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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Die schule der Welt
Ein preußisches Lustspiel Friedrichs des Großen
Georg Pciser von 3

endlicher und bewußter aber als alle diese Anklänge, die meist auf
bloßen Reminiszenzen beruhen mögen, ist die Anlehnung an den
Ualaäö imkAiimirs. Wie in der Levis du monclv die Metaphysik,
ist es im An.lAä'ö imliß'iiuurs die Medizin, die lächerlich gemacht
wird. Sie sei nicht imstande, die Geheimnisse der Natur zu ent¬
schleiern, ihre ganze Herrlichkeit bestehe in einem hochtrabenden
Gcillimathias. Hier ist es der Vater -- er heißt wie in der Lools Argau --,
der der Tochter den verhaßten Bräutigam ausgesucht hat. Dieser kommt wie
Bilvesee frisch von der Universität, wo er ebenfalls zwei Jahre zugebracht hat.
Auch er ist ein einziger Sohn und hat eine große Rente zu erwarten. Sein
Vater -- von der Mutter ist ebensowenig wie in der Lools die Rede -- ist
gerade so stolz auf ihn wie Bardus auf Bilvesee und weiß ihn nicht genug zu
rühmen. Auch an ihm ist, wie der Vater versichert, keine böse Ader; und die
beiden Universitätsjahre haben ihn in seiner Wissenschaft ganz sira gemacht.
Kein Kandidat habe sich in den Disputationen der Fakultät so hervorgetan wie
er. Ein Argument verfolge er bis in die letzten Schlupfwinkel der Logik, und
was der Vater am höchsten schätzt, er halte an den Anschauungen der Alten
>est und wolle von dem modernen Schwindel nichts wissen.

Den Gedanken, seinen Sohn etwa am Hofe unterzubringen, weist der alte
Diafoirus ebenso entschieden von sich wie Bardus, freilich aus ganz andern
Gründen. Auch der junge Diafoirus soll unmittelbar, nachdem er die Universität
verlassen hat, in den Ehestand treten. Sein Vater scheut sich ebensowenig wie
bardus, das heikle Thema der Prolifitation zu berühren und von seinem
wissenschaftlichen Standpunkt aus wie dieser zu versichern, daß sein Sohn die
dafür nötigen Qualitäten in hohem Grade habe. Für die Begrüßung der
künftigen Braut und der Schwiegermutter hat sich Thomas, wie Bilvesee, seine
Reden sorgfältig einstudiert. Aber auch ihm begegnet dabei eine böse Ver¬
wechslung. Er hält die Tochter für die Mutter. Als diese dann erscheint, und
er die für sie bestimmte Rede deklamieren will, bringt auch ihn eine Unter¬
brechung rasch aus dem Konzept. Die listenreiche Zofe ist es schließlich
auch im U-ils-as imÄkinÄirö, die alles zum Guten wendet und die Liebenden
bereinigt.

Aber trotz allen diesen Anklängen und Umkehrungen -- welche Fülle von
Originalität bietet doch auch andrerseits das fridericianische Lustspiel dar! Das
^bhüngigkeitsverhültnis ist ungefähr dasselbe, wie ich es in meiner Abhandlung
über Friedrichs Confedcrationskrieg zwischen diesem und Voltaires komischem


Grenzboten IV 190se 48


Die schule der Welt
Ein preußisches Lustspiel Friedrichs des Großen
Georg Pciser von 3

endlicher und bewußter aber als alle diese Anklänge, die meist auf
bloßen Reminiszenzen beruhen mögen, ist die Anlehnung an den
Ualaäö imkAiimirs. Wie in der Levis du monclv die Metaphysik,
ist es im An.lAä'ö imliß'iiuurs die Medizin, die lächerlich gemacht
wird. Sie sei nicht imstande, die Geheimnisse der Natur zu ent¬
schleiern, ihre ganze Herrlichkeit bestehe in einem hochtrabenden
Gcillimathias. Hier ist es der Vater — er heißt wie in der Lools Argau —,
der der Tochter den verhaßten Bräutigam ausgesucht hat. Dieser kommt wie
Bilvesee frisch von der Universität, wo er ebenfalls zwei Jahre zugebracht hat.
Auch er ist ein einziger Sohn und hat eine große Rente zu erwarten. Sein
Vater — von der Mutter ist ebensowenig wie in der Lools die Rede — ist
gerade so stolz auf ihn wie Bardus auf Bilvesee und weiß ihn nicht genug zu
rühmen. Auch an ihm ist, wie der Vater versichert, keine böse Ader; und die
beiden Universitätsjahre haben ihn in seiner Wissenschaft ganz sira gemacht.
Kein Kandidat habe sich in den Disputationen der Fakultät so hervorgetan wie
er. Ein Argument verfolge er bis in die letzten Schlupfwinkel der Logik, und
was der Vater am höchsten schätzt, er halte an den Anschauungen der Alten
>est und wolle von dem modernen Schwindel nichts wissen.

