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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Goethe und die Boisseree

Rentengüter, die in den letzten zwanzig Jahren geschaffen worden sind. Die
Landbank, die vor zehn Jahren von angesehenen Landwirten in Berlin als
Aktiengesellschaft gegründet worden ist, hat bis Ende 1905 rund 2000 neue
Wirtschaften von zusammen 30546 Hektaren und 1433 Zukaufsgrundstücke von
Carl I-meses zusammen 6732 Hektaren an bäuerliche Besitzer vergeben.




Goethe und die Boisseree
2

ber auch persönlich sollten die Boisseree Goethen noch näher treten.
Sulpiz hatte gleich Goethe dringend eingeladen, die Zeichnung
mit eignen Augen zu beschauen. Er hatte den lebhaften Wunsch,
damit den Sieg, dessen er sich rühmte, vollständig zu machen und
den alten Heiden mit klingendem Spiel und wehenden Fahnen
in das Lager der Romantik einzuführen. Mehrere Jahre gehn darüber hin,
die stürmischen Zeiten der Befreiungskriege luden nicht zu solchen Unter¬
nehmungen ein. Aber der Spätsommer 1814 krönte die Hoffnungen des
Heidelberger Kleeblatts mit glänzender Erfüllung. Goethe, so sehr er sonst
die böhmischen Bäder bevorzugte, hatte sich diesmal für Wiesbaden entschieden.
Am 13. August schrieb er von dort an Sulpiz, der sich in Burtscheid bei
Aachen aufhielt, wo er ein hübsches Zusammentreffen mit dem Herzog Karl
August hatte, und bat um seinen Besuch. Obwohl es anfangs mit den beider¬
seitigen Zeiteinrichtungen nicht gut zu passen schien, kam Sulpiz doch recht¬
zeitig nach Wiesbaden, da Goethe in einem spätern Briefe ausdrücklich den
Wunsch zu erkennen gegeben hatte, die drei Freunde und die Sammlung zu
besuchen. Sulpiz reist nun mit ihm zunächst nach Frankfurt, wo einige Tage
Aufenthalt war, am 24. September erscheint Goethe in Heidelberg und nimmt
bei den Boisseree Wohnung. Natürlich waren es nicht nur für diese festliche
Tage, die ganze akademische Welt war in freudiger Erregung, eine Feierlich¬
keit jagte die andre. Goethe blieb bis zum 10. Oktober und trat dann die
Heimreise an. "Der Abschied von dem alten Freunde, schrieb Sulpiz am 11.,
tat mir recht leid, besonders als er wegfuhr und ich allein blieb und niemand
hatte, als meine Gedanken, mit dem ich mich unterhalten konnte über das,
was er uns gewesen war, und was wir in diesen schönen Tagen von ihm
gehabt. Er bat wiederholt, ihm bald zu schreiben und den Katalog unsrer
Sammlung (bloß zur Leitung seines Gedächtnisses) zu schicken und überhaupt
zu sorgen, daß zwischen uns alles recht im Leben erhalten würde, er wieder¬
holte mehrmals und bei jedem Anlasse, daß er nächsten Frühling wieder-


Goethe und die Boisseree

Rentengüter, die in den letzten zwanzig Jahren geschaffen worden sind. Die
Landbank, die vor zehn Jahren von angesehenen Landwirten in Berlin als
Aktiengesellschaft gegründet worden ist, hat bis Ende 1905 rund 2000 neue
Wirtschaften von zusammen 30546 Hektaren und 1433 Zukaufsgrundstücke von
Carl I-meses zusammen 6732 Hektaren an bäuerliche Besitzer vergeben.




