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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen

keiner falschen Illusion hingeben, muß dafür aber mit allen Kräften danach
streben, die deutsche Flotte auf einer Höhe zu erhalten, die auch dem starken
Gegner seinen Einsatz bei einem Vergewaltigungsversuche zu groß erscheinen
läßt. Darauf beruht der Weltfriede, namentlich für Europa. Wenn im ver¬
flossenen Jahre in England, in den Vereinigten Staaten und in Japan betont
worden ist, daß die Flotten in der bisherigen Stärke erhalten, d. h. erneuert
werden müßten, so dürfte der Grund dafür weniger in der Rücksicht auf den
nötigen Schutz der erweiterten Handelsbeziehungen zu suchen sein als vielmehr
in dem Ausblick auf die Möglichkeiten der Weltlage, deren Entscheidungen zur
See ausgekämpft werden müßten. Für jeden, der zu sehen versteht, verspricht
das englisch-japanische Bündnis keine ewige Dauer. England könnte dann
leicht in die Lage kommen, daß ihm die Unterstützung Deutschlands in Ostasien
nicht unangenehm wäre; denn beide haben dort gleiche Interessen. Es würde
schon aus diesem Grunde praktisch unklug sein, wenn England den Versuch
unternehmen wollte, die deutsche Flotte zu vernichten.




Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen

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Heft 6 und 7) ergibt, war es in Preußen im vorigen Jahr¬
hundert schon recht bald dahin gekommen, daß sich in der Ver¬
waltung überall, in den Zentral- wie in den Provinzial-
!und den Kreisbehörden in steigendem Umfang ein verderblicher
Dilettantismus oder sagen wir in ehrlichem Deutsch: ein verderbliches Pfuscher¬
und Stümpertum breit machen konnte, das verkörpert wurde durch vollständige
Laien auf dem Gebiete der Verwaltung, durch einseitige Privatrechtsjuristen
und durch ungenügend ausgebildete Verwaltungsbeamte, denen namentlich die
für sie unerläßliche persönliche Anschauung vom praktischen Leben immer mehr
abhanden gekommen war.

Jede Neuordnung des Verwaltungsdienstes, an die man endlich nach
langem Zögern Mitte der siebziger Jahre heranging, hätte also dieses Pfuscher¬
und Stümpertum rücksichtslos hinwegräumen müssen. Aber das Gesetz von
1879, das die Reform bringen sollte, hat umgekehrt die bestehenden Mi߬
stände fast für ein weiteres Menschenalter geradezu gesetzlich festgelegt. Indem
es nur für wenige Stellen, zu denen die leitenden nicht gehörten, eine be¬
sondre Vorbildung forderte, gestattete es auch weiterhin, gerade in die
wichtigsten Stellen des höhern Verwaltungsdienstes Laien hineinzunehmen.
Vollends seine Bestimmungen über die Aufnahme von Juristen in die Ver-


Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen

keiner falschen Illusion hingeben, muß dafür aber mit allen Kräften danach
streben, die deutsche Flotte auf einer Höhe zu erhalten, die auch dem starken
Gegner seinen Einsatz bei einem Vergewaltigungsversuche zu groß erscheinen
läßt. Darauf beruht der Weltfriede, namentlich für Europa. Wenn im ver¬
flossenen Jahre in England, in den Vereinigten Staaten und in Japan betont
worden ist, daß die Flotten in der bisherigen Stärke erhalten, d. h. erneuert
werden müßten, so dürfte der Grund dafür weniger in der Rücksicht auf den
nötigen Schutz der erweiterten Handelsbeziehungen zu suchen sein als vielmehr
in dem Ausblick auf die Möglichkeiten der Weltlage, deren Entscheidungen zur
See ausgekämpft werden müßten. Für jeden, der zu sehen versteht, verspricht
das englisch-japanische Bündnis keine ewige Dauer. England könnte dann
leicht in die Lage kommen, daß ihm die Unterstützung Deutschlands in Ostasien
nicht unangenehm wäre; denn beide haben dort gleiche Interessen. Es würde
schon aus diesem Grunde praktisch unklug sein, wenn England den Versuch
unternehmen wollte, die deutsche Flotte zu vernichten.




Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen

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Heft 6 und 7) ergibt, war es in Preußen im vorigen Jahr¬
hundert schon recht bald dahin gekommen, daß sich in der Ver¬
waltung überall, in den Zentral- wie in den Provinzial-
!und den Kreisbehörden in steigendem Umfang ein verderblicher
Dilettantismus oder sagen wir in ehrlichem Deutsch: ein verderbliches Pfuscher¬
und Stümpertum breit machen konnte, das verkörpert wurde durch vollständige
Laien auf dem Gebiete der Verwaltung, durch einseitige Privatrechtsjuristen
und durch ungenügend ausgebildete Verwaltungsbeamte, denen namentlich die
für sie unerläßliche persönliche Anschauung vom praktischen Leben immer mehr
abhanden gekommen war.

Jede Neuordnung des Verwaltungsdienstes, an die man endlich nach
langem Zögern Mitte der siebziger Jahre heranging, hätte also dieses Pfuscher¬
und Stümpertum rücksichtslos hinwegräumen müssen. Aber das Gesetz von
1879, das die Reform bringen sollte, hat umgekehrt die bestehenden Mi߬
stände fast für ein weiteres Menschenalter geradezu gesetzlich festgelegt. Indem
es nur für wenige Stellen, zu denen die leitenden nicht gehörten, eine be¬
sondre Vorbildung forderte, gestattete es auch weiterhin, gerade in die
wichtigsten Stellen des höhern Verwaltungsdienstes Laien hineinzunehmen.
Vollends seine Bestimmungen über die Aufnahme von Juristen in die Ver-


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[0071] Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen keiner falschen Illusion hingeben, muß dafür aber mit allen Kräften danach streben, die deutsche Flotte auf einer Höhe zu erhalten, die auch dem starken Gegner seinen Einsatz bei einem Vergewaltigungsversuche zu groß erscheinen läßt. Darauf beruht der Weltfriede, namentlich für Europa. Wenn im ver¬ flossenen Jahre in England, in den Vereinigten Staaten und in Japan betont worden ist, daß die Flotten in der bisherigen Stärke erhalten, d. h. erneuert werden müßten, so dürfte der Grund dafür weniger in der Rücksicht auf den nötigen Schutz der erweiterten Handelsbeziehungen zu suchen sein als vielmehr in dem Ausblick auf die Möglichkeiten der Weltlage, deren Entscheidungen zur See ausgekämpft werden müßten. Für jeden, der zu sehen versteht, verspricht das englisch-japanische Bündnis keine ewige Dauer. England könnte dann leicht in die Lage kommen, daß ihm die Unterstützung Deutschlands in Ostasien nicht unangenehm wäre; denn beide haben dort gleiche Interessen. Es würde schon aus diesem Grunde praktisch unklug sein, wenn England den Versuch unternehmen wollte, die deutsche Flotte zu vernichten. Nochmals der höhere Verwaltungsdienst in Preußen MT> W M> le sich aus meiner frühern Darstellung in den Grenzboten (1906, Heft 6 und 7) ergibt, war es in Preußen im vorigen Jahr¬ hundert schon recht bald dahin gekommen, daß sich in der Ver¬ waltung überall, in den Zentral- wie in den Provinzial- !und den Kreisbehörden in steigendem Umfang ein verderblicher Dilettantismus oder sagen wir in ehrlichem Deutsch: ein verderbliches Pfuscher¬ und Stümpertum breit machen konnte, das verkörpert wurde durch vollständige Laien auf dem Gebiete der Verwaltung, durch einseitige Privatrechtsjuristen und durch ungenügend ausgebildete Verwaltungsbeamte, denen namentlich die für sie unerläßliche persönliche Anschauung vom praktischen Leben immer mehr abhanden gekommen war. Jede Neuordnung des Verwaltungsdienstes, an die man endlich nach langem Zögern Mitte der siebziger Jahre heranging, hätte also dieses Pfuscher¬ und Stümpertum rücksichtslos hinwegräumen müssen. Aber das Gesetz von 1879, das die Reform bringen sollte, hat umgekehrt die bestehenden Mi߬ stände fast für ein weiteres Menschenalter geradezu gesetzlich festgelegt. Indem es nur für wenige Stellen, zu denen die leitenden nicht gehörten, eine be¬ sondre Vorbildung forderte, gestattete es auch weiterhin, gerade in die wichtigsten Stellen des höhern Verwaltungsdienstes Laien hineinzunehmen. Vollends seine Bestimmungen über die Aufnahme von Juristen in die Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/71>, abgerufen am 28.04.2024.