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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Schaden anrichten. Denn Schäffles Werke enthalten zwar nicht so viel Chemie,
Physiologie, Pflanzen- und Tierbiologie und Ethnologie wie die Herbert Spencers
(von Marx wollen wir gar nicht reden), aber dafür sind sie reich an praktisch
verwertbaren Lehren und Ratschlägen, die der Gesetzgeber, der Verwaltungsbeamte,
der Politiker kennen muß. Und das ist doch die Hauptsache; die biologischen und
ethnologischen Soziologien nützen dem Staatsmanne gar nichts. Was die sehr
lebendigen und anschaulichen Charakterschilderungen in dem Büchlein betrifft, so
interessieren besonders die der norddeutschen Gegenden und Stamme, weil zwar
Süd- und Westdeutschland viel von Norddeutschen bereist und geschildert werden, aber
nicht Norddeutschland von Süddeutschen und von Rheinländern. Grupp wird nun
zwar den Vorzügen des norddeutschen, namentlich des preußischen Wesens gerecht,
aber sich bei den "Kartoffelessern" wohl fühlen, das vermag weder sein schwäbisches
Gemüt noch sein an Spätzle gewöhnter Magen. Schade, daß er nicht auch Schlesien
bereist hat. Er würde dort eine Mischung süd- und norddeutschen Wesens ge¬
funden haben, die ihm vielleicht behagt hätte, außerdem Klößel, die freilich meist
etwas derber ausfallen als die feinen schwäbischen oder badischen Spätzle, und vor
vilen -- in dem drei bis fünf Meilen breiten Streifen, der sich von Ratibor bis
Görlitz im und am Gebirge hinzieht -- die schönen malerischen und gemütlichen
Dörfer, die er in Norddeutschland vermißt. In einem Anhang wird die Geschichte
des Germanischen Nationalmuseums zu Nürnberg erzählt.









Maßgebliches und Unmaßgebliches

Schaden anrichten. Denn Schäffles Werke enthalten zwar nicht so viel Chemie,
Physiologie, Pflanzen- und Tierbiologie und Ethnologie wie die Herbert Spencers
(von Marx wollen wir gar nicht reden), aber dafür sind sie reich an praktisch
verwertbaren Lehren und Ratschlägen, die der Gesetzgeber, der Verwaltungsbeamte,
der Politiker kennen muß. Und das ist doch die Hauptsache; die biologischen und
ethnologischen Soziologien nützen dem Staatsmanne gar nichts. Was die sehr
lebendigen und anschaulichen Charakterschilderungen in dem Büchlein betrifft, so
interessieren besonders die der norddeutschen Gegenden und Stamme, weil zwar
Süd- und Westdeutschland viel von Norddeutschen bereist und geschildert werden, aber
nicht Norddeutschland von Süddeutschen und von Rheinländern. Grupp wird nun
zwar den Vorzügen des norddeutschen, namentlich des preußischen Wesens gerecht,
aber sich bei den „Kartoffelessern" wohl fühlen, das vermag weder sein schwäbisches
Gemüt noch sein an Spätzle gewöhnter Magen. Schade, daß er nicht auch Schlesien
bereist hat. Er würde dort eine Mischung süd- und norddeutschen Wesens ge¬
funden haben, die ihm vielleicht behagt hätte, außerdem Klößel, die freilich meist
etwas derber ausfallen als die feinen schwäbischen oder badischen Spätzle, und vor
vilen — in dem drei bis fünf Meilen breiten Streifen, der sich von Ratibor bis
Görlitz im und am Gebirge hinzieht — die schönen malerischen und gemütlichen
Dörfer, die er in Norddeutschland vermißt. In einem Anhang wird die Geschichte
des Germanischen Nationalmuseums zu Nürnberg erzählt.









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[0340] Maßgebliches und Unmaßgebliches Schaden anrichten. Denn Schäffles Werke enthalten zwar nicht so viel Chemie, Physiologie, Pflanzen- und Tierbiologie und Ethnologie wie die Herbert Spencers (von Marx wollen wir gar nicht reden), aber dafür sind sie reich an praktisch verwertbaren Lehren und Ratschlägen, die der Gesetzgeber, der Verwaltungsbeamte, der Politiker kennen muß. Und das ist doch die Hauptsache; die biologischen und ethnologischen Soziologien nützen dem Staatsmanne gar nichts. Was die sehr lebendigen und anschaulichen Charakterschilderungen in dem Büchlein betrifft, so interessieren besonders die der norddeutschen Gegenden und Stamme, weil zwar Süd- und Westdeutschland viel von Norddeutschen bereist und geschildert werden, aber nicht Norddeutschland von Süddeutschen und von Rheinländern. Grupp wird nun zwar den Vorzügen des norddeutschen, namentlich des preußischen Wesens gerecht, aber sich bei den „Kartoffelessern" wohl fühlen, das vermag weder sein schwäbisches Gemüt noch sein an Spätzle gewöhnter Magen. Schade, daß er nicht auch Schlesien bereist hat. Er würde dort eine Mischung süd- und norddeutschen Wesens ge¬ funden haben, die ihm vielleicht behagt hätte, außerdem Klößel, die freilich meist etwas derber ausfallen als die feinen schwäbischen oder badischen Spätzle, und vor vilen — in dem drei bis fünf Meilen breiten Streifen, der sich von Ratibor bis Görlitz im und am Gebirge hinzieht — die schönen malerischen und gemütlichen Dörfer, die er in Norddeutschland vermißt. In einem Anhang wird die Geschichte des Germanischen Nationalmuseums zu Nürnberg erzählt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/340>, abgerufen am 29.04.2024.