Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.Der ^andverlust der deutschen Küsten R. Lsennig vonin M- Es ist wahrlich ein trauriges Bild, das sich hier dem Blick in die Zukunft Der Königsstuhl vou Stubbenkammer, der nach den Feststellungen Friedels Grenzboten 1 1907 41
Der ^andverlust der deutschen Küsten R. Lsennig vonin M- Es ist wahrlich ein trauriges Bild, das sich hier dem Blick in die Zukunft Der Königsstuhl vou Stubbenkammer, der nach den Feststellungen Friedels Grenzboten 1 1907 41
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0321" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301575"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341885_301253/figures/grenzboten_341885_301253_301575_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Der ^andverlust der deutschen Küsten<lb/><note type="byline"> R. Lsennig </note> vonin</head><lb/> <p xml:id="ID_1102"> M-<lb/> MVN dem Umfang des Verlustes, den die deutsche Küste allenthalben<lb/> durch Meeresbrandung, Regengüsse, Frostwirkung und Sturm,<lb/> doch auch durch Abtreten der Kanten und durch Pflanzenwurzeln<lb/> fortgesetzt erleidet, macht man sich schwerlich eine richtige Vor¬<lb/> stellung, Die gewaltigen Verheerungen, die an den Ostseeküsten<lb/> die große Silvestersturmflut 1904 angerichtet hat, die größte seit der furcht¬<lb/> baren Sturmflutkatastrvphe vom 13. November 1872, haben dem bekannten<lb/> Geologen Professor Geinitz von der Rostocker Universität Veranlassung gegeben,<lb/> dem Problem des Landverlustes der deutschen Küsten wieder einmal näher zu<lb/> treten, und es sind ganz erschreckende Resultate, die er bei seiner Untersuchung<lb/> gefunden hat. Man rechnete bisher, daß die deutsche Ostseeküste im Durchschnitt<lb/> in hundert Jahren etwa 44 Meter an Terrain verlöre, also im Jahr etwa<lb/> einen halben Meter, eine im Verhältnis zur Kürze der Zeit und zur Dauer<lb/> der Wirkung recht bedeutende Menge. Geinitz fand aber, daß diese Menge<lb/> eher noch zu niedrig als zu hoch gegriffen sein dürfte, daß insbesondre die<lb/> Steilküsten mit ihrem Geschiebemergcl einen weit größern Abgang zu ver¬<lb/> zeichnen haben, während der dnrch Dünenketten geschützte Landstrand den Zer¬<lb/> störungen wesentlich besser widersteht. Friedrich teilt z. B. mit, daß ein großer<lb/> Stein, der 1880 am Brvthener Ufer bei Travemünde an der untern Kante des<lb/> Steilnfers zuerst bloßgelegt wurde, und der seinen Platz seither nicht verändert<lb/> hat, heute schon 15 Meter weit draußen im Wasser und 27 Meter von der<lb/> Steilküste entfernt liegt. Ein andrer Stein an demselben Ufer, den vor fünfzig<lb/> Jahren die Kinder beim Baden zum Ablegen ihrer Kleider benutzte«, liegt heute<lb/> 40 Meter weit draußen im Meer, woraus sich der Landverlust an dieser Stelle<lb/> ans volle 60 Meter in nur einem halben Jahrhundert berechnen läßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1103"> Es ist wahrlich ein trauriges Bild, das sich hier dem Blick in die Zukunft<lb/> eröffnet. Alle die Herrlichkeiten unsrer deutschen Ostseeküsten, insbesondre die<lb/> weltberühmten Schönheiten der Insel Rügen mit Stubbenknminer und Arkona,<lb/> der einzig schöne Gespensterwald von Heiligendamm usw., gehen einem zwar<lb/> nur langsamen, aber sichern und unvermeidlichen Untergang entgegen. Gerade<lb/> Rügen weist schon jetzt nur allzu zahlreiche Spuren auf vom Kampf des<lb/> Meeres wider die Naturschönheiten des Landes.</p><lb/> <p xml:id="ID_1104" next="#ID_1105"> Der Königsstuhl vou Stubbenkammer, der nach den Feststellungen Friedels<lb/> ein altes Hünengrab trägt, ist ein Beispiel hierfür, denn das Hünengrab, das</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten 1 1907 41</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0321]
[Abbildung]
Der ^andverlust der deutschen Küsten
R. Lsennig vonin
M-
MVN dem Umfang des Verlustes, den die deutsche Küste allenthalben
durch Meeresbrandung, Regengüsse, Frostwirkung und Sturm,
doch auch durch Abtreten der Kanten und durch Pflanzenwurzeln
fortgesetzt erleidet, macht man sich schwerlich eine richtige Vor¬
stellung, Die gewaltigen Verheerungen, die an den Ostseeküsten
die große Silvestersturmflut 1904 angerichtet hat, die größte seit der furcht¬
baren Sturmflutkatastrvphe vom 13. November 1872, haben dem bekannten
Geologen Professor Geinitz von der Rostocker Universität Veranlassung gegeben,
dem Problem des Landverlustes der deutschen Küsten wieder einmal näher zu
treten, und es sind ganz erschreckende Resultate, die er bei seiner Untersuchung
gefunden hat. Man rechnete bisher, daß die deutsche Ostseeküste im Durchschnitt
in hundert Jahren etwa 44 Meter an Terrain verlöre, also im Jahr etwa
einen halben Meter, eine im Verhältnis zur Kürze der Zeit und zur Dauer
der Wirkung recht bedeutende Menge. Geinitz fand aber, daß diese Menge
eher noch zu niedrig als zu hoch gegriffen sein dürfte, daß insbesondre die
Steilküsten mit ihrem Geschiebemergcl einen weit größern Abgang zu ver¬
zeichnen haben, während der dnrch Dünenketten geschützte Landstrand den Zer¬
störungen wesentlich besser widersteht. Friedrich teilt z. B. mit, daß ein großer
Stein, der 1880 am Brvthener Ufer bei Travemünde an der untern Kante des
Steilnfers zuerst bloßgelegt wurde, und der seinen Platz seither nicht verändert
hat, heute schon 15 Meter weit draußen im Wasser und 27 Meter von der
Steilküste entfernt liegt. Ein andrer Stein an demselben Ufer, den vor fünfzig
Jahren die Kinder beim Baden zum Ablegen ihrer Kleider benutzte«, liegt heute
40 Meter weit draußen im Meer, woraus sich der Landverlust an dieser Stelle
ans volle 60 Meter in nur einem halben Jahrhundert berechnen läßt.
Es ist wahrlich ein trauriges Bild, das sich hier dem Blick in die Zukunft
eröffnet. Alle die Herrlichkeiten unsrer deutschen Ostseeküsten, insbesondre die
weltberühmten Schönheiten der Insel Rügen mit Stubbenknminer und Arkona,
der einzig schöne Gespensterwald von Heiligendamm usw., gehen einem zwar
nur langsamen, aber sichern und unvermeidlichen Untergang entgegen. Gerade
Rügen weist schon jetzt nur allzu zahlreiche Spuren auf vom Kampf des
Meeres wider die Naturschönheiten des Landes.
Der Königsstuhl vou Stubbenkammer, der nach den Feststellungen Friedels
ein altes Hünengrab trägt, ist ein Beispiel hierfür, denn das Hünengrab, das
Grenzboten 1 1907 41
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