Goethe und die Boisseree
2

ber auch persönlich sollten die Boisseree Goethen noch näher treten.
Sulpiz hatte gleich Goethe dringend eingeladen, die Zeichnung
mit eignen Augen zu beschauen. Er hatte den lebhaften Wunsch,
damit den Sieg, dessen er sich rühmte, vollständig zu machen und
den alten Heiden mit klingendem Spiel und wehenden Fahnen
in das Lager der Romantik einzuführen. Mehrere Jahre gehn darüber hin,
die stürmischen Zeiten der Befreiungskriege luden nicht zu solchen Unter¬
nehmungen ein. Aber der Spätsommer 1814 krönte die Hoffnungen des
Heidelberger Kleeblatts mit glänzender Erfüllung. Goethe, so sehr er sonst
die böhmischen Bäder bevorzugte, hatte sich diesmal für Wiesbaden entschieden.
Am 13. August schrieb er von dort an Sulpiz, der sich in Burtscheid bei
Aachen aufhielt, wo er ein hübsches Zusammentreffen mit dem Herzog Karl
August hatte, und bat um seinen Besuch. Obwohl es anfangs mit den beider¬
seitigen Zeiteinrichtungen nicht gut zu passen schien, kam Sulpiz doch recht¬
zeitig nach Wiesbaden, da Goethe in einem spätern Briefe ausdrücklich den
Wunsch zu erkennen gegeben hatte, die drei Freunde und die Sammlung zu
besuchen. Sulpiz reist nun mit ihm zunächst nach Frankfurt, wo einige Tage
Aufenthalt war, am 24. September erscheint Goethe in Heidelberg und nimmt
bei den Boisseree Wohnung. Natürlich waren es nicht nur für diese festliche
Tage, die ganze akademische Welt war in freudiger Erregung, eine Feierlich¬
keit jagte die andre. Goethe blieb bis zum 10. Oktober und trat dann die
Heimreise an. „Der Abschied von dem alten Freunde, schrieb Sulpiz am 11.,
tat mir recht leid, besonders als er wegfuhr und ich allein blieb und niemand
hatte, als meine Gedanken, mit dem ich mich unterhalten konnte über das,
was er uns gewesen war, und was wir in diesen schönen Tagen von ihm
gehabt. Er bat wiederholt, ihm bald zu schreiben und den Katalog unsrer
Sammlung (bloß zur Leitung seines Gedächtnisses) zu schicken und überhaupt
zu sorgen, daß zwischen uns alles recht im Leben erhalten würde, er wieder¬
holte mehrmals und bei jedem Anlasse, daß er nächsten Frühling wieder-


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[0149] Goethe und die Boisseree Rentengüter, die in den letzten zwanzig Jahren geschaffen worden sind. Die Landbank, die vor zehn Jahren von angesehenen Landwirten in Berlin als Aktiengesellschaft gegründet worden ist, hat bis Ende 1905 rund 2000 neue Wirtschaften von zusammen 30546 Hektaren und 1433 Zukaufsgrundstücke von Carl I-meses zusammen 6732 Hektaren an bäuerliche Besitzer vergeben. Goethe und die Boisseree 2 ber auch persönlich sollten die Boisseree Goethen noch näher treten. Sulpiz hatte gleich Goethe dringend eingeladen, die Zeichnung mit eignen Augen zu beschauen. Er hatte den lebhaften Wunsch, damit den Sieg, dessen er sich rühmte, vollständig zu machen und den alten Heiden mit klingendem Spiel und wehenden Fahnen in das Lager der Romantik einzuführen. Mehrere Jahre gehn darüber hin, die stürmischen Zeiten der Befreiungskriege luden nicht zu solchen Unter¬ nehmungen ein. Aber der Spätsommer 1814 krönte die Hoffnungen des Heidelberger Kleeblatts mit glänzender Erfüllung. Goethe, so sehr er sonst die böhmischen Bäder bevorzugte, hatte sich diesmal für Wiesbaden entschieden. Am 13. August schrieb er von dort an Sulpiz, der sich in Burtscheid bei Aachen aufhielt, wo er ein hübsches Zusammentreffen mit dem Herzog Karl August hatte, und bat um seinen Besuch. Obwohl es anfangs mit den beider¬ seitigen Zeiteinrichtungen nicht gut zu passen schien, kam Sulpiz doch recht¬ zeitig nach Wiesbaden, da Goethe in einem spätern Briefe ausdrücklich den Wunsch zu erkennen gegeben hatte, die drei Freunde und die Sammlung zu besuchen. Sulpiz reist nun mit ihm zunächst nach Frankfurt, wo einige Tage Aufenthalt war, am 24. September erscheint Goethe in Heidelberg und nimmt bei den Boisseree Wohnung. Natürlich waren es nicht nur für diese festliche Tage, die ganze akademische Welt war in freudiger Erregung, eine Feierlich¬ keit jagte die andre. Goethe blieb bis zum 10. Oktober und trat dann die Heimreise an. „Der Abschied von dem alten Freunde, schrieb Sulpiz am 11., tat mir recht leid, besonders als er wegfuhr und ich allein blieb und niemand hatte, als meine Gedanken, mit dem ich mich unterhalten konnte über das, was er uns gewesen war, und was wir in diesen schönen Tagen von ihm gehabt. Er bat wiederholt, ihm bald zu schreiben und den Katalog unsrer Sammlung (bloß zur Leitung seines Gedächtnisses) zu schicken und überhaupt zu sorgen, daß zwischen uns alles recht im Leben erhalten würde, er wieder¬ holte mehrmals und bei jedem Anlasse, daß er nächsten Frühling wieder-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/149>, abgerufen am 19.05.2024.