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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Um Algeciras
i

in 18. Mürz 1906 veröffentlichte Georges Villiers im Temps
eine Instruktion, die der englische Delegierte auf der Konferenz
in Algeciras am 14. März von seiner Regierung erhalten hatte,
und die ihm die energische Unterstützung des französischen Stand¬
punkts in der Polizeifrage vorschrieb. Insbesondre sollte Sir
Arthur Nicolson seinem französischen Kollegen Revoil in der Be¬
kämpfung des Vorschlags beistehn, daß von den acht marokkanischen Vertrags¬
häfeneiner, nämlich Casabianca, von der französisch-spanischen Polizeiinstruktivn
ausgenommen und dem Kommando des Generalinspektors der Polizei unterstellt
werde. Dieser Vorschlag war in dem Vermittlungsantrage enthalten, den der
österreichisch-ungarische Delegierte Graf Welsersheimb in der Komiteesitzung vom
8. März eingebracht hatte, und der bezweckte, die französisch-spanische Polizei¬
instruktion an den von Deutschland verlangten Bürgschaften für ihre unparteiische
Ausübung zu umgeben.

Am 20. Mürz veröffentlichte derselbe Georges Villiers eine Instruktion
des Grafen Lambsdorff an den russischen Delegierten Grafen Cassini, in der
unter der Versicherung treuer Vundesgcuossenschaft für Frankreich der Be¬
hauptung entgegengetreten wurde, daß die russische Regierung glaubte, Frank¬
reich könnte die Organisierung der Polizei in Casabianca durch eine neutrale
Macht zulassen. Der russische Botschafter in Paris von Nelidvff sei beauf¬
tragt, diese Instruktion dein französischen Minister des Auswärtigen Bourgeois
mitzuteilen. Am 21. März übergab der russische Botschafter in Berlin Graf
Osten-Sacken dem Reichskanzler Fürsten Vülow den Text der vom 19. März
datierten Instruktion an den Grafen Cassini, der am Tage darauf von Wolffs
Telegraphischem Bureau veröffentlicht wurde. Eine Vergleichung des Textes
mit der Fassung des Temps ergab, daß Georges Villiers den Wortlaut durch
Zusätze und Weglassungen im Ton und Inhalt verändert hatte. Im Temps
fehlte namentlich der Schlußsatz, daß Rußland außer dem Wunsche, seinen Ver¬
bündeten in seineii berechtigte,, Forderungen zu unterstützen, seine Anstrengungen
einzig ans ein hohes versöhnliches Ziel richte, nämlich eine Lösung der einge-
tretnen Schwierigkeiten zu finden, die der Würde beider Parteien entspreche.
Nnßer der Tatsache, daß der Temps gleichzeitig mit oder unmittelbar nach
dem Minister Bourgeois Kenntnis von der Instruktion erlangt und sie ver¬
öffentlicht hatte, blieb aber auch der wirkliche Inhalt der Instruktion, die Ver¬
wahrung gegen den Mangel an russischer Bundestreue, noch auffällig genug.

Die Veröffentlichung war der russischen Negierung sehr unangenehm.
Herr von Nelidoff, der bei einer zufälligen Begegnung Herrn Georges Villiers
in allgemeinen Wendungen von seinem Auftrag an Herrn Bourgeois Mit-




Um Algeciras
i

in 18. Mürz 1906 veröffentlichte Georges Villiers im Temps
eine Instruktion, die der englische Delegierte auf der Konferenz
in Algeciras am 14. März von seiner Regierung erhalten hatte,
und die ihm die energische Unterstützung des französischen Stand¬
punkts in der Polizeifrage vorschrieb. Insbesondre sollte Sir
Arthur Nicolson seinem französischen Kollegen Revoil in der Be¬
kämpfung des Vorschlags beistehn, daß von den acht marokkanischen Vertrags¬
häfeneiner, nämlich Casabianca, von der französisch-spanischen Polizeiinstruktivn
ausgenommen und dem Kommando des Generalinspektors der Polizei unterstellt
werde. Dieser Vorschlag war in dem Vermittlungsantrage enthalten, den der
österreichisch-ungarische Delegierte Graf Welsersheimb in der Komiteesitzung vom
8. März eingebracht hatte, und der bezweckte, die französisch-spanische Polizei¬
instruktion an den von Deutschland verlangten Bürgschaften für ihre unparteiische
Ausübung zu umgeben.