Den Gedanken, seinen Sohn etwa am Hofe unterzubringen, weist der alte
Diafoirus ebenso entschieden von sich wie Bardus, freilich aus ganz andern
Gründen. Auch der junge Diafoirus soll unmittelbar, nachdem er die Universität
verlassen hat, in den Ehestand treten. Sein Vater scheut sich ebensowenig wie
bardus, das heikle Thema der Prolifitation zu berühren und von seinem
wissenschaftlichen Standpunkt aus wie dieser zu versichern, daß sein Sohn die
dafür nötigen Qualitäten in hohem Grade habe. Für die Begrüßung der
künftigen Braut und der Schwiegermutter hat sich Thomas, wie Bilvesee, seine
Reden sorgfältig einstudiert. Aber auch ihm begegnet dabei eine böse Ver¬
wechslung. Er hält die Tochter für die Mutter. Als diese dann erscheint, und
er die für sie bestimmte Rede deklamieren will, bringt auch ihn eine Unter¬
brechung rasch aus dem Konzept. Die listenreiche Zofe ist es schließlich
auch im U-ils-as imÄkinÄirö, die alles zum Guten wendet und die Liebenden
bereinigt.

Aber trotz allen diesen Anklängen und Umkehrungen — welche Fülle von
Originalität bietet doch auch andrerseits das fridericianische Lustspiel dar! Das
^bhüngigkeitsverhültnis ist ungefähr dasselbe, wie ich es in meiner Abhandlung
über Friedrichs Confedcrationskrieg zwischen diesem und Voltaires komischem


Grenzboten IV 190se 48
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[0381] [Abbildung] Die schule der Welt Ein preußisches Lustspiel Friedrichs des Großen Georg Pciser von 3 endlicher und bewußter aber als alle diese Anklänge, die meist auf bloßen Reminiszenzen beruhen mögen, ist die Anlehnung an den Ualaäö imkAiimirs. Wie in der Levis du monclv die Metaphysik, ist es im An.lAä'ö imliß'iiuurs die Medizin, die lächerlich gemacht wird. Sie sei nicht imstande, die Geheimnisse der Natur zu ent¬ schleiern, ihre ganze Herrlichkeit bestehe in einem hochtrabenden Gcillimathias. Hier ist es der Vater — er heißt wie in der Lools Argau —, der der Tochter den verhaßten Bräutigam ausgesucht hat. Dieser kommt wie Bilvesee frisch von der Universität, wo er ebenfalls zwei Jahre zugebracht hat. Auch er ist ein einziger Sohn und hat eine große Rente zu erwarten. Sein Vater — von der Mutter ist ebensowenig wie in der Lools die Rede — ist gerade so stolz auf ihn wie Bardus auf Bilvesee und weiß ihn nicht genug zu rühmen. Auch an ihm ist, wie der Vater versichert, keine böse Ader; und die beiden Universitätsjahre haben ihn in seiner Wissenschaft ganz sira gemacht. Kein Kandidat habe sich in den Disputationen der Fakultät so hervorgetan wie er. Ein Argument verfolge er bis in die letzten Schlupfwinkel der Logik, und was der Vater am höchsten schätzt, er halte an den Anschauungen der Alten >est und wolle von dem modernen Schwindel nichts wissen. Den Gedanken, seinen Sohn etwa am Hofe unterzubringen, weist der alte Diafoirus ebenso entschieden von sich wie Bardus, freilich aus ganz andern Gründen. Auch der junge Diafoirus soll unmittelbar, nachdem er die Universität verlassen hat, in den Ehestand treten. Sein Vater scheut sich ebensowenig wie bardus, das heikle Thema der Prolifitation zu berühren und von seinem wissenschaftlichen Standpunkt aus wie dieser zu versichern, daß sein Sohn die dafür nötigen Qualitäten in hohem Grade habe. Für die Begrüßung der künftigen Braut und der Schwiegermutter hat sich Thomas, wie Bilvesee, seine Reden sorgfältig einstudiert. Aber auch ihm begegnet dabei eine böse Ver¬ wechslung. Er hält die Tochter für die Mutter. Als diese dann erscheint, und er die für sie bestimmte Rede deklamieren will, bringt auch ihn eine Unter¬ brechung rasch aus dem Konzept. Die listenreiche Zofe ist es schließlich auch im U-ils-as imÄkinÄirö, die alles zum Guten wendet und die Liebenden bereinigt. Aber trotz allen diesen Anklängen und Umkehrungen — welche Fülle von Originalität bietet doch auch andrerseits das fridericianische Lustspiel dar! Das ^bhüngigkeitsverhültnis ist ungefähr dasselbe, wie ich es in meiner Abhandlung über Friedrichs Confedcrationskrieg zwischen diesem und Voltaires komischem Grenzboten IV 190se 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/381>, abgerufen am 29.04.2024.