Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.Erinnerungen aus der Bretagne Liturgie, innewohnt, und die naturgemäß um so mächtiger ist, je mehr das Wundes großes Werk bietet nicht bloß, wie der Leser aus diesen Proben Erinnerungen aus der Bretagne er in den letzten Jahren den Salon besucht oder in Deutschland Mir wenigstens ist es so ergangen. Dazu kamen Erinnerungen aus der Grenzboten IV 1906 91
Erinnerungen aus der Bretagne Liturgie, innewohnt, und die naturgemäß um so mächtiger ist, je mehr das Wundes großes Werk bietet nicht bloß, wie der Leser aus diesen Proben Erinnerungen aus der Bretagne er in den letzten Jahren den Salon besucht oder in Deutschland Mir wenigstens ist es so ergangen. Dazu kamen Erinnerungen aus der Grenzboten IV 1906 91
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0713" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301212"/> <fw type="header" place="top"> Erinnerungen aus der Bretagne</fw><lb/> <p xml:id="ID_2883" prev="#ID_2882"> Liturgie, innewohnt, und die naturgemäß um so mächtiger ist, je mehr das<lb/> religiöse Leben, etwa noch unterstützt durch Priesterschaft und Kultgenossen¬<lb/> schaften, zur Bewahrung des Überlieferten hinneigt. Die Tragödie, so tief<lb/> religiös sie auch in ihren ersten Anfängen gestimmt sein mag, ist doch in<lb/> dem Sinne eine Verweltlichung des Kultus, daß sie statt der Götter Heroen<lb/> und Menschen in den Mittelpunkt der religiösen Ideen stellt, während die bur¬<lb/> leske Posse, eben weil sie von frühe an höchstens eine äußere Zugabe zum<lb/> religiösen Kultus ist. diesen als solchen unberührt läßt. Darum sind die Kultur¬<lb/> völker von strengster Religiosität nicht zur Entwicklung einer Tragödie gelangt.<lb/> So haben sie die Römer erst in später Zeit von den Griechen übernommen,<lb/> und den Indern ist sie überhaupt fremd geblieben. Doch die strengere ist<lb/> nicht unbedingt die tiefere Religiosität."</p><lb/> <p xml:id="ID_2884"> Wundes großes Werk bietet nicht bloß, wie der Leser aus diesen Proben<lb/> erkannt haben wird, eine reiche Fülle belehrender und interessanter Tatsachen,<lb/> sondern es löst auch eine für unsre Zeit hochwichtige Aufgabe: es zeigt, wie<lb/> man die Menschheitsgeschichte „biologisch", vom Standpunkte der modernen<lb/> Naturwissenschaft aus und nach ihrer Methode, behandeln kann, ohne die<lb/> ideellen Werte zu leugnen oder zu zerstören, nach deren Verlust dieser modernen<lb/> Wissenschaft selbst, wie dem Menschendasein überhaupt, nur noch ein sehr<lb/> zweifelhafter Wert beigemessen werden könnte.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Erinnerungen aus der Bretagne</head><lb/> <p xml:id="ID_2885"> er in den letzten Jahren den Salon besucht oder in Deutschland<lb/> internationale Kunstausstellungen gesehen hat, dem wird es nicht<lb/> entgangen sein, daß überall Landschaften, Interieurs oder Typen<lb/> aus der Bretagne vertreten waren. Und in manchem Beschauer<lb/> >^wird der Wunsch erwacht sein, einmal diese Heiden und Felsen,<lb/> ^se Schlösser und Städtchen in Wirklichkeit zu sehen, die frommen Fischer<lb/> Ub Hirten und die Frauen in den saubern weißen Häubchen bei ihrer Arbeit<lb/> ehren Vergnügungen zu beobachten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2886" next="#ID_2887"> Mir wenigstens ist es so ergangen. Dazu kamen Erinnerungen aus der<lb/> ^derzeit, wo mau über den Abenteuern des Königs Artus und seiner Tafel¬<lb/> nde Vesperbrot und Schularbeiten vergaß. Da folgte man in atemloser<lb/> pannung Herrn Iwein auf seinen Ritterfahrten, und die bretonischen Wälder<lb/> . Ulm Wider von Schwerterklirren und Fehdegeschrei. Wie viele Vorwitzige<lb/> ^'tztc da Gawein, „die Blume der Ritterschaft", in den Sand! Im Schlosse<lb/> ^aridol waltete Frau Ginover die Schöne; und vor den Toren von Nantes</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1906 91</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0713]
Erinnerungen aus der Bretagne
Liturgie, innewohnt, und die naturgemäß um so mächtiger ist, je mehr das
religiöse Leben, etwa noch unterstützt durch Priesterschaft und Kultgenossen¬
schaften, zur Bewahrung des Überlieferten hinneigt. Die Tragödie, so tief
religiös sie auch in ihren ersten Anfängen gestimmt sein mag, ist doch in
dem Sinne eine Verweltlichung des Kultus, daß sie statt der Götter Heroen
und Menschen in den Mittelpunkt der religiösen Ideen stellt, während die bur¬
leske Posse, eben weil sie von frühe an höchstens eine äußere Zugabe zum
religiösen Kultus ist. diesen als solchen unberührt läßt. Darum sind die Kultur¬
völker von strengster Religiosität nicht zur Entwicklung einer Tragödie gelangt.
So haben sie die Römer erst in später Zeit von den Griechen übernommen,
und den Indern ist sie überhaupt fremd geblieben. Doch die strengere ist
nicht unbedingt die tiefere Religiosität."
Wundes großes Werk bietet nicht bloß, wie der Leser aus diesen Proben
erkannt haben wird, eine reiche Fülle belehrender und interessanter Tatsachen,
sondern es löst auch eine für unsre Zeit hochwichtige Aufgabe: es zeigt, wie
man die Menschheitsgeschichte „biologisch", vom Standpunkte der modernen
Naturwissenschaft aus und nach ihrer Methode, behandeln kann, ohne die
ideellen Werte zu leugnen oder zu zerstören, nach deren Verlust dieser modernen
Wissenschaft selbst, wie dem Menschendasein überhaupt, nur noch ein sehr
zweifelhafter Wert beigemessen werden könnte.
Erinnerungen aus der Bretagne
er in den letzten Jahren den Salon besucht oder in Deutschland
internationale Kunstausstellungen gesehen hat, dem wird es nicht
entgangen sein, daß überall Landschaften, Interieurs oder Typen
aus der Bretagne vertreten waren. Und in manchem Beschauer
>^wird der Wunsch erwacht sein, einmal diese Heiden und Felsen,
^se Schlösser und Städtchen in Wirklichkeit zu sehen, die frommen Fischer
Ub Hirten und die Frauen in den saubern weißen Häubchen bei ihrer Arbeit
ehren Vergnügungen zu beobachten.
Mir wenigstens ist es so ergangen. Dazu kamen Erinnerungen aus der
^derzeit, wo mau über den Abenteuern des Königs Artus und seiner Tafel¬
nde Vesperbrot und Schularbeiten vergaß. Da folgte man in atemloser
pannung Herrn Iwein auf seinen Ritterfahrten, und die bretonischen Wälder
. Ulm Wider von Schwerterklirren und Fehdegeschrei. Wie viele Vorwitzige
^'tztc da Gawein, „die Blume der Ritterschaft", in den Sand! Im Schlosse
^aridol waltete Frau Ginover die Schöne; und vor den Toren von Nantes
Grenzboten IV 1906 91
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