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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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Das Recht am Titel, Grden und Ehrenzeichen

besetzt. Ob dieser Konflikt, bei dem es sich um außerordentlich reiche Lündercien
handelt, nun von den Mächten beigelegt werden wird, ist noch nicht klar, ebenso¬
wenig die Frage, auf wessen Seite wirklich das Recht ist.

Die Unzufriedenheit des Volkes wurde durch diese Vorgänge nur noch
weiter gesteigert. Das Parlament nahm allmählich eine immer drohendere
Haltung an und verlangte kategorisch eine Entscheidung des Schäds, wogegen
ihm die reaktionäre Partei mit Absetzung drohte; als sein Nachfolger wurde
offen sein Onkel, der Prinz Zilli, bezeichnet. In dieser für ihn im höchsten
Maße kritischen Lage hat der Schah einem Telegramm zufolge endlich am
20. September eine bindende Erklärung abgegeben, in der er die Anerkennung
der Konstitution und des Parlaments ausspricht.

Es ist müßig, Betrachtungen darüber anzustellen, was weiter wird, und wie
sich die innern Verhältnisse nach dem englisch-russischen Vertrag gestalten werden.
Zunächst macht Persien verzweifelte Anstrengungen, sich der drohenden Finanz¬
kontrolle zu entziehn. Der Schah soll 4 Millionen Mark an der Nationalbank
gezeichnet haben, ebenso sollen von Patrioten größere Summen aufgebracht
worden sein. Wenn Persien nun äußerlich auch als ein konstitutioneller Staat
erscheint, so ist mit dem augenblicklichen Siege des Parlamentarismus die Zukunft
des Landes doch noch lange nicht gesichert. Es muß immer berücksichtigt werden,
daß die parlamentarischen Einrichtungen ohne jegliche geschichtliche Grundlage,
wie ein fremdes Reis auf einen uralten Stamm, auf Persien übertragen worden
sind. Die Übertragung dieses Produkts hoher Kultur auf asiatische Völker ist
zwar einmal gelungen, in Japan. Aber dort ist auch ein andrer Nährboden
vorhanden als in irgendeinem andern asiatischen Reich. Ritterlicher Geist, An¬
spruchslosigkeit für die eigne Person, Aufopferung für das Gemeinwohl sind
dort seit uralter Zeit heimisch, in Persien hingegen nur Korruption und Eigennutz.
Sollte der jetzige Versuch wirklich zu einem sich allmählich konsolidierenden
Staatswesen führen, so kann dies für unsre Interessen nur ein Vorteil sein.




Das Recht am Titel, Orden und Ehrenzeichen
Geh. Justizrat West von

zie Befugnis des Staatsoberhauptes, verliehene Ehrenauszeich¬
nungen -- Titel, Orden, Ehrenzeichen -- nach seinem Ermessen
wieder zu entziehen, begegnete unter der Herrschaft des frühern
deutschen Staats- und Bundesrechts keinem gegründeten Zweifel.
" Wird sie aber gegenwärtig noch hier und da in Anspruch ge¬
nommen, so lenken derartige Fälle die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich, und
es wird in breiter Öffentlichkeit, in der Presse, mitunter sogar vor Gericht,


Grenzboten IV 1907 52
Das Recht am Titel, Grden und Ehrenzeichen

besetzt. Ob dieser Konflikt, bei dem es sich um außerordentlich reiche Lündercien
handelt, nun von den Mächten beigelegt werden wird, ist noch nicht klar, ebenso¬
wenig die Frage, auf wessen Seite wirklich das Recht ist.

Die Unzufriedenheit des Volkes wurde durch diese Vorgänge nur noch
weiter gesteigert. Das Parlament nahm allmählich eine immer drohendere
Haltung an und verlangte kategorisch eine Entscheidung des Schäds, wogegen
ihm die reaktionäre Partei mit Absetzung drohte; als sein Nachfolger wurde
offen sein Onkel, der Prinz Zilli, bezeichnet. In dieser für ihn im höchsten
Maße kritischen Lage hat der Schah einem Telegramm zufolge endlich am
20. September eine bindende Erklärung abgegeben, in der er die Anerkennung
der Konstitution und des Parlaments ausspricht.

