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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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geworden ist, sich mit Adolf Stern zu unterhalten und Probleme künstlerischen
Lebens mit ihm zu erörtern, der wird den Eindruck einer Natur mitgenommen
haben, die das Höchste zu erfassen wußte, weil sie genug innern Gehalt hatte,
um mit nach oben zu kommen. In ihn" paarte sich die Besonnenheit des alles
in seinen Kreis ziehenden, niemals nach Sensationen lüsternen Kritikers mit
der Phantasiekraft des Dichters. Wie in den besten seiner Novellen die
Handlung langsam steigt und, in bewußter Kunst erbaut, zu einem schönen Höhe¬
punkt führt, von dem man weit sehen kann, so führte er jede literarhistorische
und ästhetische Betrachtung langsam zu einem Gipfel, von dem es eine weite
Umschau gab. Sein Meisterwerk, die Biographie Otto Ludwigs, hat es erst
zuletzt in ihrer neuen Gestaltung bewiesen, wie sich hier dichterische Fähigkeiten
mit denen des Historikers verbanden. Wenn der Stil der Mensch ist -- und
das ist eigentlich nur zu wahr, daß man es noch besonders aussprechen sollte --,
so war Adolf Sterns ruhige, immer von einem künstlerischen Hauch übergossene
Schreibart das treue Abbild seines Wesens, in dem der nachdenkliche Betrachter
der Kunst immer zugleich der Dichter war. Er hat lange Jahre im Schatten
gestanden; auch von denen mit Absicht verkannt, die ihm unbewußt viel zu
danken hatten. Am Ende seines Lebens wurde dem Dichter und dem Historiker
ein aufleuchtender Glanz neuer Anerkennung beschieden, und daß er so noch
unter dem Eindruck seiner in viele Herzen eingeschriebnen Wirksamkeit hingehn
durfte, macht uns das Scheiden leichter. Adolf Stern soll und wird lange
Heinrich Sxiero nicht vergessen werden! _




^"Samarkand
L?. Toepfer Reiseerinnerungen von
2

Samarkand ist überreich an Baudenkmälern aus einer verflossenen
Glanzzeit. Es ist nicht nur das rein historische Interesse oder
das Monumentale, das den Reisenden fesselt, sondern die wirkliche
Kunst, die sich ebenso in der Gesamtanlage wie in der Durch¬
bildung im einzelnen auch im Verfall erkennen läßt. Die un¬
willkürliche Frage: Geschieht denn gar nichts zur Erhaltung dieser Zeugen einer
großen Vergangenheit? hat eigentlich erst im Vorjahr eine bejahende Antwort
gefunden. Bisher war nur das unbefugte Sammeln und Abbröckeln der Fayence¬
ornamente verboten. Im vorvorigen Sommer sind aber von dem russischen
Komitee für die Durchforschung von Mittel- und Ostasien Expeditionen ent¬
sandt, um die Architektur und Ornamentik photographisch und in farbiger
Zeichnung aufzunehmen. Die Ausbeute sollte Anfang Februar vorigen Jahres
in den Sälen der Akademie der Wissenschaft ausgestellt werden und Freunde


geworden ist, sich mit Adolf Stern zu unterhalten und Probleme künstlerischen
Lebens mit ihm zu erörtern, der wird den Eindruck einer Natur mitgenommen
haben, die das Höchste zu erfassen wußte, weil sie genug innern Gehalt hatte,
um mit nach oben zu kommen. In ihn« paarte sich die Besonnenheit des alles
in seinen Kreis ziehenden, niemals nach Sensationen lüsternen Kritikers mit
der Phantasiekraft des Dichters. Wie in den besten seiner Novellen die
Handlung langsam steigt und, in bewußter Kunst erbaut, zu einem schönen Höhe¬
punkt führt, von dem man weit sehen kann, so führte er jede literarhistorische
und ästhetische Betrachtung langsam zu einem Gipfel, von dem es eine weite
Umschau gab. Sein Meisterwerk, die Biographie Otto Ludwigs, hat es erst
zuletzt in ihrer neuen Gestaltung bewiesen, wie sich hier dichterische Fähigkeiten
mit denen des Historikers verbanden. Wenn der Stil der Mensch ist — und
das ist eigentlich nur zu wahr, daß man es noch besonders aussprechen sollte —,
so war Adolf Sterns ruhige, immer von einem künstlerischen Hauch übergossene
Schreibart das treue Abbild seines Wesens, in dem der nachdenkliche Betrachter
der Kunst immer zugleich der Dichter war. Er hat lange Jahre im Schatten
gestanden; auch von denen mit Absicht verkannt, die ihm unbewußt viel zu
danken hatten. Am Ende seines Lebens wurde dem Dichter und dem Historiker
ein aufleuchtender Glanz neuer Anerkennung beschieden, und daß er so noch
unter dem Eindruck seiner in viele Herzen eingeschriebnen Wirksamkeit hingehn
durfte, macht uns das Scheiden leichter. Adolf Stern soll und wird lange
Heinrich Sxiero nicht vergessen werden! _




^»Samarkand
L?. Toepfer Reiseerinnerungen von
2

Samarkand ist überreich an Baudenkmälern aus einer verflossenen
Glanzzeit. Es ist nicht nur das rein historische Interesse oder
das Monumentale, das den Reisenden fesselt, sondern die wirkliche
Kunst, die sich ebenso in der Gesamtanlage wie in der Durch¬
bildung im einzelnen auch im Verfall erkennen läßt. Die un¬
willkürliche Frage: Geschieht denn gar nichts zur Erhaltung dieser Zeugen einer
großen Vergangenheit? hat eigentlich erst im Vorjahr eine bejahende Antwort
gefunden. Bisher war nur das unbefugte Sammeln und Abbröckeln der Fayence¬
ornamente verboten. Im vorvorigen Sommer sind aber von dem russischen
Komitee für die Durchforschung von Mittel- und Ostasien Expeditionen ent¬
sandt, um die Architektur und Ornamentik photographisch und in farbiger
Zeichnung aufzunehmen. Die Ausbeute sollte Anfang Februar vorigen Jahres
in den Sälen der Akademie der Wissenschaft ausgestellt werden und Freunde


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/470>, abgerufen am 02.05.2024.