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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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eim größern Teile des deutschen Volkes steht "der Vater aller
Hindernisse, der Führer der Welsen und Ultramontanen und
Bundesgenosse aller Ncichsfeinde" im allerschlcchtesten Andenken.
Aber er ist eine weltgeschichtliche Persönlichkeit, die ihre Rolle
ans deutschem Boden gespielt hat, und darum darf ein deutsches
Organ für Politik die erste ausführliche Biographie des Mannes nicht un¬
beachtet lasse". (Ludwig Windthorst von Dr. Ed. Hüsgen. Mit 154 Illu¬
strationen und 2 Beilagen. Köln, I. P. Bachem, 1907. Ladenpreis 8 Mark,
gebunden 10 Mark.) Windthorsts Leben hat so sehr der Öffentlichkeit an¬
gehört, daß uus der Biograph nicht viel Privates zu berichten weiß. Daß
er einer Familie von Juristen und Beamten entstammt, deren Mitglieder, wie
es in Niedersachsen häusig vorkommt, zum Teil Landgüter besessen oder
wenigstens verwaltet haben, daß er "ein plnsierlichcr Jung" gewesen ist, daß
ihn ein Kaplan, der ihn als Treiber auf der Jagd verwandte statt ihn zu
unterrichten, für unfähig erklärt und geraten hat, ihn Drechsler werden zu
lassen, daß er auf dem Gymnasium ein guter Schüler gewesen ist, daß er als
Student unbedingt tanzen lernen wollte, und weil er für den allgemeinen
Unterricht zu ungeschickt war, allein mit des Karzerwürters Tochter üben
mußte, daß er bei der Serenade, die er seiner Angebeteten brachte, ins Wasser
plumpste und dadurch ihr hartes Herz rührte, sodaß sie endlich ja sagte, daß
er mit ihr in glücklicher Ehe gelebt und vier Kinder gezeugt hat, von denen
nur eins, eine Tochter, ihn überlebte, das ist so ziemlich alles, was wir,
natürlich etwas ausführlicher, aus seinem Privatleben erfahren. Im Jahre 1836
ließ sich der damals Vicrundzwanzigjährige als Advokat und Notar in Osna¬
brück nieder. Er erfreute sich bald einer guten Praxis, wurde zum Vorsitzenden
Rat im katholischen Konsistorium zu Osnabrück und von der Ritterschaft
der Landschaft Osnabrück zum Syndikus gewühlt und 1842 zum Ober¬
appellationsrat am höchsten Gericht des Königreichs Hannover in Celle er¬
nannt. Im Jahre 1848 begann der erste, der hannoversche Abschnitt seiner
politischen Tätigkeit. Da dieser wohl wenig bekannt ist, soll darüber nach
HüSgen kurz berichtet werden.

Windthorst wurde vom Wahlkreise Osnabrück in die Zweite Kammer ge¬
sandt. Hannover hatte unter englischem Einfluß schon 1833 eine Verfassung
erhalten. Ernst August aber, der 1837 den Thron bestieg, war gewillt, ein




windthorst

eim größern Teile des deutschen Volkes steht „der Vater aller
Hindernisse, der Führer der Welsen und Ultramontanen und
Bundesgenosse aller Ncichsfeinde" im allerschlcchtesten Andenken.
Aber er ist eine weltgeschichtliche Persönlichkeit, die ihre Rolle
ans deutschem Boden gespielt hat, und darum darf ein deutsches
Organ für Politik die erste ausführliche Biographie des Mannes nicht un¬
beachtet lasse». (Ludwig Windthorst von Dr. Ed. Hüsgen. Mit 154 Illu¬
strationen und 2 Beilagen. Köln, I. P. Bachem, 1907. Ladenpreis 8 Mark,
gebunden 10 Mark.) Windthorsts Leben hat so sehr der Öffentlichkeit an¬
gehört, daß uus der Biograph nicht viel Privates zu berichten weiß. Daß
er einer Familie von Juristen und Beamten entstammt, deren Mitglieder, wie
es in Niedersachsen häusig vorkommt, zum Teil Landgüter besessen oder
wenigstens verwaltet haben, daß er „ein plnsierlichcr Jung" gewesen ist, daß
ihn ein Kaplan, der ihn als Treiber auf der Jagd verwandte statt ihn zu
unterrichten, für unfähig erklärt und geraten hat, ihn Drechsler werden zu
lassen, daß er auf dem Gymnasium ein guter Schüler gewesen ist, daß er als
Student unbedingt tanzen lernen wollte, und weil er für den allgemeinen
Unterricht zu ungeschickt war, allein mit des Karzerwürters Tochter üben
mußte, daß er bei der Serenade, die er seiner Angebeteten brachte, ins Wasser
plumpste und dadurch ihr hartes Herz rührte, sodaß sie endlich ja sagte, daß
er mit ihr in glücklicher Ehe gelebt und vier Kinder gezeugt hat, von denen
nur eins, eine Tochter, ihn überlebte, das ist so ziemlich alles, was wir,
natürlich etwas ausführlicher, aus seinem Privatleben erfahren. Im Jahre 1836
ließ sich der damals Vicrundzwanzigjährige als Advokat und Notar in Osna¬
brück nieder. Er erfreute sich bald einer guten Praxis, wurde zum Vorsitzenden
Rat im katholischen Konsistorium zu Osnabrück und von der Ritterschaft
der Landschaft Osnabrück zum Syndikus gewühlt und 1842 zum Ober¬
appellationsrat am höchsten Gericht des Königreichs Hannover in Celle er¬
nannt. Im Jahre 1848 begann der erste, der hannoversche Abschnitt seiner
politischen Tätigkeit. Da dieser wohl wenig bekannt ist, soll darüber nach
HüSgen kurz berichtet werden.

Windthorst wurde vom Wahlkreise Osnabrück in die Zweite Kammer ge¬
sandt. Hannover hatte unter englischem Einfluß schon 1833 eine Verfassung
erhalten. Ernst August aber, der 1837 den Thron bestieg, war gewillt, ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/348>, abgerufen am 19.05.2024.