Es ist müßig, Betrachtungen darüber anzustellen, was weiter wird, und wie
sich die innern Verhältnisse nach dem englisch-russischen Vertrag gestalten werden.
Zunächst macht Persien verzweifelte Anstrengungen, sich der drohenden Finanz¬
kontrolle zu entziehn. Der Schah soll 4 Millionen Mark an der Nationalbank
gezeichnet haben, ebenso sollen von Patrioten größere Summen aufgebracht
worden sein. Wenn Persien nun äußerlich auch als ein konstitutioneller Staat
erscheint, so ist mit dem augenblicklichen Siege des Parlamentarismus die Zukunft
des Landes doch noch lange nicht gesichert. Es muß immer berücksichtigt werden,
daß die parlamentarischen Einrichtungen ohne jegliche geschichtliche Grundlage,
wie ein fremdes Reis auf einen uralten Stamm, auf Persien übertragen worden
sind. Die Übertragung dieses Produkts hoher Kultur auf asiatische Völker ist
zwar einmal gelungen, in Japan. Aber dort ist auch ein andrer Nährboden
vorhanden als in irgendeinem andern asiatischen Reich. Ritterlicher Geist, An¬
spruchslosigkeit für die eigne Person, Aufopferung für das Gemeinwohl sind
dort seit uralter Zeit heimisch, in Persien hingegen nur Korruption und Eigennutz.
Sollte der jetzige Versuch wirklich zu einem sich allmählich konsolidierenden
Staatswesen führen, so kann dies für unsre Interessen nur ein Vorteil sein.




Das Recht am Titel, Orden und Ehrenzeichen
Geh. Justizrat West von

zie Befugnis des Staatsoberhauptes, verliehene Ehrenauszeich¬
nungen — Titel, Orden, Ehrenzeichen — nach seinem Ermessen
wieder zu entziehen, begegnete unter der Herrschaft des frühern
deutschen Staats- und Bundesrechts keinem gegründeten Zweifel.
„ Wird sie aber gegenwärtig noch hier und da in Anspruch ge¬
nommen, so lenken derartige Fälle die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich, und
es wird in breiter Öffentlichkeit, in der Presse, mitunter sogar vor Gericht,


Grenzboten IV 1907 52
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[0409] Das Recht am Titel, Grden und Ehrenzeichen besetzt. Ob dieser Konflikt, bei dem es sich um außerordentlich reiche Lündercien handelt, nun von den Mächten beigelegt werden wird, ist noch nicht klar, ebenso¬ wenig die Frage, auf wessen Seite wirklich das Recht ist. Die Unzufriedenheit des Volkes wurde durch diese Vorgänge nur noch weiter gesteigert. Das Parlament nahm allmählich eine immer drohendere Haltung an und verlangte kategorisch eine Entscheidung des Schäds, wogegen ihm die reaktionäre Partei mit Absetzung drohte; als sein Nachfolger wurde offen sein Onkel, der Prinz Zilli, bezeichnet. In dieser für ihn im höchsten Maße kritischen Lage hat der Schah einem Telegramm zufolge endlich am 20. September eine bindende Erklärung abgegeben, in der er die Anerkennung der Konstitution und des Parlaments ausspricht. Es ist müßig, Betrachtungen darüber anzustellen, was weiter wird, und wie sich die innern Verhältnisse nach dem englisch-russischen Vertrag gestalten werden. Zunächst macht Persien verzweifelte Anstrengungen, sich der drohenden Finanz¬ kontrolle zu entziehn. Der Schah soll 4 Millionen Mark an der Nationalbank gezeichnet haben, ebenso sollen von Patrioten größere Summen aufgebracht worden sein. Wenn Persien nun äußerlich auch als ein konstitutioneller Staat erscheint, so ist mit dem augenblicklichen Siege des Parlamentarismus die Zukunft des Landes doch noch lange nicht gesichert. Es muß immer berücksichtigt werden, daß die parlamentarischen Einrichtungen ohne jegliche geschichtliche Grundlage, wie ein fremdes Reis auf einen uralten Stamm, auf Persien übertragen worden sind. Die Übertragung dieses Produkts hoher Kultur auf asiatische Völker ist zwar einmal gelungen, in Japan. Aber dort ist auch ein andrer Nährboden vorhanden als in irgendeinem andern asiatischen Reich. Ritterlicher Geist, An¬ spruchslosigkeit für die eigne Person, Aufopferung für das Gemeinwohl sind dort seit uralter Zeit heimisch, in Persien hingegen nur Korruption und Eigennutz. Sollte der jetzige Versuch wirklich zu einem sich allmählich konsolidierenden Staatswesen führen, so kann dies für unsre Interessen nur ein Vorteil sein. Das Recht am Titel, Orden und Ehrenzeichen Geh. Justizrat West von zie Befugnis des Staatsoberhauptes, verliehene Ehrenauszeich¬ nungen — Titel, Orden, Ehrenzeichen — nach seinem Ermessen wieder zu entziehen, begegnete unter der Herrschaft des frühern deutschen Staats- und Bundesrechts keinem gegründeten Zweifel. „ Wird sie aber gegenwärtig noch hier und da in Anspruch ge¬ nommen, so lenken derartige Fälle die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich, und es wird in breiter Öffentlichkeit, in der Presse, mitunter sogar vor Gericht, Grenzboten IV 1907 52

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/409>, abgerufen am 19.05.2024.