Am 20. Mürz veröffentlichte derselbe Georges Villiers eine Instruktion
des Grafen Lambsdorff an den russischen Delegierten Grafen Cassini, in der
unter der Versicherung treuer Vundesgcuossenschaft für Frankreich der Be¬
hauptung entgegengetreten wurde, daß die russische Regierung glaubte, Frank¬
reich könnte die Organisierung der Polizei in Casabianca durch eine neutrale
Macht zulassen. Der russische Botschafter in Paris von Nelidvff sei beauf¬
tragt, diese Instruktion dein französischen Minister des Auswärtigen Bourgeois
mitzuteilen. Am 21. März übergab der russische Botschafter in Berlin Graf
Osten-Sacken dem Reichskanzler Fürsten Vülow den Text der vom 19. März
datierten Instruktion an den Grafen Cassini, der am Tage darauf von Wolffs
Telegraphischem Bureau veröffentlicht wurde. Eine Vergleichung des Textes
mit der Fassung des Temps ergab, daß Georges Villiers den Wortlaut durch
Zusätze und Weglassungen im Ton und Inhalt verändert hatte. Im Temps
fehlte namentlich der Schlußsatz, daß Rußland außer dem Wunsche, seinen Ver¬
bündeten in seineii berechtigte,, Forderungen zu unterstützen, seine Anstrengungen
einzig ans ein hohes versöhnliches Ziel richte, nämlich eine Lösung der einge-
tretnen Schwierigkeiten zu finden, die der Würde beider Parteien entspreche.
Nnßer der Tatsache, daß der Temps gleichzeitig mit oder unmittelbar nach
dem Minister Bourgeois Kenntnis von der Instruktion erlangt und sie ver¬
öffentlicht hatte, blieb aber auch der wirkliche Inhalt der Instruktion, die Ver¬
wahrung gegen den Mangel an russischer Bundestreue, noch auffällig genug.

Die Veröffentlichung war der russischen Negierung sehr unangenehm.
Herr von Nelidoff, der bei einer zufälligen Begegnung Herrn Georges Villiers
in allgemeinen Wendungen von seinem Auftrag an Herrn Bourgeois Mit-


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[0651] [Abbildung] Um Algeciras i in 18. Mürz 1906 veröffentlichte Georges Villiers im Temps eine Instruktion, die der englische Delegierte auf der Konferenz in Algeciras am 14. März von seiner Regierung erhalten hatte, und die ihm die energische Unterstützung des französischen Stand¬ punkts in der Polizeifrage vorschrieb. Insbesondre sollte Sir Arthur Nicolson seinem französischen Kollegen Revoil in der Be¬ kämpfung des Vorschlags beistehn, daß von den acht marokkanischen Vertrags¬ häfeneiner, nämlich Casabianca, von der französisch-spanischen Polizeiinstruktivn ausgenommen und dem Kommando des Generalinspektors der Polizei unterstellt werde. Dieser Vorschlag war in dem Vermittlungsantrage enthalten, den der österreichisch-ungarische Delegierte Graf Welsersheimb in der Komiteesitzung vom 8. März eingebracht hatte, und der bezweckte, die französisch-spanische Polizei¬ instruktion an den von Deutschland verlangten Bürgschaften für ihre unparteiische Ausübung zu umgeben. Am 20. Mürz veröffentlichte derselbe Georges Villiers eine Instruktion des Grafen Lambsdorff an den russischen Delegierten Grafen Cassini, in der unter der Versicherung treuer Vundesgcuossenschaft für Frankreich der Be¬ hauptung entgegengetreten wurde, daß die russische Regierung glaubte, Frank¬ reich könnte die Organisierung der Polizei in Casabianca durch eine neutrale Macht zulassen. Der russische Botschafter in Paris von Nelidvff sei beauf¬ tragt, diese Instruktion dein französischen Minister des Auswärtigen Bourgeois mitzuteilen. Am 21. März übergab der russische Botschafter in Berlin Graf Osten-Sacken dem Reichskanzler Fürsten Vülow den Text der vom 19. März datierten Instruktion an den Grafen Cassini, der am Tage darauf von Wolffs Telegraphischem Bureau veröffentlicht wurde. Eine Vergleichung des Textes mit der Fassung des Temps ergab, daß Georges Villiers den Wortlaut durch Zusätze und Weglassungen im Ton und Inhalt verändert hatte. Im Temps fehlte namentlich der Schlußsatz, daß Rußland außer dem Wunsche, seinen Ver¬ bündeten in seineii berechtigte,, Forderungen zu unterstützen, seine Anstrengungen einzig ans ein hohes versöhnliches Ziel richte, nämlich eine Lösung der einge- tretnen Schwierigkeiten zu finden, die der Würde beider Parteien entspreche. Nnßer der Tatsache, daß der Temps gleichzeitig mit oder unmittelbar nach dem Minister Bourgeois Kenntnis von der Instruktion erlangt und sie ver¬ öffentlicht hatte, blieb aber auch der wirkliche Inhalt der Instruktion, die Ver¬ wahrung gegen den Mangel an russischer Bundestreue, noch auffällig genug. Die Veröffentlichung war der russischen Negierung sehr unangenehm. Herr von Nelidoff, der bei einer zufälligen Begegnung Herrn Georges Villiers in allgemeinen Wendungen von seinem Auftrag an Herrn Bourgeois Mit-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/651>, abgerufen am 02.05.2024.