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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.

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August Axel, eine Studie aus dem alten Leipzig
Dedo Lduard Schmidt von2

esonders tief erregte Apel das Jahr 1813. War er doch als
Leipziger Ratsherr in all das Elend verwickelt, das der Krieg
mit sich brachte. Auch während der Schreckenstage im Oktober
blieb er auf seinem Posten und war Augenzeuge der Völker¬
schlacht. Am Abend des 19. Oktober feierte er die Befreiung
der Stadt mit dem Dichter Fouque, der als Leutnant einer Kürassier¬
abteilung der preußischen freiwilligen Jäger in Leipzig eingeritten war. Apel
erzählt in seinem Tagebuche: "Als ich zu Haus kam, hielt ein Reiter im
weißen Mantel vor meinem Haus. . . Es war schon Dämmerung, wie ich aber
dem Reiter ins Gesicht sehe, erkenne ich meinen lieben Fouqui selbst." Und
dieser berichtet in seiner "Lebensgeschichte" S. 355: "Am Abend noch ein
fröhlicher Einritt bei Freund August Apel in Leipzig, dem Dichter so manch
geheimnisreicher Schauersage, dem sinnigen Metriker, dem so viel begabten
glücklich unglücklichen geheimnisreichen Manne." Im Juli 1814 schreibt Apel
auf diese Zeit zurückblickend an Karl von Miltitz:

"Ich möchte Sie beneiden, so wie ich Fouque und Andre beneide um
den Feldzug. In solcher Zeit, wo eine große Idee einmal wie ein alter
herrlicher Legendenheiliger durch die Länder geht und die Völker in den
Kampf führt, ist es das kläglichste Geschäft zu Hause zu sitzen und die zer¬
fallenden nicht geachteten Formen friedliches Herkommens wie abgebrauchte
Kartenblätter zu einem Gebäude zusammenfügen, die, man weis es selbst recht
Wohl, vom nächsten Windhauch wieder eingeworfen werden. Gleichwol muß
man das Spiel treiben, weil die Leute über dem Zusehn wenigstens nichts
schlimmeres vornehmen. Ich habe den ganzen Winter durch die Leipziger
Landwehr aufheben müssen."

Apel liebte es, während er den Freunden gegenüber mit Anerkennung
und Lob durchaus nicht kargte, seine eigne Tätigkeit zu verkleinern, sonst
hätte er an dieser Stelle vielleicht eines kleinen Werkes gedacht, das, wenn
nicht ganz, so doch vielleicht zum Teil auf ihn zurückzuführen ist. Es ist
nämlich im Jahre 1813 ein kleines, recht selten gewordnes Büchlein anonym
erschienen unter dem Titel: "Zeitlosen. Auf den verwüsteten Fluren Sachsens
gesammelt". In 48 Gedichten drückt es die Empfindungen aus, mit denen der




August Axel, eine Studie aus dem alten Leipzig
Dedo Lduard Schmidt von2

esonders tief erregte Apel das Jahr 1813. War er doch als
Leipziger Ratsherr in all das Elend verwickelt, das der Krieg
mit sich brachte. Auch während der Schreckenstage im Oktober
blieb er auf seinem Posten und war Augenzeuge der Völker¬
schlacht. Am Abend des 19. Oktober feierte er die Befreiung
der Stadt mit dem Dichter Fouque, der als Leutnant einer Kürassier¬
abteilung der preußischen freiwilligen Jäger in Leipzig eingeritten war. Apel
erzählt in seinem Tagebuche: „Als ich zu Haus kam, hielt ein Reiter im
weißen Mantel vor meinem Haus. . . Es war schon Dämmerung, wie ich aber
dem Reiter ins Gesicht sehe, erkenne ich meinen lieben Fouqui selbst." Und
dieser berichtet in seiner „Lebensgeschichte" S. 355: „Am Abend noch ein
fröhlicher Einritt bei Freund August Apel in Leipzig, dem Dichter so manch
geheimnisreicher Schauersage, dem sinnigen Metriker, dem so viel begabten
glücklich unglücklichen geheimnisreichen Manne." Im Juli 1814 schreibt Apel
auf diese Zeit zurückblickend an Karl von Miltitz:

„Ich möchte Sie beneiden, so wie ich Fouque und Andre beneide um
den Feldzug. In solcher Zeit, wo eine große Idee einmal wie ein alter
herrlicher Legendenheiliger durch die Länder geht und die Völker in den
Kampf führt, ist es das kläglichste Geschäft zu Hause zu sitzen und die zer¬
fallenden nicht geachteten Formen friedliches Herkommens wie abgebrauchte
Kartenblätter zu einem Gebäude zusammenfügen, die, man weis es selbst recht
Wohl, vom nächsten Windhauch wieder eingeworfen werden. Gleichwol muß
man das Spiel treiben, weil die Leute über dem Zusehn wenigstens nichts
schlimmeres vornehmen. Ich habe den ganzen Winter durch die Leipziger
Landwehr aufheben müssen."

Apel liebte es, während er den Freunden gegenüber mit Anerkennung
und Lob durchaus nicht kargte, seine eigne Tätigkeit zu verkleinern, sonst
hätte er an dieser Stelle vielleicht eines kleinen Werkes gedacht, das, wenn
nicht ganz, so doch vielleicht zum Teil auf ihn zurückzuführen ist. Es ist
nämlich im Jahre 1813 ein kleines, recht selten gewordnes Büchlein anonym
erschienen unter dem Titel: „Zeitlosen. Auf den verwüsteten Fluren Sachsens
gesammelt". In 48 Gedichten drückt es die Empfindungen aus, mit denen der


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[0474] [Abbildung] August Axel, eine Studie aus dem alten Leipzig Dedo Lduard Schmidt von2 esonders tief erregte Apel das Jahr 1813. War er doch als Leipziger Ratsherr in all das Elend verwickelt, das der Krieg mit sich brachte. Auch während der Schreckenstage im Oktober blieb er auf seinem Posten und war Augenzeuge der Völker¬ schlacht. Am Abend des 19. Oktober feierte er die Befreiung der Stadt mit dem Dichter Fouque, der als Leutnant einer Kürassier¬ abteilung der preußischen freiwilligen Jäger in Leipzig eingeritten war. Apel erzählt in seinem Tagebuche: „Als ich zu Haus kam, hielt ein Reiter im weißen Mantel vor meinem Haus. . . Es war schon Dämmerung, wie ich aber dem Reiter ins Gesicht sehe, erkenne ich meinen lieben Fouqui selbst." Und dieser berichtet in seiner „Lebensgeschichte" S. 355: „Am Abend noch ein fröhlicher Einritt bei Freund August Apel in Leipzig, dem Dichter so manch geheimnisreicher Schauersage, dem sinnigen Metriker, dem so viel begabten glücklich unglücklichen geheimnisreichen Manne." Im Juli 1814 schreibt Apel auf diese Zeit zurückblickend an Karl von Miltitz: „Ich möchte Sie beneiden, so wie ich Fouque und Andre beneide um den Feldzug. In solcher Zeit, wo eine große Idee einmal wie ein alter herrlicher Legendenheiliger durch die Länder geht und die Völker in den Kampf führt, ist es das kläglichste Geschäft zu Hause zu sitzen und die zer¬ fallenden nicht geachteten Formen friedliches Herkommens wie abgebrauchte Kartenblätter zu einem Gebäude zusammenfügen, die, man weis es selbst recht Wohl, vom nächsten Windhauch wieder eingeworfen werden. Gleichwol muß man das Spiel treiben, weil die Leute über dem Zusehn wenigstens nichts schlimmeres vornehmen. Ich habe den ganzen Winter durch die Leipziger Landwehr aufheben müssen." Apel liebte es, während er den Freunden gegenüber mit Anerkennung und Lob durchaus nicht kargte, seine eigne Tätigkeit zu verkleinern, sonst hätte er an dieser Stelle vielleicht eines kleinen Werkes gedacht, das, wenn nicht ganz, so doch vielleicht zum Teil auf ihn zurückzuführen ist. Es ist nämlich im Jahre 1813 ein kleines, recht selten gewordnes Büchlein anonym erschienen unter dem Titel: „Zeitlosen. Auf den verwüsteten Fluren Sachsens gesammelt". In 48 Gedichten drückt es die Empfindungen aus, mit denen der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_303415/474>, abgerufen am 26.05.2024.