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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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dor vierzig Iahrett

Jedenfalls liefert der Kougvstaat mit der Verwirklichung seiner weit¬
schauenden Verkehrspolitik ein Muster für alle andern Kolonialstaaten in Afrika.
Daß die Engländer, die vor der Kongokonferenz des Jahres 1884 durch einen
Vertrag mit Portugal die freie Schiffahrt auf dem untern Kongo vernichtet
hatten, dann aber dem Kongostaate freie Hand lassen mußten, jetzt über die
glänzende Lösung der Kongovcrkehrsfrage uicht erfreut sind, ist vielleicht zu be¬
greifen. Für uns aber ergibt sich die natürliche Schlußfolgerung, die Bis-
marckische Politik auch an diesem Punkte der Welt fortzusetzen und dem uns be¬
nachbarte" Kongostaat ein gedeihliches Fortschreiten auf dem Wege der von ihm
eiugeschlagnen Verkehrspolitik zu wünschen.




Vor vierzig Jahren
E Gelo Raemmel rinnerungen von
l.. In Göttingen

>n diesem Jahre 1906 ist schon oft genug vou 1806 die Rede
gewesen, von der Schlacht bei Jena, dem Rheinbünde, der Auf¬
lösung des heiligen römischen Reichs deutscher Nation, von
einem Jahre des Unglücks und der Schmach, und man tut wohl,
!sich daran zu erinnern. Aber sechzig Jahre nach 1806 folgte
auf Jena Königgrütz, auf den Rheinbund die Begründung des Norddeutschen
Bundes, der sich vier Jahre später zum Deutschen Reiche ausgestattete. Auch
daran ziemt es sich, in diesem Jahre zu denken, nicht uur an seine Erfolge,
sondern auch an das, was damals so blutige und gewaltsame Entscheidungen
nötig machte, an die alten und neuen Gegensätze, an den verblendeten Haß
und den trotzigen Eigensinn, an alles das, was damals einem guten Teile
der Nation den Weg zur Neugestaltung des Vaterlandes versperrte und den
Bruderkrieg unvermeidlich machte.

Ich hatte zu Pfingsten 1865 nach längerer Pause Hamburg, wo ich
damals Verwandte hatte, und zum erstenmale Kiel besucht und dabei so
manche interessante Einblicke getan in das wogende Leben der stolzen, selbst-
zufriedncu Welthandelsstadt, die damals und noch lange danach durch eine Zoll¬
grenze vom deutschen Binnenlande geschieden war und ihre Flagge mit den
drei weißen Türmen im roten Felde auf allen Meeren flattern ließ; ich hatte
in der herrlichen Föhrde von Kiel den Kern der kleinen preußischen Flotte
dor Anker liegen sehen, denn soeben war die preußische Marinestatiou von
Danzig nach Kiel verlegt und damit tatsächlich von dem künftigen Kriegshafen
Besitz ergriffen worden; ich hatte dort die Schleswig-holsteinische "Jnterims-
flagge" -- blau-weiß-rot mit einem gelben Viereck in der obern Ecke an der


dor vierzig Iahrett

Jedenfalls liefert der Kougvstaat mit der Verwirklichung seiner weit¬
schauenden Verkehrspolitik ein Muster für alle andern Kolonialstaaten in Afrika.
Daß die Engländer, die vor der Kongokonferenz des Jahres 1884 durch einen
Vertrag mit Portugal die freie Schiffahrt auf dem untern Kongo vernichtet
hatten, dann aber dem Kongostaate freie Hand lassen mußten, jetzt über die
glänzende Lösung der Kongovcrkehrsfrage uicht erfreut sind, ist vielleicht zu be¬
greifen. Für uns aber ergibt sich die natürliche Schlußfolgerung, die Bis-
marckische Politik auch an diesem Punkte der Welt fortzusetzen und dem uns be¬
nachbarte» Kongostaat ein gedeihliches Fortschreiten auf dem Wege der von ihm
eiugeschlagnen Verkehrspolitik zu wünschen.




Vor vierzig Jahren
E Gelo Raemmel rinnerungen von
l.. In Göttingen

>n diesem Jahre 1906 ist schon oft genug vou 1806 die Rede
gewesen, von der Schlacht bei Jena, dem Rheinbünde, der Auf¬
lösung des heiligen römischen Reichs deutscher Nation, von
einem Jahre des Unglücks und der Schmach, und man tut wohl,
!sich daran zu erinnern. Aber sechzig Jahre nach 1806 folgte
auf Jena Königgrütz, auf den Rheinbund die Begründung des Norddeutschen
Bundes, der sich vier Jahre später zum Deutschen Reiche ausgestattete. Auch
daran ziemt es sich, in diesem Jahre zu denken, nicht uur an seine Erfolge,
sondern auch an das, was damals so blutige und gewaltsame Entscheidungen
nötig machte, an die alten und neuen Gegensätze, an den verblendeten Haß
und den trotzigen Eigensinn, an alles das, was damals einem guten Teile
der Nation den Weg zur Neugestaltung des Vaterlandes versperrte und den
Bruderkrieg unvermeidlich machte.

Ich hatte zu Pfingsten 1865 nach längerer Pause Hamburg, wo ich
damals Verwandte hatte, und zum erstenmale Kiel besucht und dabei so
manche interessante Einblicke getan in das wogende Leben der stolzen, selbst-
zufriedncu Welthandelsstadt, die damals und noch lange danach durch eine Zoll¬
grenze vom deutschen Binnenlande geschieden war und ihre Flagge mit den
drei weißen Türmen im roten Felde auf allen Meeren flattern ließ; ich hatte
in der herrlichen Föhrde von Kiel den Kern der kleinen preußischen Flotte
dor Anker liegen sehen, denn soeben war die preußische Marinestatiou von
Danzig nach Kiel verlegt und damit tatsächlich von dem künftigen Kriegshafen
Besitz ergriffen worden; ich hatte dort die Schleswig-holsteinische „Jnterims-
flagge" — blau-weiß-rot mit einem gelben Viereck in der obern Ecke an der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/303>, abgerufen am 29.04.2024.