben, um Dinge be¬ kümmern, von denen sie nichts verstehn, und denen sie nicht mit verstandesmäßigen ^z. R. H Erwägungen, sondern mit Gefühlen gegenübertreten. ZSZLN cknupken s-?5AO^> Ärztlicherseits vielfach als ideales Schnupfenmittel bezeichnet. Wirknnc, frappant.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/128>, abgerufen am 29.04.2024.